Heimat der Middletons:Das Märchen von Anti-Cinderella

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Wer Kate Middleton verstehen will, muss aufs Land fahren. In der Grafschaft Berkshire tragen die Menschen Designer-Gummistiefel und statt Traktoren brausen Luxus-Cabrios durch die englische Idylle. Ein Besuch in der Heimat der künftigen Königin.

Wolfgang Koydl, London

Hash ist so hektisch wie noch nie in seinem Leben, und manchmal weiß er gar nicht, was er zuerst tun soll. Neue Waren müssen geordert werden und Lieferungen einsortiert. Dann hat er noch keine Vertretung für den großen Tag, an dem er den Laden ja nicht einfach schließen kann, auch wenn das halbe Land frei hat.

Die Schwiegermutter in spe, Carole Middleton (neben ihrem Mann Michael), soll ein Foto von Prinz William als Screensaver auf ihrem Handy haben. (Foto: AFP)

Der Leihfrack samt Fliege und Weste will endlich abgeholt werden, und nun ist auch noch Ehefrau Chan nach Indien geflogen, um sich einen festlichen Sari zu kaufen. Für so einen Anlass, hat sie gesagt, ist das Beste gerade gut genug, und die besten Saris gibt es eben nicht in England zu kaufen.

Der gefragteste Gemischtwarenhändler der Insel

Der Anlass, der die Eheleute derart beschäftigt, ist die Hochzeit von Prinz William mit der Bürgerlichen Catherine Middleton, und Hash und Chan Shingadia aus Indien wäre es in den kühnsten Träumen nie eingefallen, dass sie einmal eine auf gestärktem Bütten gedruckte Einladungskarte erhalten würden, mit der Lord Chamberlain sie im Auftrag der Queen in den Buckingham-Palast bittet.

Aber Hash hätte auch nie geglaubt, dass er einmal zum gefragtesten Gemischtwarenhändler Großbritanniens avancieren würde. Es gab Zeiten, da konnten seine Kunden ihre Autos nicht mehr parken, weil alle Plätze von Übertragungswagen in- und ausländischer Fernsehsender belegt waren.

Am Sortiment seines Spar-Ladens im pittoresken Dörfchen Upper Bucklebury in der wohlhabenden Grafschaft Berkshire kann Hashs Prominenz nicht liegen: Er verkauft Toast und Eier, Konserven und Zeitungen, Süßigkeiten, Bier und Milch. Wer will, der kann auch einen Brief aufgeben oder sein Glück bei der Lotterie Euromillions versuchen. Der Laden unterscheidet sich nicht von Tausenden anderen zwischen Cornwall und den Highlands.

Was Hash indes auszeichnet und seinem Geschäft den nur teilweise spöttisch gemeinten Spitznamen eines Royal Spar eingetragen hat, ist die Kundschaft, und zu der gehören seit einiger Zeit auch der künftige König von Großbritannien und seine zukünftige Königin. Denn in Chapel Row, dem nächsten Weiler ein paar Kilometer die Straße entlang, leben Michael und Carole Middleton, die nun über ihre Tochter Kate in die königliche Familie einheiraten. Und wenn Prinz William seine Braut bei ihren Eltern besucht, dann führt kein Weg an Hashs Tante-Emma-Laden vorbei, etwa wenn ihn ein prinzlicher Heißhunger überfällt - nach einer Vienetta Mint-Eiscreme zum Beispiel. Denn der nächste Supermarkt ist in Reading, mehr als eine halbe Autostunde entfernt.

Von der Eiscreme hat Hash einen Sondervorrat angelegt, weil Seine Königliche Hoheit eine besondere Schwäche dafür haben soll. Diese wertvolle Neuigkeit hat Hash zumindest der Weltpresse anvertraut, als er mit den Reportern noch sprach. Inzwischen gehen ihm die lästigen Fragesteller auf die Nerven, die immer nur das Gleiche wissen wollen und ihn von der Arbeit abhalten. Daher verstummt sein Redefluss schlagartig, sobald er einen Journalisten vor sich zu erkennen glaubt.

Nicht viel anders verhalten sich die meisten anderen Bewohner, die im Dörfer-Viereck Bucklebury, Upper Buck-lebury, Stanford Dingley und Bradfield Southend im wohlhabenden Stockbroker-Gürtel westlich von London leben. Die Felder, Wäldchen und Wiesen mögen zwar lieblich englisch und saftig grün sein; doch wenn von den Middletons die Rede ist, senkt sich das Schweigegesetz karger sizilianischer Bergdörfer herab.

"Wir im Dorf schirmen die Middletons ganz gut ab, da gibt es eine Art guter Kameraderie", sagt Lynda Tillotson, die in Chapel Row ein Geschäft für Luxusgardinen und andere teure Einrichtungsgegenstände betreibt. Neben dem gemütlichen Bladebone Pub und der bodenständigen Metzgerei wirkt der Schickimicki-Laden wie ein Fremdkörper aus London-Chelsea oder Mayfair. Mit den beiden Läden ist allerdings auch schon die gesamte Geschäftswelt des Ortes aufgezählt. "Mehr gibt's nicht", meint Lynda und zuckt mit den Schultern. Dann deutet sie vage mit dem Kopf über die linke Schulter. "Und dann haben wir halt noch Michael und Carole und die Kinder. Nette Leute, die Middletons, ganz normal. Sie kaufen drüben beim Metzger ein und trinken ihr Bier wie alle in der Kneipe."

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in Bildern.

Wenn man Catherine Middleton verstehen will, die sich den wohl begehrtesten Junggesellen Europas geangelt hat und einmal Königin Britanniens sein wird, muss man hierher kommen nach Chapel Row, wo sie ihre Kindheit und Jugend verbracht hat. Ein Aschenputtel-Dasein war es ganz sicher nicht, das sie in dem mit Glyzinen bewachsenen Siebenzimmerhaus ihrer Eltern erlebte, und in dem ihr Zimmer angeblich noch immer so aussieht wie zu ihren Teenager-Zeiten. Nein, für eine Cinderella-Geschichte ging es Catherine Middleton einfach von Beginn an immer ein wenig zu gut.

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Falls es überhaupt Armut gibt in dieser Grafschaft, die den stolzen Ehrentitel einer Royal County führt, dann wird sie gut versteckt. Wer hier lebt, hat entweder altes Geld geerbt oder neues verdient in jenen verrückten Boomzeiten seit Mitte der Neunziger. Die Middletons haben von beidem: Väterlicherseits waren es über Generationen betuchte Industrielle und Anwälte, mütterlicherseits Bergleute und Handwerker mit Durchsetzungskraft, Mutterwitz und Unternehmergeist.

Gummistiefel aus der Designer-Manufaktur

Deshalb können es sich die bürgerlichen Schwiegereltern auch leisten, 100.000 Pfund zur königlichen Hochzeit zuzuschießen. Buckingham Palace hat den Beitrag nicht nur gnädig akzeptiert. Mittlerweile hat sich die Queen sogar dazu herabgelassen, die Eltern der künftigen Frau ihres Enkels zum Lunch in den Palast von Windsor einzuladen. Es sei entspannt und informell zugegangen, ließ ein Höfling später verlauten: "Es wurde viel gelacht."

Windsor Palace liegt nicht weit entfernt von Chapel Row, was die Queen und die Middletons gleichsam zu Nachbarn in derselben Grafschaft macht. Ruhig und gesittet geht es hier zu, mit geduckten Kirchen, bräsigen Wirtshäusern, schmucken Reitern sowie akkurat gestutzten Hecken und mächtigen Alleen, unter denen schon die erste Königin Elisabeth vor 500 Jahren dahinschritt.

Anders als in Deutschland, wo man mit dem Begriff Landleben eher Güllefahrer und Gummistiefel assoziiert, stand in England das Leben auf dem Lande schon immer in erster Linie für Gutsherren - und ebenfalls für Gummistiefel, doch mit dem feinen Unterschied, dass Letztere tunlichst aus französischer Designer-Manufaktur stammen und mehrere hundert Pfund kosten sollten.

Landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge tuckern indes eher selten durch die engen Sträßchen. Stattdessen flitzen Cabrios deutscher Edelmarken herum, in denen sogenannte Yummie Mummies - adrette und modische Damen jenseits eines gewissen Alters - den Nachwuchs zur Reitstunde, zum Yoga oder in die Klavierstunde chauffieren.

So eine appetitlich-attraktive Mutter war auch Carole Middleton, und noch heute genießt sie es, wenn sie - etwa beim gemeinsamen Shopping-Bummel mit dem Nachwuchs am Londoner Sloane Square - mit Kates Schwester verwechselt wird, zumindest von hinten. Auch William, so will ein ungenannter Freund wissen, sei ganz begeistert von der "geistig so jungen und spaßigen" Schwiegermutter. Die revanchiert sich auf ihre Weise: Den Screensaver auf Carole Middletons Handy ziert ein Foto des Prinzen. Welches Foto die Brautmutter heruntergeladen hat, ist allerdings ein Geheimnis.

Die 56 Jahre alte Ex-Flugbegleiterin war nicht nur die treibende Kraft hinter "Party Pieces", ihrem erfolgreichen Online-Geschäft, das Partybedarf für Kindergeburtstage verhökert, sondern auch für den steilen gesellschaftlichen Aufstieg ihrer Töchter Catherine und der um ein Jahr jüngeren Phillipa ("Pippa").

Ex-Boyfriends und neidische Mitschülerinnen verpassten den beiden früh den Spitznamen "Wisteria Sisters": Wie die auch Blauregen oder Wisterien genannten Glyzinen am Elternhaus, so soll das heißen, seien auch die Schwestern "dekorativ, duftend und beim Hochklettern nicht zu bremsen", so sagen böse Zungen.

Carole war es, die darauf bestand, dass Catherine sich nicht an der Universität Edinburgh einschrieb wie ihre Geschwister Pippa und James, sondern am etwas exklusiveren College von St. Andrews. Dort studierte nämlich, was für ein Zufall, Prinz William.

"Alles, was Michael und Carole für ihre Kinder wollten, war, dass sie Erfolg haben und glücklich heiraten würden - vorzugsweise in eine wohlhabende Familie", vertraute ein Freund der Familie dem amerikanischen Magazin Vanity Fair an. "Doch noch nicht einmal in ihren wildesten Träumen hätten sie sich vorstellen können, dass eine von ihnen in die königliche Familie einheiraten würde." Nun ja. Ob beabsichtigt oder unfreiwillig - es hat ja nun geklappt mit der besseren Familie.

Und auch Pippa scheint nach oben zu streben. Mit den Jungs von nebenan gab sie sich noch nie ab; zu ihren Boyfriends zählten schottische Adelige, Diamanten-Erben, Unternehmer und Spitzensportler. Gleichwohl missgönnen die Mitbewohner in Chapel Row und Bucklebury den Middletons den steilen Aufstieg nicht - das jedenfalls behaupten sie stets im Gespräch mit Fremden. Und für den Hochzeitstag haben sie eine Fete geplant, wie sie die Gegend noch nie gesehen hat.

Ein Lied vom früheren Klavierlehrer

Wynne Frankum, die Vorsitzende des Gemeinderates, berief schon im Januar erste wöchentliche - und generalstabsmäßige - Planungssitzungen ein. Das Bladebone Pub beginnt den Festtag früh um acht mit einem "Wedding Day Breakfast", und falls Gäste der auf den Monsterbildschirm übertragenen Fernsehbilder aus der Westminster Abbey überdrüssig werden sollten, gibt es Volkstänze und Entenrennen.

Claire Shepherd, von deren begnadeten Bäckerinnenhänden die ganze Umgebung schwärmt, wird eine knapp einen Meter hohe Torte für 120 Personen backen: "Ein Traum in Silber", verspricht sie, "mit einem von innen beleuchteten Schloss an der Spitze." Kates früherer Klavierlehrer Daniel Nicholls wiederum - gleichsam der Elton John von Bucklebury - hat ein Lied für die Braut komponiert.

Im Pub Old Boot Inn in Stanford Dingley, wo Kate und Will früher mal gern auf ein Pint einkehrten, beginnt das wirkliche Fest erst am Abend: Livemusik, Disco und ein Wettbewerb, bei dem das beste Prinzen- und Prinzessinnen-Kostüm ermittelt werden sollen. Zuerst gibt Wirt John Haley noch ein Interview. Nein, nicht dem Lokalblatt, sondern der aus Kalifornien eingeflogenen Oprah Winfrey.

Im Garten wird dann, ganz nach Art eines mittelalterlichen Gelages, ein Schwein an den Spieß gesteckt. Gestiftet hat es, wie die Lokalzeitung schrieb, "Buckleburys andere berühmte Kate - Kate Munro Ashman, die möglicherweise glamouröseste Schweinezüchterin des ganzen Landes".

Die andere berühmte Kate wird es wohl verkraften, wenn sie hier nicht mithalten kann.

© SZ vom 26.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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