Homosexualität in Hongkong:Hauptsache, es ist ein Mann

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50 Millionen Euro bietet ein reicher Playboy aus Honkong dem Mann, der das Herz seiner Tochter gewinnt. Doch die hat angeblich schon geheiratet - eine Frau.

Kai Strittmatter, Peking

Als Tochter reicher Eltern habe man im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, sagte Gigi Chao einmal: Die einen nähmen ihr Schicksal an, ließen sich ins gemachte Bett fallen und verkümmerten zu verzogenen Primadonnen. Die anderen laufen davon. Sie ließ keinen Zweifel daran, welcher Weg der ihre war: "Ungehorsam bringt einen weiter. Ihr könnt mich eine Rebellin nennen, aber ich probiere gerne verschiedene Dinge auf eigenes Risiko aus. So wächst man als Mensch."

"Manchmal weigern sich die Menschen halt, das zu akzeptieren, was man ihnen mitteilt" - Gigi Chao (rechts) mit ihrer Partnerin.   (Foto: AP)

Fünf Jahre ist das her. Heute ist Gigi Chao 33 Jahre alt. Sie leitet ihre eigene Firma, eine PR-Agentur in ihrer Heimatstadt Hongkong. Sie hat eine Freundin. Sie hat, so stand das letzte Woche in den Zeitungen, diese Freundin vor ein paar Monaten geheiratet. In Paris.

Oder zumindest, so formuliert es die South China Morning Post, habe man erfahren, "dass die beiden in einer Kirche den Mittelgang entlangschritten." Ein lesbisches Paar also, das sich zu seiner Liebe bekennt. In Paris nichts Ungewöhnliches mehr. In Hongkong schon.

Gigi Chao hat auch einen Vater. Cecil heißt er, Cecil Chao Sze-tsung. Eigentlich schienen sich die beiden immer gut zu verstehen. Gigi hat in Manchester studiert, sie ist ausgebildete Architektin, wie ihr Vater. Sie ist Hubschrauberpilotin, wie ihr Vater. Ihre Mutter, vertraute sie einmal einer Interviewerin an, habe sie oft verprügelt. Ihr Vater nie. "Ich sehe in ihm mehr einen Freund als einen Vater."

Cecil Chao, Gigis Vater, ist 76 - und posiert mit Bikini-Schönheiten

Wenn die beiden etwas unterscheidet, dann die Tatsache, dass Gigi Chao nie das Licht der Öffentlichkeit so gesucht hat wie ihr Vater. "Er liebt die Aufmerksamkeit", sagte sie diese Woche zu seiner Entschuldigung, das war schon das Äußerste an Kritik, was ihr über die Lippen kam.

Cecil Chao ist einer der reichsten Männer Hongkongs. Sein Vermögen hat er mit Immobilien gemacht. Seinen Ruf hat er sich mit Frauen erarbeitet. Mit vielen Frauen. Mit 10.000 habe er geschlafen, behauptete Cecil Chao vor ein paar Jahren. Eine davon war Gigis Mutter, eine andere war Terri Holladay, die er am Ende weiterreichte an David Copperfield, der mit dem amerikanisch-vietnamesischen Fotomodel die ihm eben abhanden gekommene Claudia Schiffer ersetzte.

Cecil Chao ist mittlerweile 76, aber wenn es die Konkurrenz verlangt - er ist nicht der einzige Playboy-Tycoon in Hongkong -, dann erscheint er noch immer zum Fotoshooting mit Bikini-Schönheiten für die lokale Klatschpresse. Verheiratet war Chao nie.

Cecil Chao hat heute drei Kinder von drei Frauen. Seine Tochter Gigi, sagt er, liebe er sehr. So sehr, dass er diese Woche vor die Presse trat und 500 Millionen Hongkong-Dollar auslobte für den Mann, der seine Tochter einmal heiraten werde, umgerechnet knapp 50 Millionen Euro. Ein guter Mann solle es sein, großzügig und talentiert. "Mir ist es egal, ob er reich oder arm ist." Hauptsache, es ist ein Mann.

Aber hatte die Stadt nicht eben erfahren, dass Tochter Gigi und ihre Freundin Sean Eav einander versprochen hatten? "Falsche Berichte", meinte Cecil Chao knapp. Die Tochter sagt der South China Morning Post, sie wolle die Hochzeit öffentlich weder bestätigen noch verneinen. "Ich habe keine Angst. Aber ich respektiere meine Eltern."

Dann fügte sie, mit Blick auf ihren Vater hinzu, sie finde seine Bräutigamsjagd "unterhaltsam". Und: "Manchmal weigern sich die Menschen halt, das zu akzeptieren, was man ihnen mitteilt."

Das brave Hongkong bewegt sich.

Im Übrigen sei Hongkong, was die Akzeptanz homosexueller Partnerschaften angehe, leider noch konservativer als die USA - und als China. Das stimmt. In China sind die sexuellen Tabus in den letzten Jahren so schnell gefallen wie alle anderen alten Gewissheiten auch.

Aber auch das brave Hongkong bewegt sich. In diesem Jahr bekannte sich Popsänger Anthony Wong zu seiner Homosexualität, und seit der Parlamentswahl vom letzten Monat hat die Stadt zum ersten Mal einen bekennenden schwulen Parlamentarier. Popsänger Anthony Wong gratulierte Gigi Chao zu ihrer Hochzeit, er nannte die Entscheidung dazu "mutig". Er sagte: "Das hilft all denen, die sich noch verstecken, die Angst haben."

Am Freitag verkündete Vater Cecil Chao, er habe schon 100 Bewerbungen erhalten: Briefe, Faxe, E-Mails. Gelesen habe er sie noch nicht, aber die Fotos hat er offenbar angeschaut: Es seien attraktive Männer dabei, und einige beteuerten, es ginge ihnen gar nicht ums Geld. "Sie wollen einfach nur meine Tochter kennenlernen."

Gigi Chao selbst berichtet derweil von 1500 neuen Freundschaftsanfragen auf Facebook, Twitter und Google Plus. Sie bete für einen Stromausfall, um ihre Ruhe zurückzubekommen. Vater Cecil Chao sagte schließlich auch seinen ersten klugen Satz in dieser Woche: "Ich muss das erst mal mit Gigi besprechen."

© SZ vom 29.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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