Jens Spahn über Berlin:Man spricht kein Deutsch

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Illustration: Bene Rohlmann (Foto: N/A)

Jens Spahn von der CDU regt sich darüber auf, dass die Bedienungen in der Hauptstadt alle nur Englisch sprechen. Doch er hat nichts von Berliner Werten verstanden.

Glosse von Verena Mayer, Berlin

Der Kabarettist Rainald Grebe hat sich in einem Lied mit dem Titel "Stadtmarketing" einmal über all die Slogans lustig gemacht, mit denen Städte für sich werben. Grebe vermutet, dass diese Sätze vielleicht von derselben Agentur, bestehend aus zwei Spaßvögeln, stammen. Die dann von Stadt ("Dortmund überrascht. Dich") zu Stadt ("Mannheim - Leben im Quadrat") ziehen, ein Motto abwerfen und sich das teuer bezahlen lassen. Irgendwann müssen sie in Berlin gewesen sein, denn dort heißt es seit Neuestem: "Hilf Berlin, Berlin zu bleiben".

Der Slogan ist Teil einer Image-Kampagne, die für die Eigenarten der Hauptstadt wirbt und dafür, sie als "Berliner Werte" zu verteidigen. Tatsächlich sollte man Berlin bei sehr vielen Dingen helfen, allerdings nicht gerade dabei, Berlin zu bleiben. Andererseits: Wo lernt man schneller Leute kennen als in einer Schlange vor dem Bürgeramt, was ist chilliger als ein Flughafen ohne Flugzeuge?

Schade nur, dass Jens Spahn Berlin nicht helfen will, Berlin zu bleiben. Der CDU-Politiker und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium hat richtig beobachtet, dass Berlin nicht nur Leute aus Dortmund oder Mannheim anzieht. Sondern auch solche, die sich sonst wahrscheinlich in New York oder London mit irgendwelchen Restaurant-Jobs durchschlagen würden. Doch statt dies für gelungenes Stadtmarketing einer Weltmetropole zu halten, klagte Spahn in einem Zeitungsinterview, es gehe "ihm zunehmend auf den Zwirn, dass in manchen Berliner Restaurants die Bedienung nur Englisch spricht".

Nun gehört zu den Leuten, die einem zunehmend auf den Zwirn gehen, unter anderem die CDU-Nachwuchshoffnung Jens Spahn. Das ist aber nicht der Grund, warum Spahns Aussage an der Realität des Großstadtlebens vorbeigeht, das nun einmal eine gewisse Internationalität mit sich bringt. Denn Berlins Kellner sind einfach so, wie sie sind und wie sie immer schon waren.

Die typische Berliner Servicekraft findet ja den Ausdruck "Bedienung" mit ihrer Menschwürde prinzipiell unvereinbar. Entweder lässt sie einen spüren, dass sie kurz davor ist, in Hollywood durchzustarten, oder sie gibt einem Ortsfremden, der es wagt, sich in seinem Heimatidiom zu äußern, einen Satz wie "Bei Servus gibt's keinen Service" mit. Berliner Werte eben. Das Wichtigste, was Berliner Kellner können müssen, ist, ihre Gäste anzuschnauzen. Und das geht nun mal auch ganz prima auf Englisch.

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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