Kotenew und Murphy laden zum Empfang:Finale in der Russendisko

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Zum 65. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland schmeißen der russische und der amerikanische Botschafter ihre erste gemeinsame Party. Ganz vergessen ist der Kalte Krieg jedoch nicht.

Daniel Brössler

Vor der Treppe sind sie alle gleich, da müssen sie hoch. Der Prominentenanwalt Matthias Prinz mit Gattin Alexandra von Rehlingen ebenso wie Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nebst Ehefrau Stephanie. Wer in der russischen Botschaft zum Empfang geladen ist, der steigt auf und wird dort formvollendet in Empfang genommen von Hausherr Wladimir Kotenew und seiner Frau Maria.

Geht noch 'ne Runde? Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mit dem US-amerikanischen Botschafter Phil Murphy und dem russischen Botschafter Wladimir Kotenew. (Foto: Foto: dpa)

Die Wirkung der dreiläufigen Treppenanlage kann Philip Murphy an diesem Abend ebenso wenig entgehen wie die der Säulen, der Lüster, des Glanzes und des Goldes. Murphy ist Botschafter der USA, voriges Jahr eingetroffen und seitdem mit der Erwartung konfrontiert, ob er es denn aufnehmen kann mit dem Russen, den die Illustrierten feiern als "Herrscher über das diplomatische Parkett" in Berlin.

Folglich ist es nicht ohne Reiz, dass zusammen mit den Kotenews diesmal am oberen Ende der Treppe Philip und Tammy Murphy die Gäste begrüßen. Kurz vor dem 65. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland haben sich die Botschafter Russlands und der USA entschieden, zusammen eine Party zu schmeißen.

"So etwas hat dieses Haus noch nicht erlebt", sagt Kotenew. Zwar haben Russen und Amerikaner in Berlin schon gemeinsam gefeiert, aber das ist ein Weilchen her. Während der Frostzeit unter den Präsidenten Wladimir Putin und George W. Bush hat es sich nicht recht ergeben.

Wodkaseen und Kaviarberge

Die Idee zur gemeinsamen Einladung, so ist später beim Buffet zu hören, geht auf Kotenew zurück. Das überrascht nicht weiter. Der Absolvent der sowjetischen Diplomatenschule hat sich in sechs Jahren als Botschafter in Berlin als Meister der Inszenierung erwiesen. In wenigen Wochen kehrt Kotenew nach Moskau zurück, die Verbrüderung mit Murphy ist einer seiner letzten Coups.

Für den Abend hat er seinen Freund Andrej Hermlin und sein Swing Dance Orchestra engagiert, das amerikanische und sowjetische Arrangements aus den 30er und den 40er Jahren spielt, "Sing Sing Sing" etwa und "When Johnny Comes Marching Home". Die Musiker tragen weiße Westen und die Haare streng zurückgekämmt - alles zusammen fügt sich nicht schlecht in den stalinistischen Prunk des Konzertsaals. Erinnerungen werden wach an die amerikanisch-sowjetische Waffenbrüderschaft des Zweiten Weltkriegs. "Damals", formuliert es Kotenew, " waren wir auch zusammen."

Darum geht es ja schließlich. Amerikaner und Russen wollen auch in Berlin zeigen, dass sie wieder Freunde sind. Wenn so etwas bei beschwingter Musik, russischem Wodka und kalifornischem Chardonnay geschieht, nimmt es das Publikum dankbar an. Gesine Schwan ist gekommen, Friedrich Merz und auch Charity-Lady Ute Ohoven.

Ohnehin findet die Berliner Society, dass Murphy ihr ein größeres gesellschaftliches Ereignis schuldet. Und wenn er dabei Unterricht beim russischen Kollegen nimmt, umso besser. Ihn und vor allem seine Frau Maria hat die Fachpresse längst zum Star der hauptstädtischen Partyszene erkoren. "Sie ist die beliebteste und zugleich herzlichste Gastgeberin der Bundeshauptstadt", säuselte die Bunte. Beim deutsch-russischen Ball steht Prominenz aus Politik und Show alljährlich Unter den Linden Schlange. Die Wodkaseen und Kaviarberge sind bereits Legende.

Ganz vorbei ist der Kalte Krieg noch nicht

Im Sommer 2008 lernten die Deutschen Kotenew von einer anderen Seite kennen. Nach Beginn des Georgien-Krieges rief er deutsche Journalisten in seine Botschaft, sprach von "hinterlistigen Georgiern" und von "versuchtem Völkermord". Im Fernsehsender N24 wetterte er, wenn die Nato Georgien unterstütze, "dann muss man sich auch mit dem Gedanken anfreunden, dass eines Tages deutsche Soldaten wieder nach Russland ziehen". Die Party freilich ging weiter, der deutsch-russische Ball tanzte wie gehabt - wenngleich einige deutsche Politiker sich lieber erst einmal fernhielten.

Zwei Jahre danach kann die russisch-amerikanische Feier, beehrt immerhin vom Verteidigungsminister, als so etwas wie die endgültige Rehabilitierung verstanden werden. Es sei gut, sagt beim Wein ein langjähriger deutscher Spitzendiplomat, dass Murphy sich die gemeinsame Party nicht habe ausreden lassen. "Die Hälfte seiner Botschaft war bestimmt dagegen", mutmaßt er.

Ganz vorbei ist der Kalte Krieg jedenfalls nicht. Vor dem russischen Botschaftsgebäude wird im deutschen Verfassungsschutzbericht ausdrücklich gewarnt. Die russischen Geheimdienste seien "an den Auslandsvertretungen in Deutschland stark vertreten und im europäischen Vergleich überrepräsentiert", heißt es da.

Wenn Murphy, Multimillionär und einst erfolgreicher Spendensammler für Barack Obama, an diesem Abend Mut braucht, dann aber eher, weil der Mann neben ihm auf der Bühne so gut deutsch spricht, dass er sogar jüdische Witze erzählen kann. Murphy liest, immerhin mittlerweile ziemlich flüssig, vom Blatt. Er spricht dabei vom "Neustart" in den Beziehungen und davon, dass dieser Abend ein "weiterer Schritt" sei. Das sicher auch. Im Interview mit dem Lokalteil von Bild verrät Murphy aber, was er an Kotenew wirklich schätzt: "Er feiert die besten Partys der Stadt." Und darauf kommt es ja schließlich an.

© SZ vom 06.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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