Papierhochzeit für William und Catherine:Wir Royal

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Es war eine Märchenhochzeit, die London in einen Ausnahmezustand versetzte und Millionen Zuschauer an die Fernsehschirme fesselte: Vor genau einem Jahr gaben sich Prinz William und die Bürgerliche Kate Middleton das Ja-Wort. Noch immer fasziniert das Prinzenpaar Menschen weltweit. Warum? Weil sie sind wie wir - nur besser.

Claudia Fromme

In britischen Schreibwarenläden gibt es eine Pflichtecke: die Royals. Mehrere Quadratmeter sind mancherorts mit Postkarten planiert, die freundlich winkende Vertreter des britischen Königshauses zeigen. Den größten Platz neben der Queen besetzen inzwischen Kate und William. Das Paar, das irgendwann einmal den britischen Thron einnehmen soll. Karte um Karte strahlt das junge Glück - adrett, sauber, perlweiß.

Ein Jahr sind Herzogin Catherine und Prinz William mittlerweile verheiratet. Im ersten Ehe-Jahr nahmen die beiden eine Vielzahl öffentlicher Termine war - wie hier bei einem traditionellen Rodeo im kanadischen Calgary im Juli letzten Jahres. (Foto: dpa)

Zuweilen finden sich unter den royalen Karten auch die von Alison Jackson. Die Britin inszeniert Doppelgänger von Prominenten in pikanter Pose. Da gibt es zum Beispiel angebliche Fotos aus Kates und Williams Schlafgemach. Das Kate-Double trägt darauf Reizwäsche und Krone und lächelt frivol, der falsche Prinz in Uniform fasst ihr brunftig an die Schulter. Auf einer anderen Karte liegen sie in zerwühlten Laken im güldenen Bett. Will man das sehen?

Der Verkäufer im Schreibwarenladen an der U-Bahnstation High Street Kensington in London zuckt mit den Schultern. Touristen kaufen die als Spaß, sagt er. Sonst seien die nicht so der Renner. "Die Leute wollen die Klassiker." Den Hochzeitskuss. Die Verlobung. So etwas. Das ganz langweilige Zeug.

Eigentlich ist das schon das ganze Geheimnis der Beliebtheit von William, 29, und Kate, 30. Ein Jahr ist es am Sonntag her, die elfenbeinfarbene Hochzeitsrobe, die offene Kutsche, der keusche Kuss. Das Paar lebt seither mit seinem Cocker Spaniel Lupo auf der abgeschiedenen Insel Anglesey in Wales und bevorzugt ruhige Abende vor dem Fernseher.

Zwischendurch hat William sechs Wochen auf den Falklandinseln gedient, und Kate hielt in einem biederen Kleid der Mittelklassemarke Reiss ihre erste Rede in einem Kinderhospiz. Bei Madame Tussauds wurden Kate und William als Wachsfiguren enthüllt, bei Mattel royale Barbie-Doubles vorgestellt. So weit, so langweilig.

Das royale Mittelmaß gilt es zu finden

Doch was ist die Folge? Touristen fallen auf Anglesey ein, der Kinderhospizverein kann sich vor Spenden kaum retten, Tausende stürmen am Enthüllungstag das Wachsfigurenkabinett, die Barbies sind ausverkauft, die Muttimarke Reiss erlebt einen zweiten Frühling.

Was ist da passiert? Nicht viel. Kate und William haben sich nur an das gehalten, was Monarchien seit jeher erfolgreich macht bei ihren Anhängern: eine fein abgeschmeckte Mischung aus Volksnähe und Distanz, aus Mythos und Moderne - royales Mittelmaß eben. Der viktorianische Staatsrechtler Walter Bagehot hat einmal gesagt: "Des Königtums Mysterium ist sein eigentliches Leben. Wir dürfen kein Tageslicht eindringen lassen in seine Magie."

Natürlich leben Königshäuser heute längst auch davon, dass Fernsehkameras sie massentauglich in Szene setzen. Sie zehren aber ebenso davon, dass nicht jeder Winkel des Palastes ausgeleuchtet wird. Bekanntermaßen hat die Queen noch nie ein Interview gegeben - was natürlich zum Mythos beiträgt. Auch treten William und Kate nur dosiert zusammen öffentlich auf. Die Strahlkraft der Monarchie lebt von der Andeutung, nicht vom Expliziten.

Wir möchten nicht in das Schlafzimmer von William und Kate blicken, irgendwann wird der Nachwuchs schon kommen, Fachblätter wie People hyperventilieren ja schon, seit Kate bei einem Besuch in Kopenhagen im November Erdnusspaste abgelehnt hat. Was wir über das außereheliche Balzverhalten des schwedischen Königs Carl XVI. Gustaf und seines dampfenden spanischen Kollegen Juan Carlos erfahren haben, wollen wir schnell wieder vergessen.

Die Monarchie soll volksnah sein, aber bitte nicht im Vollkontakt. Sie soll in Krisenzeiten eine Festung sein, da braucht man keine Krisenkönige. Und für den Klatsch ist von jeher das Randpersonal gut genug. Der Hype um den Po von Kates Schwester Pippa zum Beispiel ist ein Phänomen, mit dem das Königshaus gut leben kann. Sie gehört nicht zum royalen Kernteam und darf damit all das bedienen, was Kate qua Funktion nie bieten sollte.

An den Wachsfiguren kann man die Balance zwischen Volksnähe und Distanz sehr schön erklären. Jeder kann sich neben die Doppelgänger stellen und sich mit ihnen fotografieren und das Bild auf den Kaminsims stellen. Ohne wohlwollendes Abnicken des Paares gäbe es die Figuren nicht, Kate und William selbst sollen vier Fotos vorgeschlagen haben, die den Skulpteuren als Vorlage dienten.

Modellsitzen aber wollten sie nicht, auch der Enthüllung wohnten sie nicht bei. Das wäre zu nah. Dann wieder fliegen sie mit Easy Jet aus dem Skiurlaub zurück. Zum Benefizkonzert trägt Kate ein Minikleid von Zara für 80 Euro. Bei der Hochzeit sitzen der Postbote und der Metzger aus ihrer Heimat in der Kirche.

Es mag sein, dass William und Kate ganz wilde Typen sind, die darauf pfeifen, was das strenge britische Hofzeremoniell vorgibt. Es mag aber auch sein, dass die PR-Strategen aus Clarence House ihnen auf Geheiß der Queen unter die Arme greifen, um ein modernes Märchen von der Monarchie zu formen.

In England wird das mit schöner Regelmäßigkeit vom eigenen Personal torpediert - von Dianas Affäre mit dem Reitlehrer über Charles süffige Telefonate mit seiner Geliebten Camilla bis zu Harrys Auftritt als Nazi und Edwards dubiosen Finanzgeschäften. Kate und William, adrett und jünger als die stets skandalfreie Queen, bieten die ideale Projektionsfläche. Sie sind Markenbotschafter der "Firma", wie die Queen ihre Familie nennt. Sozusagen Herr Kaiser und Klementine des britischen Königshauses.

Geleitet wird das Presseteam vom ehemaligen Kommunikationsdirektor von Manchester United, Paddy Harverson, der dafür bekannt ist, Blutgrätschen als Liebkosungen verkaufen zu können. Väterlich flankiert werden Kate und William von Jamie Lowther-Pinkerton, der als Elitesoldat in Kolumbien Drogenbarone gejagt hat und als Intimus der Queen gilt.

Die beiden formen das öffentliche Bild des Paares, was mit einschließt, dass sie behaupten, derlei nicht zu tun. Ein bisschen enger scheinen die Bande zwischen PR und Palast doch zu sein: William Lowther-Pinkerton, der zehnjährige Sohn des Sekretärs, war Page bei der Hochzeit vor einem Jahr.

Catherine - die Bürgerprinzessin

Kate ist auch deshalb so erfolgreich, weil sie den Typ verkörpert, der Diana nie war, den aber alle in ihr sehen wollten: die Bürgerprinzessin. Kate, die heute ihren Geburtsnamen Catherine führt, was aber die meisten ignorieren, ist die erste Bürgerliche seit 400 Jahren im britischen Königshaus, die einen Thronfolger geheiratet hat.

Wurde bei Diana anfangs das Märchen von der kleinen Kindergärtnerin fabuliert, die vom Märchenprinzen in sein Schloss geholt wird, dann war das natürlich Humbug. Diana entstammt als Lady Diana Spencer dem Adel, Kate dagegen einer Bergarbeiterfamilie, die sich in den Geldadel hochgeschuftet hat. Sicher bereiten auch die anderen europäischen Königshäuser den Weg für die Akzeptanz des Unkonventionellen, das Diana nie gestattet war. Geschiedene, Alleinerziehende, Partymädchen werden hier irgendwann einmal Königin werden.

Die Herzogin von Cambridge hat sich gut geschlagen im ersten Jahr. Sie hat sich entschieden, unter anderem Pfadfinder, Drogenabhängige und Kinderhospize zu unterstützen. In eben jenem Hospiz in Ipswich hielt sie vor sechs Wochen ihre erste öffentliche Rede. Sichtlich nervös, aber sehr herzlich lobte sie die Weihen des Teamworks, das Erfolge wie den des Hospizes erst möglich mache - und wohl auch ihren eigenen Erfolg.

Anders als Diana, die immer fremd im Palast blieb, scheint Kate integriert in die Geschicke des königlichen Haushalts zu sein. Die Queen nimmt sie an die Hand, nicht nur bei jenem Auftritt wie dem im März im Londoner Traditionskaufhaus Fortnum and Mason zusammen mit Camilla. Diana klagte häufig, dass ihr keiner das Leben bei Hofe näherbringe.

Vielleicht hat die Queen auch daraus gelernt. Vielleicht hatte eine 20-Jährige, so jung war Diana bei der Hochzeit, auch nicht das Selbstbewusstsein, derlei einzufordern. Kate war 29, als sie William geheiratet hat. In dem Alter standen Charles und Diana nach langen Jahren freudloser Ehe kurz vor der Trennung.

Bald aber wird die Schonzeit vorbei sein, die Gemächer der verstorbenen Prinzessin Margaret im Kensington Palast sind schon renoviert für das junge Paar, das die letzten Monate in der Abgeschiedenheit von Wales genießt. Vielleicht ist es auch nicht so schlecht, wenn sie fortan in London leben und sich öfter zusammen der Weltöffentlichkeit zeigen.

China zum Beispiel braucht dringend Nachhilfe. Der Porzellanhersteller Guandong Enterprises hat zum 1. Hochzeitstag in Containerstärke Liebesgrüße auf den Weg nach Großbritannien gebracht. Neben Kate grinst auf einer Tasse mit Goldrand ein Rotschopf, Prinz Harry. Darunter steht: So Special. In der Tat.

© SZ vom 24.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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