Spanien:Zehntausende protestieren auf den Kanaren gegen Massentourismus

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Auf Teneriffa kamen viele Menschen zusammen, um gegen Touristenmassen zu demonstrieren. (Foto: Borja Suarez/REUTERS)

Hohe Mieten und Umweltzerstörung: Wegen der Folgen des Tourismus gehen Bewohner der Kanarischen Inseln auf die Straße. Sie fordern eine Obergrenze für die Zahl der Urlauber.

Zehntausende Menschen sind am Samstag auf den kanarischen Inseln auf die Straße gegangen. In Teneriffas Hauptstadt Santa Cruz protestierten sie ebenso wie auf Gran Canaria, Lanzarote und sogar der kleinen Insel El Hierro. Unter dem Motto "Die Kanaren haben eine Grenze" forderten insgesamt 57 000 Demonstranten Maßnahmen gegen den Massentourismus und dessen Folgen. Die Zahl der Touristen auf den spanischen Inseln im Atlantik solle eine Obergrenze bekommen, verlangten sie, ebenso wie eine Ökosteuer und bezahlbaren Wohnraum für Einheimische. Das berichteten der staatliche TV-Sender RTVE und die Zeitung El País.

Sätze wie "Der Tourismus erhöht meine Miete" und "Das Paradies wird nicht mit Beton gemacht" waren auf Transparenten zu lesen. Den Protestierenden ging es zudem um eine effektive Überwachung der Bestimmungen für die Vermietung von Urlauberunterkünften, eine Begrenzung beim Kauf von Immobilien durch Menschen ohne Wohnsitz auf den Inseln und die Einführung einer Umweltsteuer für Touristen. Konkret richtet sich die Empörung unter anderem gegen den Plan einer 1800-Betten-Anlage in der noch kaum bebauten Bucht von El Puertito im Südwesten Teneriffas.

Auf den acht bewohnten Inseln der Kanaren leben gut 2,2 Millionen Menschen. Fast siebenmal so viele ausländische Touristen besuchten im vergangenen Jahr die Inseln vor der Westküste Afrikas. Es ist das dritthäufigste Ziel der insgesamt 85 Millionen Menschen, die im vergangenen Jahr Spanien besuchten. Die Besucherinnen und Besucher kommen vor allem aus Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden. Die meisten der ausländischen Touristen zog es auf die größeren Inseln Teneriffa, Gran Canaria und Lanzarote. Hinzu kamen etwa gut zwei Millionen Festland-Spanier, die sich auf den Weg zu den canarias machten.

Für die Wirtschaft der Inseln ist der Tourismus unverzichtbar. Die Branche macht 22 Milliarden Euro Umsatz, was 35 Prozent der Wirtschaftsleistung des Archipels ausmacht, und sichert 40 Prozent der Arbeitsplätze. Doch davon profitieren bei Weitem nicht alle Inselbewohner. Unter den 17 Autonomen Gemeinschaften Spaniens, die den deutschen Bundesländern entsprechen, sind die Kanaren die zweitärmste. Jeder sechste Einwohner ist arbeitslos.

Aktivisten betonen, dass sie nicht grundsätzlich gegen den Tourismus seien, sondern gegen die schleichende Zerstörung der Inseln. Der Biologe und bekannte Dokumentarfilmer Felipe Ravina meinte kürzlich: "Seit Jahren werben wir für uns als weltweit einzigartiges Naturreiseziel, aber der Tourismus zerstört das Produkt, das wir verkaufen."

Damit entzündet sich auf den Kanaren eine Debatte, die längst auch andere Touristenzentren Spaniens erfasst hat. Die Balearen und Städte wie Barcelona, Santiago de Compostela sowie San Sebastian kämpfen seit Längerem mit dem Dilemma, dass Tourismus zwar eine wertvolle Einnahmequelle ist, den Einheimischen aber auch Lebensraum nimmt. Wohnungspreise steigen, das Angebot wird knapper. Wo Touristen in Massen auftauchen, entstehen zudem Kriminalität, Lärm und Müll. Solche "Nebenkosten" gehen dann zulasten des Staates, während Hotels und Restaurants sich über den Umsatz freuen.

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