Familientrio:Soll man Kinder zu einem Kultur-Urlaub zwingen?

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Viele Familien entscheiden sich der Einfachheit halber für einen All-Inclusive Urlaub am Strand. (Symbolbild) (Foto: picture alliance / AP Images)

Wenn's nach den Teenager-Söhnen geht, bestehen die Ferien aus Sommer, Sonne, Strand. Da muss dringend ein bisschen Niveau hineingebracht werden, sagen viele Eltern.

Leser Martin S. aus Ludwigsburg fragt:

Seit Jahren gehen wir mit unseren Urlaubszielen auf die Wünsche der Kinder (12 und 15) ein: chillen, baden, Wlan. Dabei kommt die Kultur meist zu kurz. Weil unser Ältester nicht mehr oft mit uns verreisen wird, wollen wir in diese m Jahr eine Reise jenseits von Pool und Co. machen. Doch wir beißen bei ihnen auf Granit. Sollen wir uns durchsetzen, um ihnen etwas Gutes zu tun, oder doch den Strand buchen?

Drei Experten antworten

Kirsten Boie: Eine Woche Strand, eine Woche Kultur

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugendbüchern, darunter die allseits bekannten und geliebten Geschichten "aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk". (Foto: Christian Charisius/dpa)

Da müsste ich eigentlich mehr über ihre Kinder wissen, aber natürlich kann die Entscheidung für oder gegen ein Urlaubsziel nie nur bei einer "Fraktion" liegen. Wenn sich die Interessen und Wünsche von Eltern und Kindern nicht decken, wäre ein gemeinsam akzeptierter Kompromiss nötig, etwa eine Woche Strand, eine Woche Kultur.

Nun haben die Kinder in den letzten Jahren aber regelmäßig die Erfahrung gemacht, dass sich Urlaube ausschließlich an ihren Wünschen orientieren: Gerade jetzt in der Pubertät werden sie daher kaum zurückweichen und auf ihr vermeintlich angestammtes (Gewohnheits-)Recht verzichten wollen. Die Weichen haben Sie schon vor Jahren gestellt. Und wollen Sie wirklich Urlaub machen mit zwei permanent mauligen Jugendlichen? Vielleicht erleben Sie aber auch Ihr blaues Wunder, wenn das, was Sie an "Kultur" auswählen, auch für Ihre Kinder nicht ganz langweilig ist? Warum wagen Sie nicht den Kompromiss - im Wissen, dass es unter Umständen auch ein anstrengender Urlaub werden könnte?

Jesper Juul: In Zukunft alternative Reiseziele

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internationaler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie. (Foto: Anne Kring)

Einen Familienurlaub nur entlang der Wünsche der Kinder zu planen, ist immer eine schlechte Idee - genauso wie alles andere, das sich ausschließlich daran orientiert, was die Kinder wollen oder was die Eltern glauben lässt, es könne ihre Kinder glücklich machen.

So aufzuwachsen nimmt Kindern die Möglichkeit, ihre Eltern und das, was ihnen wichtig ist und Freude bereitet, kennenzulernen. Diesen Preis müssen Sie jetzt zahlen und daher macht es nun überhaupt keinen Sinn, auf neue Urlaubsziele zu bestehen.

Mein Rat wäre, während des nächsten Urlaubs Ihren Kindern gegenüber einzugestehen, welchen Fehler Sie gemacht haben, und alternative Reiseziele für die nächsten Jahre anzukündigen, zu denen Sie dann mit dem Jüngeren fahren. Zusätzlich können Sie ja versuchen, im Sinne der "Gleichwürdigkeit" (wenn also alle Wünsche und Bedürfnisse von allen Beteiligten gleich ernst genommen werden) etwas Kultur in Ihren Familienurlaub zu bringen - und damit auch mehr Platz für die Eltern.

Collien Ulmen-Fernandes: Chillen, baden, Wlan ist total berechtigt

Ihre Kinder wissen, was sie wollen, und dafür haben sie gute Gründe: Jeden Morgen zu einer biorhythmisch perversen Zeit sitzen sie auf unbequemen Stühlen und müssen Wissen in sich hineinstopfen: trigonometrische Formeln, Ludendorff, berechne das Volumen von 100 g Ethanol. Gleichzeitig geht es um Fragen wie: Bin ich schön? Steht jemand auf mich? Sieht mich der, auf den ich stehe?

Ihre Kinder haben Stress, denn in den vergangenen Jahren haben wir immer mehr in sie hineingeknallt. Chillen, baden, Wlan ist als Reaktion darauf total berechtigt. Ärgern Sie sich nicht darüber, dass Ihre Kinder keine Lust haben, mit Ihnen durch die Gluthitze zu rennen, um die Reste der mykenischen Kultur zu bestaunen. Finden Sie einen Kompromiss, vielleicht können Sie Ihre Freude an der Kultur ja trotzdem vermitteln.

© SZ vom 11.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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