Familientrio:Dürfen Eltern das Belohnungssystem von Lehrkräften kritisieren?

Lesezeit: 2 min

Unterricht ohne Störung: Das wünschen sich gerade alle an der Freigeist-Schule in Berlin. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Schüler, die stören, bekommen zur Strafe einen roten Smiley, brave dagegen einen Funkelstein. Soll man etwas gegen diese Art der Pädagogik unternehmen?

Von Margit Auer, Herbert Renz-Polster, Collien Ulmen-Fernandes

"Der Lehrer meines Sohnes, 8, arbeitet vor allem mit Belohnung und Bestrafung. Wer laut ist, dessen Name wandert auf einen roten Smiley. Wer Hausaufgaben vergisst, muss einem Frosch einen schwarzen Zahn malen, bei dreien muss man nachsitzen. Wer ruhig ist, kriegt einen Funkelstein. Der Lehrer findet die Maßnahmen gut, ich finde sie schlimm. Was soll ich tun?"

Christian W. aus Köln

Margit Auer ist die Autorin der Kinderbuch- Bestseller-Reihe "Die Schule der magischen Tiere", die inzwischen mehr als sieben Millionen Mal gedruckt und in 25 Sprachen übersetzt wurde. Sie hat drei Söhne, die fast alle schon erwachsen sind, und lebt mitten in Bayern. (Foto: Auer)

Margit Auer:

Was halten die Kinder von der Sache? Finden sie die Maßnahmen auch so schlimm? Einige Kinder brauchen klare Anweisungen. Sie wollen Noten und keine schwammigen "Leistungsbeurteilungen", die sie nicht einschätzen können. Ich finde es ehrlich gesagt nicht so dramatisch, wenn ein Frosch einen schwarzen Zahn bekommt. Und wer nicht nachsitzen will, muss seine Hausaufgaben machen, Punkt. Puh, bin ich jetzt zu streng? Wichtig ist, dass in der Klasse die Regeln für alle gelten. Wenn es faire Absprachen gibt, können die Kinder meiner Erfahrung nach sehr gut damit umgehen. Jeder Lehrer, jede Lehrerin findet eigenen Methoden, um die Schüler voranzubringen. Eine Freundin arbeitet als Lehrerin, sie machte gute Erfahrungen mit einem Entwicklungsgespräch. Das Kind verlässt stolz den Raum, weil es sich ernst genommen fühlt. Wenn die Kinder sich in der Klasse wohlfühlen, sollten Sie sich nicht einmischen.

Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor von Erziehungsratgebern und des Blogs "Kinder verstehen". Er hat vier erwachsene Kinder und lebt mit Frau und jüngstem Kind in Ravensburg. (Foto: Verlag)

Herbert Renz-Polster:

Das klingt nach einem gewieften Dompteur, der versucht, das Verhalten der Schüler so zu steuern, auf dass er sein Ziel erreicht: den Stoff möglichst störungsfrei an die Schüler und Schülerinnen zu bringen. Was aus dieser Strategie wird, ist bekannt: Manche Kinder kommen damit klar, weil sie sich gut anpassen können, andere werden ausgegrenzt. Klar ist auch, dass diese Fremdsteuerung langfristig Spaß und Eigenmotivation verdirbt. Unter dem Strich heißt das: Diese Art der Behandlung der Kinder fällt dem eigentlichen Bildungsauftrag der Schule in den Rücken. Da ist guter Rat teuer, weil diese Art zu "unter"richten mit der Persönlichkeit des Lehrers zu tun hat. Und ändern Sie die mal. Trotzdem würde ich in die Diskussion einsteigen, und damit sind gegebenenfalls auch Fragen an die Schulleitung verbunden, die ja ebenfalls ein pädagogisches Konzept vertritt. Können Sie auf ein gemeinsames Vorgehen mit den anderen Eltern hoffen? Da bin ich pessimistisch. Solange die Noten ihrer Kleinen stimmen, haben Eltern oft überraschend wenig Fragen an die Schule. Und für nicht wenige geht dieser Stil auch voll und ganz in Ordnung. Bliebe das Wichtigste: Machen Sie es zu Hause anders. Und werten Sie die Dressur mit schwarzen Zähnen und Funkelsteinchen nicht auch noch dadurch auf, dass Sie zu Hause den Antreiber spielen.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter wohnt in Potsdam und hat den Kinderbuch-Bestseller "Lotti und Otto" und den Elternratgeber "Ich bin dann mal Mama" verfasst. (Foto: Anatol Kotte)

Collien Ulmen-Fernandes:

Die Vorstellung des Froschs mit den schwarzen Zähnen macht mir Angst. Davon werde ich heute Nacht mit Sicherheit träumen. Ein gruseliges Bild. Allerdings bin ich Ende 30 und hab eigentlich ein dickes Fell. Wenn ich mir Achtjährige vorstelle, die nachts in ihren Träumen von Fröschen mit schwarzen Zähnen heimgesucht werden, werde ich wütend. In mir entsteht sofort die Rachefantasie, die mangelhafte Arbeit des Lehrers auf dem nächsten Elternabend mit einer ähnlichen Methode zu quittieren - er müsste zum Beispiel einem Pferd seine Mähne abschneiden. Aber eigentlich ist das Thema zu ernst. Ich halte diese Methoden für gefährlich, für psychische Gewalt, und ein Gespräch mit der Elternvertretung und/oder der Schulleitung für gegeben. Am besten in Anwesenheit des Lehrers, der dabei schweigend den Funkelstein halten muss.

© SZ vom 20.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Familientrio
:Muss das Kind in den Sportverein?

Ob Kung-Fu oder Tennis, der Zehnjährige hat immer schon nach kurzer Zeit keine Lust mehr. Die Mutter sorgt sich um ihr Einzelkind. Was tun? Das Familientrio weiß Rat.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: