Kolumne "Luft und Liebe":Schnarchen ist Männersache!

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Rempeln, pusten, pfeifen: Einen schlafenden Mann kann nichts wecken. Der Vorteil ist: Als Frau kann man wunderbar drauflos sägen, ohne einen Imageschaden zu erleiden.

Violetta Simon

Es passiert jede Nacht aufs Neue, in unzähligen Betten der Welt. Millionen von Frauen müssen es Nacht für Nacht über sich ergehen lassen und liegen deshalb wach: das ohrenbetäubende Sägen jenseits der Besucherritze. Es beginnt mit tiefem Atmen, geht über in ersticktes Röcheln und ergießt sich in schnarrenden, sägenden Grunzlauten.

Sie würde ja auch gern schnarchen. Wenn sie nur einschlafen könnte bei dem Lärm... (Foto: Foto: iStockphotos)

Rempeln, Pfeifen, ins Gesicht pusten - nichts kann einen Schnarcher bremsen, wenn er erst mal in Fahrt ist. Zunächst findet es so manche noch possierlich. "Rührend, wenn er so wehrlos und vertrauensselig daliegt", denkt sie sich. Und lächelt. Wie man über einen Pandabären lächelt, der einem gerade die Lieblingshandtasche anknabbert. Allmählich jedoch überträgt sich das Geknabbere auf ihr Nervenkostüm. Erste diffuse Hassgefühle entstehen. Bald kommen konkrete Mordphantasien hinzu.

Nach einiger Zeit überlegt sie, welche Gegenstände sie in seinen weit geöffneten Rachen stopfen könnte, um ihn zum Schweigen zu bringen. Vertreibt sich die schlaflose Zeit mit dem Erfinden sadistischer Foltermethoden.

Selbst Oropax bleibt wirklungslos, da allein die Vibration ausreicht, um sie in den Wahnsinn zu treiben. Nachdem sie ihn in Gedanken gevierteilt, gehäutet und gerädert hat, ist die schmale Besucherritze bereits zu einem stattlichen Andreasgraben mutiert.

Nur ohne ihn hat sie ihre Ruhe

Jeder weiß, dass Frauen besser allein schlafen. Selbst ein Nicht-Schnarcher stört sie bereits durch seine Anwesenheit: Jedesmal, wenn er sich herumwälzt, seine Decke neu ordnet, hustet oder mit den Zähnen knirscht, holt er sie an die Oberfläche ihrer Traumwelt. Und erst ein Schnarcher! Er stört nicht nur durch sein Sägen. Er kann eine Frau sogar wach halten, indem er es nicht tut. Gerade dann lauscht sie seinem Atem und fragt sich, ob er wohl jeden Moment aussetzen und der Erstickungstod eintreten könnte.

Männer hingegen bemerken die Aktivitäten ihrer Mitschläferinnen kaum. In Gesellschaft schlafen sie ungestört, ja sogar besser. Sie fühlen sich in ihrer Gegenwart rundum versorgt und beschützt. Kein Wunder, was bleibt einem übrig, als den Schlafenden die ganze Zeit anzustarren. Man kriegt ja kein Auge zu!

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Und dennoch: Die meisten Frauen verharren neben ihrem röhrenden Partner wie eine Löwin neben ihrem Jungen. Lieber schlagen sie sich die Nächte um die dröhnenden Ohren, als auszuziehen. Messungen haben ergeben, dass menschliches Schnarchen in manchen Fällen sogar die Lautstärke einer Bohrmaschine erreicht. Eher unwahrscheinlich, dass sich eine Frau freiwillig neben eine laufende Black&Decker legen würde. Aber den Schnarcher verlassen? Niemals!

Nicht mal Aufwecken kommt in Frage. Wenn sie ihn stupst, dann nur so leicht, dass er sich grummelnd zur Seite dreht, ohne sich der Störung bewusst zu werden.

Und warum? Weil Frauen es lieben, ihrem Partner zu zeigen, wie sehr sie wegen ihm leiden. Wenn sie am nächsten Morgen einen vorwurfsvollen, hundemüden Blick in sein ausgeschlafenes Gesicht schleudern können, fühlen sie sich schon viel besser. Wie einfach wäre es, in getrennten Zimmern zu schlafen. Aber nein! Lieber wälzt sie sich hin und her, rempelt, pustet und schimpft. Dafür entschädigt er sie für den Rest des Tages mit einem latent schlechten Gewissen.

Männer schnarchen offen und ehrlich

So durchtrieben wäre er nie. Was das Schnarchen betrifft, ist der Mann eine ehrliche Haut. Als Frau ist man in dieser Hinsicht sofort im Bilde, denn: Er sägt bei jeder Gelegenheit. Selbst beim ersten postkoitalen Nickerchen lässt er allen Argwohn fahren und hisst das Gaumensegel auf "volle Fahrt voraus". Da weiß man, was man hat.

Frauen sind da bei Weitem nicht so leicht zu durchschauen. Eine Frau schnarcht nie in der ersten Nacht. Auch nicht in der zweiten, fünften oder zehnten. Sie wird alles tun, um - wenn überhaupt - nach ihm einzuschlafen. Ob er sich eine Schnarcherin ins Bett geholt hat, kann ein Mann definitv erst dann herausfinden, wenn er sich durch das Beziehen einer gemeinsamen Wohnung jede Rückzugsmöglichkeit verbaut hat. Aber dazu müsste er ja wach bleiben.

Deshalb dürfen wir an dieser Stelle ohne Scheu klar stellen: Frauen schnarchen nicht.

Und nur weil Männer schlafen wie Tote, können wir das von uns behaupten, ohne rot zu werden. Auch wenn sich Frauen beklagen, dass Männer so schnell einschlafen. Seid froh! Das Ganze folgt einem großen, genialen Plan. Der heißt: Der Atem einer Frau ist unhörbar. Elfengleich.

Und so unsere Männer sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen, wird es auch dabei bleiben. Lassen wir sie also rüsseln. Und sich schlecht fühlen. Mögen wir uns auch unausgeschlafen fühlen. Aber wir sind Prinzessinnen. Und die wirken sowieso immer ein wenig blass um die Nase.

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe

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