Luft und Liebe:Die Rudel-Zicke

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Balztänze, Küsse, elektrische Schläge - wenn Frauen aufeinander treffen, ist alles drin. Hauptsache, alle halten sich an die Regeln.

Violetta Simon

Es kursieren die wildesten Fantasien darüber, was Frauen tun, wenn sie unter sich sind. Nun, sie veranstalten wilde Dessousparties, auf denen sie bis zur Besinnungslosigkeit Champagner trinken, ihre Brüste vergleichen und Nacktfotos schießen, die sie dann im Internet veröffentlichen.

Diesen Damen sollte man sich lieber nicht auf die damenhafte Art nähern. Sie gehören der Kaste der Pauschaltouristen an. Und die hat Spaß. (Foto: Foto: iStockphotos)

Nein, jetzt mal ehrlich: Sie kommunizieren miteinander. Während Männer ihre Zeit damit vertrödeln, Hahnenkämme anschwellen zu lassen, sich in die Rippen zu knuffen und dem Alphatier der Gruppe zu huldigen, findet unter Frauen Informationsaustausch statt - verbal und nonverbal.

Dabei kommt es weniger darauf an, WORÜBER Frauen sprechen. Was Männer am wenigsten begreifen, ist, auf welche Art und Weise sie es tun. Und warum sie sich stets zu ganz bestimmten Konstellationen zusammenrotten. Wenn Frauen ein Rudel bilden, hat man unmittelbar das Gefühl, ihre Molekularstruktur beginnt sich zu verändern. Es gibt nunmal kein Wesen, das so anpassungsfähig ist wie eine Frau. (An alle Männer: Bitte nicht verwechseln mit "anpassungswillig"). In welche Richtung, hängt ganz von der Zusammensetzung der Gruppe ab:

Die Arm-Reiberinnen Wenn Mütter aufeinander treffen, reiben sie sich zur Begrüßung erst einmal gegenseitig ausgiebig am Oberarm und reihen sinnfreie Worte aneinander wie: "Mensch! Na? Und du?" Dieses Ritual dient dazu, Zeit zu gewinnen und abzuklären, wie die Aktien stehen. Habe ich vorgestern nicht zurückzurufen? Habe ich vergessen, die Pumuckl-Tasse zu ersetzen, die mein Kind zerdeppert hat? Oder sonst irgendetwas falsch gemacht? Kurzer prüfender Blick - Nein? Gut. Dann kann es losgehen. Umarmung, gegenseitiges Schulterblattreiben. Ausgiebiges Loben anwesender Kinder. Bei Absenz der Kinder: ausgiebiges Loben der Kinderfotos. Dann ab in die Nichtraucherecke und eine Runde Bionade.

Business-Klasse unter Strom Anders läuft die Sache unter Kostüm-Trägerinnen der Business-Klasse. Diese Damen schätzen es gar nicht, wenn man sie an Armen und Schultern reibt. Ihre anthrazitgrauen YSL-Blazer geben dann kleine Stromstöße ab und lassen der elektrisierten Verursacherin die Haare zu Berge stehen. Dabei verlieren sie weder die Contenance noch ihr strahlendes Lächeln. Wenn das geklärt ist, bestellen sie sich ein stilles Wasser oder einen sündteuren Rotwein. Die Unterhaltung ist gepflegt, der Ton gedämpft. Keine Ausfälle, bis auf eine Macke: Ständig streicht sich eine von ihnen die Haare hinter ein Ohr, zwischendurch hinter beide Ohren, holt sie wieder hervor und beginnt von vorn. Männer finden: Das ist doch nicht normal, oder?

Küsse - mehr oder weniger echt Dann wären da noch die Freundinnen. Wie herzlich die Begrüßung ausfällt, hängt ganz davon ab, wie gut man sich kennt, wie gern man sich mag, ob man gerade sauer aufeinander ist oder den Lipgloss soeben erneuert hat. Im Idealfall setzt es schmatzende Küsse. In anderen Fällen behilft man sich mit der "als-ob"-Methode: Beide bewegen sich aufeinender zu und sehen dabei ins Leere. Sie spitzen die Lippen ziehen diese auf die von der Freundin abgewandten Seite. Die dadurch gestrafften Wangen werden aneinander gelegt und der Kuss durch das akustische Signal "MMMah!" ersetzt. Dann geht es los. Heftiges Gestikulieren, die Augen werden groß, die Brauen darüber spannen sich, der Mund öffnet sich überrascht. Die Lautstärke zoomt von gedämpft auf Schreiattacke, die Tonlage von Singsang auf schrill, das Lachen von Kichern auf Wiehern. Mit anderen Worten: Aus vernünftigen Menschen wird ein gackernder Hühnerhaufen. Immer wieder gern wird in dieser Konstellation zu fortgeschrittener Stunde der Balztanz oder das Karaoke-Singen zelebriert. Dabei kann jedes Huhn wunderbar demonstrieren, was es auf dem Kasten hat. Von A wie Anmache bis Z wie Zurschaustellen. Dieses Verhalten hat auf umstehende Frauen und Männer eine besonders provokante Wirkung - wenn auch in unterschiedlicher Art und Weise.

Was machen die denn hier?

Eines jedoch haben alle Frauen gemeinsam: In der Gruppe verhalten sie sich wie deutsche Touristen im Ausland. Trifft eine Frauenclique auf eine andere, wird sie abgescannt und eingeordnet. Natürlich vollkommen subjektiv und jenseits aller vernünftigen Kriterien. Obwohl - oder gerade weil - sie sich so ähnlich sind, bestehen sie darauf, anders zu sein. Peinlich sind immer nur die anderen. Gemäß dem Naturgesetz: Niemand kann sich über deutsche Touristen so ärgern wie ein deutscher Tourist.

Die Kolleginnen von der Unternehmensberatung im Kostüm wären in so einem Fall die Gäste eines Luxusressorts, die Müttergruppe am Nebentisch die Rucksacktouristen. Dazwischen tummeln sich ausgelassen die Freundinnen - nervende Pauschaltouristen. Persönlich betroffen fühlen muss sich hier niemand - schließlich kennt man sich nicht. Dennoch würde keine von ihnen zögern, einer aus der anderen "Reisegruppe" die lackierten Nägel einzeln auszureißen oder sie an ihren labberigen Strickpullis aufzuhängen. Natürlich nur im übertragenen Sinne. Und so unterhält sich das Luxusressort gepflegt, die Rucksack-Gruppe diskutiert emotional, während ihre Blicke wachsam auf den gackernden All-Inclusive-Hühnern ruhen.

Leider führen diese - vollkommen harmlosen - Feindseligkeiten sowohl beim eigenen wie auch beim anderen Geschlecht zu der Vermutung, Frauen würden nicht zusammenhalten. Dabei stimmt das gar nicht. Egal, ob Kostüm oder Strickpulli: Wenn es darauf ankommt, gehen wir sogar zusammen aufs Klo.

Was denn noch alles?

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe

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