Expertentipps zur Kinder-Erziehung:"Manche brauchen den Schnuller eben länger"

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Der beste Tröster, die wichtigste Einschlafhilfe: Vielen Kindern fällt der Abschied vom Schnuller viel schwerer, als sich die Eltern das wünschen. Kinderärztin Ursula Keicher verrät Tricks, die den Abschied erleichtern.

Katja Schnitzler

Manche Babys verweigern den Schnuller, andere können nicht ohne sein und laufen auch mit zwei Jahren fast den ganzen Tag mit Stöpsel im Mund herum. Wie Eltern ihre Kinder bei der Trennung vom Schnuller unterstützen können, weiß die Kinderärztin und Buchautorin Ursula Keicher.

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Nuckeln beruhigt und gibt ein Gefühl der Sicherheit, auf das manche Kinder nur ungern verzichten.

(Foto: Jens Lumm/Photocase)

Süddeutsche.de: Den Schnuller, den die Eltern ihrem Baby einst tröstend in den Mund steckten, werden sie später, wenn es an der Zeit wäre, nicht mehr los. Wie können sie ihre Kinder überzeugen, dass auch ein Leben ohne Schnuller Spaß macht?

Ursula Keicher: Der erste Schritt ist, dass die Eltern den richtigen Zeitpunkt abwarten. Im Allgemeinen sollen die Kinder ihren Schnuller spätestens mit drei Jahren abgeben, weil dann oft schon die ersten Zahnfehlstellungen drohen. Diese Maßnahme fällt dann oft ausgerechnet mit dem Kindergartenstart zusammen - eine Zeit großer Veränderungen und damit Unsicherheit für die Kinder. Da brauchen sie mehr Halt und Schutz. Dann auch noch den Schnuller wegzunehmen, ist eher schwierig.

Süddeutsche.de: Woran erkennt man also den richtigen Zeitpunkt, um den Schnuller abzulegen?

Keicher: Wenn gerade keine großen Veränderungen für das Kind anstehen und es ein bisschen autonomer wird, sich nicht mehr so an die Mutter klammert. Und wenn die Eltern merken, dass das Schnullern kein Nuckelbedürfnis mehr ist, sondern nur noch eine schlechte Gewohnheit. Dann können sie ihn tagsüber schon mal verschwinden lassen.

Süddeutsche.de: Sie sollen den Schnuller verstecken?

Keicher: Das nicht, aber sie können das Thema ansprechen: "Du bist doch so groß, du brauchst den Schnuller beim Spielen gar nicht mehr." Und wenn das Kind gut gelaunt spielt, den Schnuller beiseite räumen. Das führt bei vielen Kindern zu der Einsicht, dass sie ihn tagsüber tatsächlich nicht brauchen.

Süddeutsche.de: Und wenn sich die Kleinen sogar beim Spielen nur schlecht davon trennen können?

Keicher: Ein zweiter Schritt, um dem Kind zu helfen, ist ein kleiner Talisman als Ersatz. Das kann eine kleine Puppe sein, die es selbst in der Tasche hat, oder die es bekommt, wenn es Trost braucht. Die Kinder brauchen einen Ersatz für den Schnuller - ähnlich wie Raucher zur Entwöhnung, die oft Kaugummi kauen. In dieser Phase sollte man das Kind in typischen "Schnullersituationen" viel ablenken und ihm Sicherheit vermitteln. Wenn das Schnullerthema aber zum Machtkampf zwischen Eltern und Kind wird, ist es vielleicht noch nicht so weit. Dann sollte man das nicht erzwingen, denn Zähne sind leichter zu reparieren als die Psyche.

Süddeutsche.de: Eltern lesen aber in Ratgebern, mit zwei Jahren sollte der Schnuller weg sein ...

Keicher: ... und hören das auch von anderen, das verunsichert natürlich. Aber jedes Kind ist da anders. Die Zahnfehlstellung bildet sich häufig von allein wieder zurück. Und beim Bewerbungsgespräch fragt keiner danach, wie lange man früher einen Schnuller hatte.

Süddeutsche.de: Wieso sollten Eltern ihren Babys überhaupt Schnuller geben?

Keicher: Das Nuckeln entspricht einem menschlichen Saugbedürfnis und beruhigt ungemein. Außerdem wird spekuliert, dass durch die Kaubewegungen das Gehirn stimuliert und so das Risiko von plötzlichem Kindstod verringert wird. Aber manche Babys nehmen den Schnuller überhaupt nicht an.

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