La Boum:Die Preußin

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(Foto: Steffen Mackert)

Unsere Kolumnistin bleibt im August in Paris. Die Nachbarin ist schockiert, selbst die Pferde verlassen die Stadt.

Von Nadia Pantel

Und, fragte meine Nachbarin vor ein paar Tagen, wie lange seid ihr noch da? Weil es zu den Pariser Selbstverständlichkeiten gehört, dass alle, die irgendwie können, die Stadt zwischen dem 14. Juli und dem 14. August verlassen. Je nachdem, wie tief man in der Bourgeoisie verankert ist, fährt man dann in die Zweitresidenz nach Südfrankreich oder direkt nach Korsika. Es gibt auch diejenigen Pariser, die einem erklären, wie fantastisch die Stadt im August sei, weil dann endlich mal alle anderen Pariser weg sind. Aber ich glaube, man muss schon länger in Paris leben, um diese Abscheu vor den anderen Stadtbewohnern so richtig verinnerlicht zu haben.

Außerdem hat sich dieser "Oh, leer hier"-Effekt seit der Pandemie stark abgenutzt. Ich stand vergangenen Oktober allein vor der Mona Lisa, im April 2020 hätte ich theoretisch allein auf den Champs-Élysées Rollschuh laufen können, wären die Champs-Élysées innerhalb des Ein-Kilometer-Radius gewesen, in dem ich mich um meine Wohnung herum bewegen durfte. Viel aufregender fand ich, als ich vergangenes Wochenende mit fünf Leuten, die ich alle vorher noch nie gesehen hatte, zusammen an einem Tisch saß und Karten spielte. Menschen! Nähe! Die großen Comebacks des Prä-Delta-Frühsommers.

Als ich meiner Nachbarin sagte, ich würde wohl bis Mitte August in Paris sein, war sie ein bisschen schockiert. Im August in Paris arbeiten - sie hatte mich weniger preußisch eingeschätzt. Ich mich eigentlich auch, aber der Blick auf meinen Alltag zeigt mir, dass ich gar kein Freigeist bin, der gut gelaunt in den Tag hinein pichelt, sondern jemand, der zu festgelegten Tageszeiten vorm Computer sitzt. Was natürlich auch die armen Pariser tun, nur müssen sie zusätzlich alle gleichzeitig im August ans Meer fahren. Okay, nicht alle, aber immerhin so viele, dass die Polizeipferde für den Sommer von Paris an die Côte d'Azur ziehen, da ist dann einfach mehr zu tun. Und für die Pferde ist es auch ganz nett.

Die Wirtin schüttete Eimer Wasser in die Gasse

Vor ein paar Tagen habe ich für die Pferde schon einmal das Terrain im Süden ausgekundschaftet. Es war eine Dienstreise, aber zum Glück wurde ich von einer Kollegin begleitet, die dafür sorgte, dass am Ende des Tages gebadet wurde. Den Pferden kann ich mitteilen: Da warten irre viele Kollegen auf euch. Ponyreiten hier, Westernreiten da. Dazwischen ein paar Esel, deren Job vor allen Dingen darin besteht, sehr gut auszusehen.

Obwohl im Süden noch kaum Touristen herumschlurften, war unsere Hotelwirtin schon in Hochsaison-Stimmung. In der Nacht konnte ich nicht einschlafen, weil ständig Wasser von außen an die Hauswand plätscherte. Wer kann so viel Bier trinken, fragte ich mich? Beim Frühstück stellte sich dann heraus, dass die Wirtin geplätschert hatte. Sobald sie fand, dass jemand zu laut vor ihrem Fenster redete, schüttete sie einen Eimer Wasser in die Gasse. Man muss also anscheinend gar nicht in Paris leben, um mit einer gewissen Grundanspannung auf die Anwesenheit anderer Menschen zu reagieren.

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Paris-Kolumne
:La Boum

Nadia Pantel ist SZ-Korrespondentin in Frankreich. Über ihr Leben in Paris schreibt sie jeden Freitag die Kolumne "La Boum". Hier gibt es alle bisher erschienenen Folgen zum Nachlesen.

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