Syrischer Alltag: Nachtleben:"In der Öffentlichkeit trinken wir aus Respekt keinen Alkohol"

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Adnan aus Damaskus über den idealen Freitagabend, Tänze im Wohnzimmer - und Partys, bei denen Männer und Frauen getrennt feiern.

Protokoll: Pia Ratzesberger

Ein Freitagabend in München, 18 Uhr. Draußen ist es dunkel, in dem kleinen Café im Osten der Stadt sind noch viele Tische frei. Die meisten Münchner machen gerade erst Feierabend, bis es hier voll wird, dauert es noch. Adnan Albash, 23, bestellt sich ein Bier und erzählt, was er an so einem Freitag wohl in Damaskus gemacht hätte - in jener Stadt, die er vor mehr als einem Jahr verlassen hat.

"In Damaskus pulsiert 24 Stunden am Tag das Leben, nie ist Ruhe. Natürlich ist das nicht überall in Syrien so und von der Stadt abhängig, in der du lebst - aber in Damaskus siehst du 24 Stunden Menschen auf der Straße. Wir haben ein Viertel mit vielen kleinen Cafés und Restaurants, die Häuser sind schon alt und ziemlich schön. Man kann das in München vielleicht am ehesten mit Schwabing vergleichen. In Bab Touma, so heißt das Viertel, reiht sich ein Restaurant an das nächste. Man sitzt meistens draußen, in großen Innenhöfen. Man trinkt dort tagsüber Kaffee oder Tee, abends dann Bier oder Raki.

Wir sind viel draußen, auf der Straße. Es gibt in Damaskus einen kleinen Fluss, der heißt Barada. Dort hat man sich früher manchmal getroffen, allerdings ist der Fluss nach und nach immer mehr verschmutzt. Heute ist es kein so guter Ort mehr. In der Öffentlichkeit trinken wir keinen Alkohol, aus Respekt vor den anderen Leuten - in Cafés oder zu Hause aber schon. Ich glaube, unsere Häuser sind im Schnitt auch ein bisschen größer geplant als die in Deutschland, weil wir oft viele Leute einladen.

Nachtleben in Damaskus
:Bilder aus dem Viertel Bab Touma

"Am ehesten mit Schwabing zu vergleichen" - das Viertel Bab Touma in der syrischen Hauptstadt Damaskus.

Wir kochen dann zusammen, gehen meist aber nicht mehr weiter in eine Bar. Wir tanzen viel im Wohnzimmer statt in Clubs, schauen Filme oder spielen Playstation, manchmal die ganze Nacht. Wir unternehmen in Syrien ziemlich viel mit unseren Freunden. Bevor der Krieg ausbrach, kam ich immer spät nach Hause, alle meine Freunde wohnten bei mir um die Ecke.

Vor einigen Jahren habe ich in einem der Restaurants in Bab Touma meinen Geburtstag gefeiert, es war Frühjahr und wir saßen alle an einem großen langen Tisch zusammen. Meine Familie und meine Freunde waren da, insgesamt etwa 30 Leute. Das war schön. Meine Eltern waren am Anfang mit dabei, um mir zu gratulieren, sind dann aber nach Hause gegangen. Das ist auch okay, es ist eine Sache des Respekts, dass man vor ihnen nicht wild feiert.

Manchmal feiern Männer und Frauen getrennt

Abends läuft oft englische Chartmusik, dazu tanzen die Leute einfach mehr. In manchen speziellen Clubs läuft auch arabische Musik, Bauchtanz können die meisten Frauen. Aber eigentlich tanzt man den eher unter Freunden und in der Familie, nicht unbedingt in der Öffentlichkeit. Nachtclubs haben wir ohnehin nicht so viele wie ihr hier in Deutschland. Wir gehen nicht so gerne in Clubs, ich bin jetzt 23 Jahre alt und war bisher vielleicht fünf- oder sechsmal in einem. Es ist mir zu teuer und auch viel zu voll.

Manche Cafés in der Stadt sind allein Männern vorbehalten, dort spielen wir Karten und rauchen Shisha. Wenn ich alleine mit meinen Freunden rausgehe und wir nur Männer sind, würde ich meine Freundin nicht mitnehmen. Man muss sich schließlich um seine Freundin kümmern und mit so vielen anderen Männern wäre ich sehr eifersüchtig.

Für eine Frau ist es ziemlich schwer, am Abend ganz alleine rauszugehen, ohne Begleitung. Vater oder Bruder wollen das nicht immer, auch in liberalen Familien. Wenn eine Frau alleine in einem Café ist, denke ich schon auch: "Ah okay, die sucht bestimmt einen Mann." Auch manche Feiern finden bei uns aber klar getrennt statt, zum Beispiel Hochzeiten. Da feiern die Männer alleine und die Frauen alleine, zwei riesige Partys. Irgendwann geht dann der Bräutigam zur Feier der Frauen - aber nur er. Der Rest der Männer feiert alleine weiter."

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