Senioren machen Sport:In der Form ihres Lebens

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Spielplatz für Betagte: Immer mehr ältere Menschen nutzen die kostenlosen Trimmgeräte in Parks. Ein Besuch bei rüstigen Berlinern.

Julia Amalia Heyer

Das Wort mag niemand. Ein schrecklicher Begriff, finden alle: "Seniorenspielplatz". Und dabei ist die Idee, die dahinter steht, doch so gut!

Auch da sind sich alle einig. Warum also nicht lieber von "Aktivplatz" sprechen, von "Vitaparcours" oder "Bewegungsgarten"? Renate Zeumer lacht ein bisschen und sagt, dass es "im Endeffekt ja auch egal" sei, wie man das Ganze nennt. Was nicht ganz stimmt, denn eigentlich war der Effekt ziemlich groß.

Vor allem seit der Nürnberger Bürgermeister die Ansammlung leicht stilisierter Fitnessgeräte in Stadtparks kurzerhand als "Seniorenspielplatz" bezeichnete.

1999 wurde im niedersächsischen Schöningen der erste eröffnet, mittlerweile gibt es mehr als 400 in ganz Deutschland. Daran ist Renate Zeumer nicht ganz unschuldig. Vor sieben Jahren reiste sie mit einer Freundin durch China und sah in einem Park Edelstahlkonstruktionen stehen, auf denen nicht Kinder, sondern Erwachsene turnten. Vor allem ältere.

Zeumer, Ingenieurin, fand die Trimmgestelle interessant; sie fand, dass die Menschen darauf "so glücklich" wirkten, und turnte prompt selber mit. "Die Idee vom Outdoor-Fitness", sagt sie heute, fand sie sofort unglaublich gut. Zeumer hat sich die Geräte für Deutschland patentieren lassen, hat sie ergonomisch an das Maß eines Mitteleuropäers angepasst und ist der anfänglichen Skepsis der Kommunen mit Optimismus begegnet.

Mittlerweile hat ihre Firma "Playfit" die chinesische Idee des "generationenübergreifenden Bewegungsparcours" in 200 deutschen Städten umgesetzt: als Aufforderung und Erinnerung an Erwachsene, dass es Spaß macht und guttut, sich im Freien zu bewegen.

Im Berliner Lietzenseepark stehen deshalb, gerahmt von knospenden Orangerien, Beintrainer und Rückentrainer aus glänzendem Edelstahl. Vor der Seekulisse mit Enten und Schwänen und Tretbötchen wirken selbst die Gerätschaften beinahe pittoresk. Inmitten der malerischen Fitness-Szenerie steht Elisabeth Pfletschinger und kratzt mit einem Nordic-Walking-Stecken an den Pedalen eines Sitzfahrrads herum.

Gesundheit ist nicht nur Privatsache

Wer keinen Hund hat, werde im Alter schnell bewegungsscheu, sagt Pfletschinger, 72. Seit sie im Ruhestand ist, traktiert die agile Rentnerin die Westberliner Parks mit ihren Gehsport-Stöcken. Weil die Deutschen immer älter werden und dabei nicht alle so sportlich bleiben wie Pfletschinger, gehört Zeumers sogenannter Seniorenspielplatz mittlerweile zu einer Art ganzheitlichem Alterskonzept.

Ein Trend, dessen Ende nicht abzusehen ist. Der Effekt dabei ist kalkuliert: In einer Gesellschaft, in der bald auf jeden Beschäftigten zwei Rentner kommen werden, ist die Gesundheit bis ins hohe Alter nicht nur Privatsache, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor.

Selbstverständlich geht es nicht nur um körperliche Fitness, auch anderen Altersgebrechen wird vorgebeugt. Der Einsamkeit, zum Beispiel. "Auf 'ner Parkbank, da sitzt man ja lieber alleine", sagt Pfletschinger. Beim Sitzfahrrad dagegen freue man sich über Nachbarn. Und die Groschen fürs Tretbootmieten, die könne man sich dabei glatt sparen.

Alles gratis und draußen

Weil die Oberschenkelmuskulatur ja durchs Trockentreten gekräftigt werde. Die wird auch durch den sogenannten Beintrainer gestärkt, der so ähnlich in jedem Fitnessstudio steht. Die Playfit-Geräte sind einfacher konzipiert, deshalb aber stabiler und nahezu wartungsfrei. Kleine Schilder künden vom Wellness-Effekt für die Nutzer: Ausdauer gesteigert, alle wichtigen Muskelgruppen beansprucht. Und das alles gratis und draußen.

Regelrecht begeistert sei man von diesem "Tummelplatz", erzählt Petra Krötzsch, Geschäftsführerin des Berliner Vereins Lebensherbst. So begeistert, dass man für das Frühjahr eine Bewegungstherapeutin angeheuert hat, die die sportelnden Besucher ganz professionell instruiert. "Kommunikation und Körperbetätigung" laute die Devise.

Krötzschs Verein hat die Geräte am Lietzensee bezahlt, rund 25.000 Euro kostet ein Seniorenspielplatz. Zur Einweihung kam sogar Ursula von der Leyen, damals noch Familienministerin. Diesen Plätzen gehöre die Zukunft, erklärte sie. Und skizzierte ein generationenübergreifendes Idyll: Kinder und Alte gemeinsam beim ertüchtigenden Spiel.

Mittlerweile gibt es wissenschaftliche Erhebungen zum Thema. Die Fachhochschule Wiesbaden veröffentlichte eine Studie über die liebsten Fitnessgepflogenheiten der Alten. An erster Stelle stehen allerdings nicht die neuen Trimm-konstrukte aus Edelstahl, die Wunschliste der Senioren wird angeführt von einem simplen Kiesbett zur Fußmassage.

© SZ vom 26.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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