Selbstschnürende Sneaker. Saugroboter, Siri, Regenradar und Onlinebanking - was haben diese Zurück-in-die-Zukunft-Filme aus den 80er-Jahren nicht alles vorhergesagt. Ein paar ihrer Prophezeiungen vermissen wir noch - Hundeleinen, die das Tier allein Gassi führen etwa und Hydrator-Pizzen, endlich gute, nein, wirklich perfekte Pepsi, den Fluxkompensator. Aber ausgerechnet dieses eine Ding, auf das alle, die mit "Zurück in die Zukunft" groß geworden sind, sehnsüchtig gewartet haben, wurde von der Gegenwart gnadenlos verhunzt: das Hoverboard.
Was für ein Wahnsinn es hätte sein können, dieses schwebende Skateboard ohne Rollen. Eine Mischung aus Surfen und dem Traum vom Fliegen: erhaben, geräuschlos, revolutionär. Einmal rauf aufs Board, für immer Superman, ganz ohne das alberne Kostüm, Threesixty-Lebensgefühl.
Stattdessen drängte 2015 - also in dem Jahr, in dem Marty McFly damals im zweiten Film den Besuch abgestattet hatte - etwas als Hoverboard auf den Markt, das eher wie ein halbiertes Möbelrollbrett aussieht: rechts und links ein Rad, in der Mitte ein Plastikbrett mit Trittflächen, dazu zwei Motoren. Die Kinder scheinen damit wirklich über den Boden zu schweben, den Oberkörper leicht nach vorn gelehnt - bisschen wie Hui Buh, das Schlossgespenst. Gesteuert wird das Board durch Gewichtsverlagerung. Das braucht etwas Übung.
Aber nach einem halben Tag auf dem Gerät gibt es absolut nichts mehr zu lernen. Keine Tricks, kein Grinden, kein Sliden, kein Ollie. Schon eine abgeschrägte Bordsteinkante kann für das Hoverboard zum unüberwindbaren Hindernis werden. Eher was für Parkettsurfer, und motorisch wirkt so ein heranrollendes, aufrecht stehendes Kind auch mehr wie eine unverkleidete Attrappe in der Geisterbahn als wie ein flinker Jungspund.
Manchmal sieht man Fahrer, die sich unnatürlich weit nach vorn legen: Geht das eigentlich auch schneller? Nein, geht es nicht. Viele Hoverboards sind aus Sicherheitsgründen auf 10 km/h gedrosselt: gerade mal so schnell wie ein Wochenendjogger.
Als Erfinder gilt der US-Amerikaner Shane Chen, der damit allerdings nie Geld verdient hat. Sein 1000 US-Dollar teures "Hovertrax" wurde sofort billig kopiert. Inzwischen soll es in China rund 1000 verschiedene Produktionsstätten geben. Und diese haben auch das Design im Griff: Die Boards blinken wild in allen Farben, müssen ständig geladen werden, Daten lassen sich über eine eigene, meist lausig programmierte App mit dem Smartphone abrufen: Wie schnell war ich? Wo ist mein Gerät? Vor allem aber: Wie lang hält der Akku noch? Manche Boards haben sogar Boxen eingebaut: Ghettoblaster für untenrum.
Ist das Hoverboard nun die zeitgemäße Neuerfindung des Rads? Quatsch. Es ist ein Segway ohne Griff, ein Rollator für Kinder. Nach Flaschenöffnern, die rülpsen, Partybrillen, deren Rahmen leuchten, Schnürsenkeln mit Blink-LEDs ein weiteres Beispiel für die unnötige Batteriefizierung unseres Alltags: Jetzt brauchen Jugendliche also schon zum Vorwärtskommen elektrischen Antrieb.
Doch anders als bei Marty McFly, der in der Zukunft von damals über die Straßen von Hill Valley jagte, um seinen Verfolgern zu entkommen, geht es beim Hoverboard der Gegenwart von 2019 gar nicht so sehr um Fortbewegung. Man sieht selten ein Kind damit noch kurz vor Ladenschluss Richtung Supermarkt fetzen oder die Geige geschultert - sorry spät dran - sssss.
To hover, das bedeutet eben nicht zu fliegen. Sondern zu schweben, zu kreisen. Auf den Boden übertragen heißt das: herumlungern. Und genau dafür nutzen die Kinder ihre Elektrobretter dann auch. Sie bleiben damit in der Nähe ihrer Freunde, ziehen Schleifen, hängen ab: in Bewegung, huibuhhaft, um sich selbst kreisend - und immer einen halben Reifen größer, als sie eigentlich sind. Auf das richtige Hoverboard müssen wir noch warten.