"Du bist die liebste Mama der Welt": Viele Jahre lang dürfen sich die meisten Mütter an solchen Liebesbezeugungen erfreuen - dann werden sie jäh vom Sockel gestoßen. Pubertät bedeutet Ablösung, und die kann Müttern ziemlich wehtun, vor allem wenn sie sich bisher mit ihrem Kind eng verbunden fühlten. Doch der schmerzhafte Prozess ist unausweichlich.
Mutter 1: "Ich verstehe das nicht. 'Ich hasse dich', hat meine Tochter mir letztens ins Gesicht gebrüllt. Woher kommt plötzlich diese Wut? Wir konnten doch immer so gut miteinander reden."
Mutter 2: "Meinen Sohn solltest du mal erleben. Früher hat er immer so viel erzählt, da stand sein Mund nicht still beim Mittagessen. Und jetzt? Grummelt vor sich hin und verschwindet so schnell wie möglich in seinem Zimmer. Ich komme überhaupt nicht mehr an ihn heran."
Vor allem Mütter fühlen sich regelrecht entthront, wenn ihre Kinder in die Pubertät kommen. "In seinen ersten Lebensjahren ist die Mutter für das Kind das ganze Universum", sagt die Psychotherapeutin und Autorin Claudia Haarmann. Die Nähe, die das Miteinander mit einem Baby oder Kleinkind zwangsläufig mit sich bringt, die bedingungslose Liebe, die Eltern für ihre Kinder - und umgekehrt - spüren, sorgen für eine enge Bindung. "Doch in der Pubertät stellen Kinder die Frage: Wer bin ich, was macht mich als Individuum aus?", erläutert Haarmann. Die Mutter wird vom Fixpunkt zum Widerpart. An die Stelle von Nähe tritt Abgrenzung.
Dass die Streitlust der Jugendlichen Mütter oft besonders heftig trifft, liegt schlicht und einfach an der Tatsache, dass sie oft die meiste Zeit mit den Kindern verbringen. "Die meisten Kinder haben mit ihren Müttern mehr zu tun als mit ihren Vätern. Das ist ein Grund, warum die Ablösung von ihnen anders, oft heftiger stattfindet", sagt Diplom-Psychologin und Erziehungsberaterin Elisabeth Raffauf.
Deshalb spüren Mütter auch besonders intensiv, dass Gleichaltrige für ihre Kinder immer wichtiger werden. Nicht die Mutter wird bei Problemen um Rat gefragt, sondern der beste Freund, die beste Freundin. In der jüngsten Shell-Jugendstudie bezeichneten 89 Prozent der Befragten es als außerordentlich wichtig, gute Freunde zu haben. Für die Jugendlichen stellt das aber keine Entwertung ihrer Familie dar: Mehr als 90 Prozent empfinden der Studie zufolge das Verhältnis zu ihren Eltern als gut. Nur ist die Bindung nicht mehr so ausschließlich wie in der Kindheit. Für die Jugendlichen bedeutet das in der Regel keinen Verlust, schließlich knüpfen sie stattdessen neue, enge Bindungen an Gleichaltrige. Die Eltern sind es, die oft das Gefühl haben, etwas zu verlieren.