Fehler in Schulbüchern:Sechs, setzen!

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Ein Achklässler liest in einem Schulbuch (Foto: dpa)

Udo Jürgens lebt noch? Der Berliner Flughafen ist fertig? Und wie war das noch mal mit der japanischen Atombombe über den USA? Immer wieder erscheinen Schulbücher mit haarsträubenden Fehlern. Ein Rüffel in fünf Kapiteln.

Von Larissa Holzki

Österreichische Medien schreiben von "Schulbuch-Gate", und es ist ja auch wirklich ein Skandal: In dem Buch "Schatzkiste - Sachunterricht Kärnten" für die Volksschule, herausgegeben von der Westermann-Gruppe, ist es zu einer Seen-Verwechslung gekommen.

"Der abgebildete See ist dem Anschein nach nicht der Wörthersee, wie es im Buch erklärt wird", empörte sich dieser Tage der Lokalpolitiker Gerhard Köfer im ORF. Außerdem sei das Glantal auf einer geografischen Abbildung völlig ignoriert worden. Und weiter: Der Mundartdichter Wilhelm Rudnigger heiße in dem Buch "Willhelm Hrudnigger", Udo Jürgens sei darin noch am Leben. Fazit: "Das Buch muss umgehend aus den Schulen verschwinden."

Das Bildungsministerium hat inzwischen reagiert und einen Austausch angekündigt. Der Verlag soll eine überarbeitete Version vorlegen. Wie es dazu kommen konnte, ist noch nicht abschließend geklärt. Vor der Westermann-Gruppe sind solche Fehler allerdings schon anderen passiert. Ein Verzeichnis der schönsten Schulbuch-Pannen.

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Rhein-Fall

Jeder Schüler weiß, dass Abgucken keine Garantie für null Fehler ist. Selbst der Klassenbeste hat nicht immer alles richtig. Ganz ärgerlich ist natürlich, wenn man beim Abschreiben selbst einen Fehler macht. So oder ähnlich ist es aber wohl den Schulbuchverlagen passiert. Und nicht nur denen.

Generationen von Schülern haben in Lexika nachschlagen können, dass der Rhein von seiner Quelle in der Schweiz bis zur Mündung in den Niederlanden 1320 Kilometer lang ist. Auch die Bundesanstalt für Gewässerkunde, das Rhein-Museum in Koblenz und die niederländische Behörde Rijkswaterstaad nannten stets diese Länge. Bis schließlich vor einigen Jahren ein Kölner Biologe nachrechnete und dabei auf fast 90 Kilometer weniger kam. Eine Differenz, die sich durch keine Begradigung oder Streitigkeit um die Rheinquelle in jüngerer Vergangenheit erklären lässt.

Eine mühselige Recherche durch verstaubte Lexika erhärtete schließlich den Verdacht: Anfang des 20. Jahrhunderts stand in den großen Konversationslexika noch richtig 1230 Kilometer. 1932 lag Knaurs Lexikon erstmals falsch. Vermutlich hat dort einfach jemand die beiden mittleren Ziffern verdreht. Der Brockhaus muss nach dieser Theorie im Jahr darauf abgeschrieben haben - und nach ihm alle anderen. (Anm. d. Red.: Leser haben uns mittlerweile darauf hingewiesen, dass auch Lexika aus den 1920er-Jahren die falsche Zahl enthalten).

Suche die Fehler: Diese Karte ist frei erfunden – aber gar nicht so weit weg von dem, was in so manchem Schulbuch schon gedruckt wurde. (Foto: Karte und Bearbeitung: SZ)

Fix und BER-tig

Alte Schülerweisheit: "Wenn du dir nicht sicher bist, schreib einfach irgendwas hin - vielleicht ist es ja richtig." So ähnlich agierten wohl auch die Macher von "Seydlitz Geografie Schülerband 9/10". In das Schulbuch für Neunt- und Zehntklässler schrieben sie Anfang 2012 zum Verkehrsknotenpunkt Berlin: "Der rund drei Milliarden Euro teure Flughafen Berlin Brandenburg BER (auch BBI) bei Schönefeld ist seit 2012 einziger Flughafen der Region."

Sie glaubten offensichtlich, der Flughafen würde binnen Monaten eröffnen und das Schulbuch dann topaktuell statt schon veraltet sein. Allerdings wurde der Fehler bei Nachdrucken in den Jahren 2014 und 2015 nicht korrigiert. Das hätte viel Aufwand gekostet, hieß es vom Verlag.

Andererseits: Mit der falschen Jahreszahl haben die Schulbuch-Autoren fast schon mustergültig das Chaos um den Bau des BER zu Papier gebracht. Der Pannenflughafen ist 2018 noch immer nicht eröffnet und hat mittlerweile mehr als sieben Milliarden Euro gekostet. Im Vergleich dazu war der Fehler gar nicht so schlimm.

Irgendwas mit Atombomben

Anders war das in Indien, im Bundesstaat Gujarat. Für Entsetzen sorgte ein fehlerhaftes Schulbuch, aus dem 50 000 Achtklässler etwas hätten lernen sollen. Was dort verzapft wurde, war aber von höchst zweifelhafter Natur. Unter anderem stand dort, Japan habe zum Ende des Zweiten Weltkrieges eine Atombombe über den USA abgeworfen.

Auch mit der nationalen Geschichte kannten sich die Autoren offenbar nicht gut aus. Das Attentat auf den Helden der Unabhängigkeitsbewegung, Mahatma Gandhi, verlegten sie neun Monate nach hinten, vom 30. Januar 1948 auf den 30. Oktober. Außerdem schrieben die Autoren, bei der Abholzung von Bäumen entstehe Kohlentrioxid, also C0₃. Gemeint war aber Kohlendioxid, CO₂. Vielleicht hat ja Donald Trump sein Klima-Wissen aus diesem Buch bezogen?

Paraguay? Uruguay?

In die Liste stümperhaft gemachter Schulbücher reiht sich auch ein Erdkundebuch für brasilianische Schüler ein. Die Zeitung Folha de São Paulo berichtete im Jahr 2009, auf einer Karte sei Paraguay mit Uruguay verwechselt worden. Dafür tauche Paraguay noch mal auf, nämlich als südliche Hälfte von Bolivien. Ecuador ließen die Kartografen einfach weg. Genau wie einen Teil von Kolumbien.

Austauschen wollte das Bildungsministerium das kostenlose Lehrbuch trotzdem nicht. Die Lehrer sollten ihre Schüler über die falschen Grenzen informieren. Eine der falschen Karten trug übrigens ausgerechnet den Titel "Fronteiras Permeáveis" - durchlässige Grenzen.

Das hier ist Hobbingen im Auenland, beziehungsweise jeder Ort in Neuseeland, der als Kulisse für die Verfilmung von "Herr der Ringe" diente. Ein Kartograf schmuggelte den Fantasieort einst in ein Schulbuch. (Foto: Imago Stock&People)

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Heimliche Hobbits

Nicht schlampig, sondern spitzbübisch fantasierte dagegen ein Kartograf kurz nach der Jahrtausendwende im "Putzger"-Geschichtsatlas herum. Er schummelte mehrere Orte aus J. R. R. Tolkiens "Herr der Ringe" in verschiedene Karten, zum Beispiel "Hobbingen" in das "Mitteleuropa im Zeitalter der Reformation". Der Vollständigkeit halber listete er auch wichtige Ereignisse aus den Fantasieorten im Register auf. Für Hobbingen vermerkte er dort die "Ermordung Sarumans, des vormaligen Führers des Weißen Rates" um 1521.

Verpetzt hat den Kartografen jahrelang niemand. Wenn das Buch nur mal der Kärntner Lokalpolitiker Gerhard Köfer in die Finger bekommen hätte. Dem wäre bestimmt sofort aufgefallen, dass es ein Hobbingen im heutigen kärntnerisch-slowenischen Grenzgebiet nie gegeben hat.

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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