Und so wird es nun hoffentlich ein Urteil und eine Begründung geben, die die Palliativmedizin in Deutschland stärken werden. Ärzten, Pflegeeinrichtungen und Richtern gegenüber ist endlich von höchstrichterlicher Instanz ins Stammbuch zu schreiben, dass das Zulassen des natürlichen Sterbens nichts mit aktiver Sterbehilfe - sprich "Töten" - zu tun hat.
Sterben lassen (passive Sterbehilfe) ist - bei fehlender ärztlicher Behandlungsmöglichkeit und / oder klar geäußertem oder vorher verfügtem Patientenwillen - nicht nur gerechtfertigt, sondern geboten: Ursächlich für das Lebensende des Kranken ist hier seine Krankheit respektive sein Alter. Töten eines Patienten - ob von ihm verlangt oder nicht - meint dagegen die direkte, gezielte Lebensbeendigung. Sie ist nach derzeitiger Rechtslage verboten: Ursächlich für den Tod ist in diesem Fall ein(e) ärztliche(r) Handlung oder Eingriff.
Nun glauben - neben vielen Laien und manchen Juristen - auch zahlreiche Ärzte immer noch, dass die Einstellung einer Beatmung oder künstlichen Ernährung ärztlich aktives Handeln im Sinne der Todesursächlichkeit sei. Aktive Sterbehilfe sei das, und die stehe doch unter Strafe!, so der unerschütterliche Glaube vieler Ärzte. Welch ein Irrtum! Das Abschalten eines Beatmungsgerätes ist zwar, rein äußerlich betrachtet, eine bloße Handlung. Aber wenn das Abschalten zwingend geboten ist, weil der Beatmung die ärztliche Behandlungsgrundlage entzogen oder der Patientenwille ihr entgegensteht, kann sie nicht zugleich eine Tötungshandlung sein. Vielmehr lässt man mit dem "Abschalten" das Sterben zu.
Die Ursächlichkeit einer Handlung sagt nun noch nichts über ihre mögliche Strafbarkeit aus. Die hängt in diesem Fall nicht davon ab, ob der Tod durch aktives Handeln oder passives Unterlassen eintritt, sondern ausschließlich von der Willensrichtung des Patienten. Angesichts eines Kranken, der sterben will, ist jedes Verhalten, sei es Tun oder Unterlassen, legal, wenn es den Tod des Patienten zur Folge hat - mit Ausnahme der Herbeiführung des Todes durch seine direkte gezielte Herbeiführung ("aktive Sterbehilfe"), die durch gleich drei Paragraphen des Strafgesetzbuches verboten ist.
Summa summarum: Ein Arzt, der - mit obiger Ausnahme - dem frei verantwortlichen Willen des Patienten folgt und / oder eine nicht mehr angezeigte Behandlung einstellt oder unterlässt, begeht niemals Rechtsbruch. Eine Entlastung für alle Ärzte, die hoffentlich die Quintessenz des Urteils sein wird.