Longboard-Surfen:Und vor den Zehen nichts als Meer

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Das Comeback des langen Bretts: Surfen kann wahnsinnig schick aussehen - wenn man es beherrscht. Wie die Surferinnen in Biarritz.

Thomas Becker

Der Druck war immens. "Aufs Brett? Das schafft jeder. Wirklich jeder." Sagt eine, die es schon vor Jahren geschafft hat. Es gibt aber auch andere Meinungen: "Das Aufstehen versucht man normalerweise erst am dritten Tag." Tja, wir haben aber nur eine Stunde. Und nur eine Lehrerin, die sich um ein Dutzend Anfänger kümmert.

So sieht Longboard-Surfen aus, wenn man es kann. (Foto: Foto: oh)

Ihre Kurzeinführung klingt sehr französisch, wird vom Donnern des Ozeans weitgehend fortgetragen und kulminiert in der Ansage: Brett unter den Arm und rein ins Vergnügen! Longboard-Surfen an der Côte des Basques vor Biarritz. An diesem Strand stand sozusagen die Wiege von Europas Surfern. In den Fünfzigern wagten sich hier die ersten nach kalifornischem Vorbild in die Brecher, auf drei Meter langen Surfbrettern.

Mit den Jahren wurden die Bretter schmaler, kürzer, leichter zu drehen - Shortboards boten ganz andere Möglichkeiten für den Tanz durch die Wellen; wild und ungestüm ging es darauf zu. Longboarden, der gemütliche Ritt auf dem Dickschiff, galt bald als Altherrensport.

Die ersten Lektionen lernt man wirklich schnell, auch ohne Anleitung. Nummer 1: Demut. Was von oben wie leichte Dünung aussieht, entpuppt sich beim Marsch gen Welle als gewaltiger Wasserberg. Nummer 2: das Brett nie mit der Querseite in die Welle schieben! Es kommt mit erhöhter Geschwindigkeit zurück. Nummer 3: Das Meer wird nicht müde - der Anfänger schon.

Nur ein paar Meter weiter, sozusagen auf Wellenlänge: der Roxy Jam, die Weltmeisterschaft der Longboarderinnen. 32 Frauen zwischen 15 und 31. Sie kommen aus Hawaii, Japan, Australien, La Réunion und - natürlich - Kalifornien. Von dort schwappte vor ein paar Jahren das Longboard als Retro-Trend wieder herüber, und gerade vor Biarritz haben besonders viele Surfer den Staub vom langen Brett gepustet.

Aus jedem zweiten Cabrio ragt eine Brettspitze heraus, fast alle Motorräder können Surfbretter transportieren und die Kids cruisen auf dem Skateboard zum Strand, das Longboard extracool unterm Arm. In diesem Ambiente findet die vierte Weltmeisterschaft statt.

Es gibt zwar keine Weltcup-Serie wie bei den Shortboardern, aber immerhin insgesamt 35.000 Euro Preisgeld - so viel bekommt bei den Profis auf dem kurzen Brett allein der Sieger. Etwa 20 Prozent aller Surfer stehen mittlerweile lieber auf dem langen Board. Und es werden mehr. Weil: Aufs Brett schafft es jeder. Jaja.

Die falschen Wellen

Man schafft es auch aufs Brett. Für sehr kurze Zeit zumindest. Und dummerweise nicht in dem Moment, wenn einen die Welle schiebt. Die kommt entweder zu schnell, zu langsam, zu gewaltig - jedenfalls nie richtig. Nebenan bei den Profis sieht das anders aus. Dank kräftiger Oberarme paddeln die jungen Frauen die Welle an, drücken sich mühelos aufs Brett hoch und beginnen ihre Kür.

Beim Longboarden kommt es nicht darauf an, möglichst scharfe Kurven ins Wasser zu schneiden. Gefragt sind Stil und Eleganz. Leichtfüßig trippeln die Surferinnen während des Ritts auf mannshohen Wellen nach vorn, zur Nase des Bretts. "Toes to the Nose" - wer nur noch den Ozean vor den Zehenspitzen hat, wird von den Punktrichtern mit der Höchstnote "Hang ten" belohnt.

Am Schönsten bekommt das Jennifer Smith hin. Die 23-Jährige aus San Diego, Kalifornien, holt zum zweiten Mal den WM-Titel und muss ihre härteste Prüfung bei der Siegerehrung bestehen: ein paar Worte an die Zuschauer richten. Frau Smith ist alles andere als ein Show-Girl, eher ein ruhiger, nachdenklicher Typ, der nur auf dem Wasser aus sich herausgeht.

Nicht nur Spaß

Überhaupt trifft das Girls-just-want-to-have-fun-Klischee nur bedingt zu. Die Surferinnen können zwar herrlich aufgedreht von bikinisprengenden Wellen und bunten Abenden mit der Ukulele erzählen, unterstützen aber auch eine Kampagne zur Brustkrebs-Aufklärung: lassen Gips-Abdrücke machen, die sie künstlerisch gestalten und deren Versteigerungserlös der Kampagne zukommt.

Zum WM-Finale gibt es noch eine "Expression Session", eine Art Schaulaufen. Die Mädchen surfen in Sommerkleidern, Peyo Lizarazu, einer der weltbesten Big-Wave-Surfer und Bruder des ehemaligen FC-Bayern-Stars, saust als Stand-up-Paddler durch die Wogen, und ein besonders kräftiger Brettartist lädt sich zum Tandem-Surfen eine Amazone auf die Schultern.

Die Anfänger sind da längst wieder an Land, platt wie die sprichwörtlichen Flundern, bedacht mit gönnerhaften Sprüche der Longboard-Cracks: "Hat dir keiner gesagt, dass du zu weit hinten stehst? Na ja, die Wellen waren heute auch ein bisschen zu hoch für dich." Genau: An den Wellen lag's, nur an den Wellen.

© SZ vom 20.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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