Familientrio:Wenn Kinder den neuen Freund der Mutter mehr lieben als den Vater

Lesezeit: 2 Min.

Glückliche Patchworkfamilie. (Foto: picture alliance / dpa)

Muss man den Kindern nach der Trennung den Vater bewusst "besser" verkaufen, obwohl er sich nicht um sie kümmert? Oder ist der Ex selbst schuld, wenn sich die Kinder immer mehr von ihm entfernen?

Leserin Saskia K. aus Traunstein fragt:

Wenn ich meinen Ex-Mann nicht an seine Töchter (zwei und sechs Jahre alt) erinnern würde, käme er nie zu Besuch. Die Große ist sehr enttäuscht und sagt, dass sie ihren Papa zwar lieb hat, meinen neuen Freund aber viel mehr. Der kümmert sich sehr um sie. Muss ich den Kindern ihren Vater bewusst "besser" verkaufen, oder ist er selbst schuld, wenn sie sich von ihm entfernen?

Drei Experten antworten:

Kirsten Boie: Jeder Mensch hat ein Bedürfnis, seine Wurzeln zu kennen

Großartig, dass Ihr neuer Freund sich so um die Kinder kümmert. Und genauso großartig, dass Sie sich darum bemühen, dass der Vater Ihrer Kinder den Kontakt hält. Denn egal, wie er sich konkret verhält: Der leibliche Vater wird für die Mädchen immer wichtig sein. Jeder Mensch hat ein Bedürfnis, seine Wurzeln zu kennen und eine Verbindung zu ihnen zu haben - in manchen Phasen des Lebens mehr, in anderen weniger.

Und darum ist es für Ihre Kinder unter Umständen schmerzhafter, wenn der Vater keinen Kontakt zu ihnen hält oder sie mit einem negativen Bild von ihm leben müssen. Natürlich sollten Sie nicht lügen, aber werben Sie - jeweils altersgemäß - um Verständnis für sein Verhalten, wie schwer es Ihnen auch fallen mag.

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugendbüchern, darunter die allseits bekannten und geliebten Geschichten "aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk". (Foto: Christian Charisius/dpa)

Übrigens muss die Liebe zum leiblichen Vater natürlich überhaupt keine Konkurrenz zu Ihrem jetzigen Partner bedeuten. Kinder können problemlos zwei Väter lieben. Auch Eltern lieben ja umgekehrt mehrere Kinder auf unterschiedliche Weise. Darum ist Ihre Unterstützung hier so wichtig

Ich empfehle Ihnen, die Schuldfrage außen vor zu lassen und sich stattdessen auf die Verantwortung Ihres Ex-Manns zu konzentrieren, die er für den Kontakt zu seinen Kindern hat. Ihre Töchter werden versuchen müssen, mit seiner Abwesenheit zurechtzukommen, denn er fehlt ihnen vermutlich sehr. Ich vermute, dass er schon immer verantwortungslos war und dieser Umstand Sie überverantwortlich hat werden lassen. Das hat wohl auch die Trennung verursacht.

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internationaler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie. (Foto: Anne Kring)

Hören Sie auf, sein Defizit an Verantwortlichkeit auszugleichen, und steuern Sie Ihre Töchter durch diesen langen Prozess, in dem sie lernen müssen, ihren Vater so zu akzeptieren wie er ist. Sie können sich nicht von ihm trennen, daher werden sie Ihre Liebe, Geduld und Flexibilität noch viele Jahre brauchen. Lobpreisen oder kritisieren Sie ihn nicht, sagen Sie nur: "Das ist seine Art, gerade euer Vater zu sein. Auch ich hoffe, dass er sich ändert, aber ich kann es nicht erzwingen." ¶

Ich kann Ihre Enttäuschung gut heraushören. Und es ist sicher auch nicht leicht, die Enttäuschung Ihrer Töchter auszuhalten. Versuchen Sie nicht, zu werten und lassen Sie Ihre große Tochter dennoch nicht alleine in ihrem Gefühl der Trauer. Wenn Eltern sich als Paar trennen, besteht die Herausforderung darin, weiterhin gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.

Wie können Sie also weiterhin Eltern sein? Das geht nur, wenn sich beide gleichermaßen verantwortlich fühlen. Diese Verantwortung liegt auch ganz bei Ihrem Ex - die können Sie ihm nicht abnehmen. Versuchen Sie direkt mit ihm ins Gespräch zu kommen und fragen Sie ihn, wie sie gemeinsam für Ihre Kinder da sein können, wie er sich den Kontakt vorstellt, was er sich wünscht und ob Sie etwas tun können, um es ihm leichter zu machen, seine Verantwortung als Vater zu übernehmen.

Katia Saalfrank ist Pädagogin, Musiktherapeutin und wurde als Fachberaterin in der Sendung "Die Super Nanny" bekannt. Heute arbeitet sie in ihrer eigenen Praxis in der Eltern- und Familienberatung. (Foto: picture alliance / dpa)

Vielleicht ist es für ihn auch nicht leicht, dass Sie einen neuen Partner haben, der scheinbar an seine Stelle tritt und den er als Bedrohung wahrnehmen könnte.

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© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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