Familie:Die wenigsten Adoptivkinder kommen zu Fremden

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Wiesbaden (dpa) - Eher selten kommen Adoptivkinder zu Fremden. Nur ein gutes Drittel kennt seine neuen Eltern nicht. Hinter dieser Zahl stehen ganz unterschiedliche Geschichten.

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Wiesbaden (dpa) - Eher selten kommen Adoptivkinder zu Fremden. Nur ein gutes Drittel kennt seine neuen Eltern nicht. Hinter dieser Zahl stehen ganz unterschiedliche Geschichten.

Gesellschaftlicher Wandel und veränderte Moralvorstellungen lassen die Zahl der Adoptionen in Deutschland sinken. Adoption bedeutet heute nicht mehr in erster Linie, ein fremdes Kind aufzunehmen: Von den 3793 Kindern, die im vergangenen Jahr adoptiert wurden, bekamen fast 60 Prozent nur einen neuen Elternteil. Sie wurden von ihren Stiefvätern oder -müttern angenommen, zu denen sie mit ihrem leiblichen Vater oder Mutter gezogen waren. 38 Prozent der Adoptivkinder wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts von Fremden angenommen, weil die leiblichen Eltern sie nicht versorgen konnten oder wollten.

Insgesamt sinkt die Zahl der Adoptionen seit Jahren. Noch 1978 wurden nach der Statistik allein in Westdeutschland 11 224 Kinder adoptiert. Der Anteil der Stiefkinder betrug damals 32 Prozent. Zu dieser Zeit war es bei weitem noch nicht selbstverständlich, ein nichteheliches Kind allein großzuziehen. Ledige Mütter hatten mit Vorurteilen zu kämpfen und entschieden sich häufig, ihr Kind zur Adoption freizugeben.

Aber auch heute zwingen die Umstände viele Mütter, ihre Kinder in fremde Hände zu geben. Hinter den Zahlen stehen viele ganz unterschiedliche Schicksale. „Jeder Fall ist anders“, sagt Sabine Willmann-Ilgner vom Frankfurter Jugendamt. In der Stadt mit einem Ausländeranteil von über 26 Prozent spiele bei den Kindern meist ein anderer kultureller Hintergrund eine Rolle. 40 bis 50 Adoptionen gibt es in Frankfurt am Main jedes Jahr, meist Babys bis zu einem Jahr.

Die Mütter, deren Kinder zur Adoption vermittelt werden sollen, seien in den seltensten Fällen zu junge Studentinnen, die ungewollt schwanger geworden seien. Häufig seien es Frauen aus Osteuropa, die ihre Familien etwa in Rumänen oder Bulgarien unterstützten, dafür in Deutschland arbeiteten und sich nicht um ein Kind kümmern könnten. Es komme auch vor, dass eine muslimische Frau ungewollt schwanger werde und ihr Kind austrage, aber ihre Familie dürfe nichts davon erfahren. In anderen Fällen seien Drogensucht oder eine psychische Krankheit der Grund, dass für Kinder Adoptiveltern gesucht werden.

Die Familien sollten sich auch auf Probleme einstellen: Sie müssten die Ungewissheit ertragen können, ob das Kind, das sie bei sich aufnehmen, auch wirklich von den leiblichen Eltern freigegeben wird. „Manchmal dauert das Jahre“, sagt Willmann-Ilgner. Denn das Jugendamt gebe viele Kinder in „Adoptivpflege“, bevor die Einwilligung der Eltern vorliege. Notfalls bestimme ein Richter. Entscheidend dabei seien die sozialen Bindungen in der neuen Familie.

„In einer Familie aufzuwachsen, ist für ein Kind die beste Option“, sagt Marion von zur Gathen, Expertin beim Paritätischen Gesamtverband. Das gelte auch für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Bisher könnten diese Paare aber keine fremden Kinder adoptieren, „da muss sich das Adoptionsrecht ändern.“

Eine Adoption ist in Deutschland nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nur zulässig, „wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht“. Seit 2005 ist die Stiefkindadoption auch gleichgeschlechtlichen Paaren möglich. Auch Alleinstehende können Kinder adoptieren, Paare werden aber meist bevorzugt. Ein adoptiertes Kind hat dieselben Rechte wie leibliche Nachkommen.

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