Kolumne "Luft und Liebe":Hängt die Klotür wieder ein!

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Der intimste Bereich einer Wohnung ist nicht das Schlafzimmer - es ist das Bad. Wer einen Toilettenbesuch zu einem sozialen Event macht, überschreitet die Schwelle zwischen Vertrautheit und Respektlosigkeit.

Violetta Simon

Viele Menschen denken, Vertrauen sei dasselbe wie Vertrautheit. Und dass mit all den kleinen Geheimnissen auch das Geheimnisvolle weichen müsse. Doch dazwischen liegt ein bedeutender Schritt: Es ist durchaus ein Unterschied, zu wissen, ob der Partner regelmäßig seine Nasenhaare stutzt oder ob man ihm dabei zusieht.

Es ist keine falsche Scham, wenn man einfach mal in Ruhe auf die Toilette gehen möchte - ohne Zuschauer! (Foto: Foto: iStockphotos)

Wie vertraut zwei miteinander werden, hängt in erster Linie davon ab, wie viel Intimsphäre der Einzelne für sich beansprucht. Manche brauchen jede Menge Zeit und Raum für sich, andere würden am liebsten alles in Begleitung machen. In einer Beziehung gibt es da häufig Klärungsbedarf, denn gerade Mann und Frau haben verschiedene Vorstellungen von Intimität.

Beispiel Badezimmer: Der intimste Bereich, den eine Wohnung besitzt, ist für eine Frau nicht das Schlafzimmer, sondern das Bad. Die Tür zu diesem Raum verkörpert die letzte Instanz der Beziehungskiste, sie entscheidet: Mann und Frau oder Bruder und Schwester.

So gesehen repräsentiert die geschlossene Badezimmertür eine temporäre, aber deutliche Barriere zu ihrem Privatbereich. Für Männer stellt sie nicht mehr als eine imaginäre Linie dar, die man - je nach Dringlichkeit - mit oder ohne Klopfen überschreiten kann.

In den 70ern glaubte man, das Bedürfnis nach Intimsphäre wäre nichts als eine Erfindung des Spießbürgertums, eine künstlich erzeugte Mauer zwischen den Geschlechtern. Rainer Langhans schaffte in seiner Berliner Kommune nicht nur die Monogamie und das Privateigentum ab. Er hängte auch gleich noch die Klotür aus, die für ihn zum Inbegriff der Verklemmtheit geworden war.

Doch offenbar wollte der Traum vom Matratze-an-Matratze-Leben nicht recht funktionieren. Inzwischen haben sie die Klotür wieder eingehängt und jede Haremsdame lebt in ihrer eigenen Wohnung - mit eigenem Bad.

Toilettenbesuch als Kollektiv-Ereignis - mit Verlaub: Auf so eine Idee wäre eine Frau nie kommen.

Während die meisten Männer überall und immer pinkeln können, wollen Frauen dabei lieber allein sein - oder zumindest ohne männliche Begleitung. (Freundinnen sind von dieser Regel natürlich ausgeschlossen...)

Es kann schon mal vorkommen, dass er ohne Vorwarnung das Bad betritt, wortlos den Klodeckel hochklappt, und die Toilette ihrer Bestimmung zuführt, während sie sich die Zähne putzt. Für ihn ist das ein Zeichen seiner Zuneigung. Seine Botschaft lautet: Ich habe keine Geheimnisse vor Dir - jedenfalls keine, die meine Blasenschwäche betreffen.

Während er aber ganz vertraut vor sich hinplätschert, empfindet sie sein Verhalten als Respektlosigkeit. So würde sie sich nur verhalten, wenn er nicht im Raum wäre.

Hinter verschlossener Tür

Doch wollen wir gerecht sein: Auch manchen Frauen würde ein wenig Diskretion nicht schaden. Mag ja sein, dass eine Frau nur schwer etwas für sich behalten kann - selbst wenn es das Geheimnis ihrer Haarfarbe ist. Doch sollte sie dabei bedenken, dass es auch ein paar Dinge gibt, die sie getrost verschweigen darf.

Dazu gehört unter anderem die Tatsache, dass sie nicht von einem Planeten stammt, dessen Bewohner epiliert, manikürt und coloriert auf die Welt geworfen werden. Männer wissen das!

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie dabei zusehen möchten, wie sie mit Wachsstreifen an den Beinen und Alufolie auf dem Kopf durch die Wohnung läuft. Ein Mann will nicht zum Zeugen gemacht werden. Es genügt ihm vollkommen, sich über das Wunder der Verwandlung zu freuen.

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Deshalb sollte auch hier die magische Grenze eingehalten werden: Eine Badezimmertür kann man verriegeln. Wer sich nicht der Gesellschaft eines vertrauensseligen Gesellschafts-Pnklers aussetzen möchte, sollte diese Möglichkeit auch nutzen.

Nur weil man alles voneinander wissen darf, heißt das nicht, dass man alles voneinander wissen muss.

Langzeit-Campen im Nassbereich

Nun muss man fairerweise anmerken, dass manche Frauen ein Badezimmer nicht einfach nur nutzen. Sie campieren darin. Und da die meisten Wohnungen keine Gästetoilette vorzuweisen haben, wird es sich also nicht vermeiden lassen, dass der Mann dort zwischendurch mal Einlass begehrt.

Für solche Fälle gibt es den Vier-Stufen-Plan: 1. Das Anliegen rechtzeitig vorbringen, damit sie die Renovierungsarbeiten beenden kann. 2. Die Wartezeit kann er sich mit der Beantwortung der Frage vertreiben, wie es sein kann, dass Frauen so schrecklich aussehen, dass sie sich nicht zeigen wollen, nur, damit sie anschließend schöner aussehen, als sie eigentlich sind. Dauert es ein wenig länger, kann er sich der Frage widmen, warum Frauen stets zusammen aufs Klo gehen, während er von der Benutzung seiner eigenen Toilette ausgeschlossen ist. 3. Wird das Bedürfnis dringend bis quälend, versucht er es mit Charme. Statt gegen die verschlossene Tür zu trommeln, könnte er zum Beispiel sagen: "Ich wollte mal wieder Dein Gesicht sehen" (Vorausgesetzt, es ist nicht gerade hinter einer krustigen Schicht Tonerde vergraben). 4. Wenn alles nichts hilft, folgt die letzte Stufe: Erpressung. "Wenn Du jetzt nicht rauskommst, mach ich in den roten Topf Deiner Mutter!

Kommt als Antwort: "Spinnst Du? Nimm den alten blauen!", können Sie sich zumindest mit der Erkenntnis trösten, dass sie wild entschlossen ist, das letzte große Geheimnis ihrer Weiblichkeit zu wahren: Was zum Teufel tut sie da drin?

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe

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