Expertentipps zur Erziehung:"Seien Sie auf Reisen gnädig mit Ihren Kindern"

Wie überstehen Eltern und Kinder lange Reisen im engen Auto - oder allein schon die stressigen Vorbereitungen? Psychologe Markus Schaer gibt Tipps für Eltern, die auch nach mehreren Stunden Stau nicht die Nerven verlieren wollen.

Katja Schnitzler

Urlaub sei die schönste Zeit im Jahr, heißt es. Leider schließt das die An- und Abreise meist nicht ein. Die gestressten Eltern müssen mit überdrehten und dann von der langen Fahrt oder dem schier unendlichen Flug gelangweilten Kindern zurechtkommen. Wie das ohne Streit ablaufen kann, weiß der Psychologe Dr. Markus Schaer von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der auch im pädagogischen Verein Familienteam Erziehungskurse für Eltern leitet.

Kind im Auto auf Reisen

Irgendwann werden den Kindern auf der Fahrt in den Urlaub sogar die Pausen langweilig. Dann kommt wieder die Frage aller Fragen: Wann sind wir endlich da?

(Foto: Andrew Rich/iStockphoto.com)

Süddeutsche.de: Der Start in den Urlaub ist für alle eine Ausnahmesituation: Die Eltern müssen sich konzentrieren, damit sie nichts vergessen. Die aufgeregten Kinder sind kaum zu halten und fragen alle fünf Minuten, wann es endlich losgeht. Wie können Eltern da etwas Druck herausnehmen?

Markus Schaer: Erst einmal sollten sich Eltern bewusst machen: Jede Familie hat im Urlaub Stress, das ist ganz normal. Ihn gemeinsam durchzustehen, kann den Zusammenhalt stärken. Wenn Eltern ihre eigenen Gefühle und die der Kinder ansprechen, fühlen sich diese verstanden und verstehen auch die Eltern besser: "Ich sehe, du bist genervt, weil es noch nicht losgeht. Und ich selbst bin aufgeregt, weil ich fürchte, dass wir im Stau stehen." Auch sollten Eltern rechtzeitig und mit Augenkontakt sagen, was sie von den Kindern erwarten: "Ich möchte, dass du dir schon mal Schuhe und Jacke anziehst." Dann klappt das auch.

Süddeutsche.de: Der Stress kommt auf jeden Fall, nur muss der Urlaub ja nicht gleich damit beginnen ...

Schaer: Da ist es besser, vorzubeugen als zu reparieren. Die erste Regel lautet, dass Eltern gut für sich selbst sorgen. Also zum Beispiel nicht direkt von der Arbeit in den Urlaub hetzen, sondern sich genug Zeit für das Packen nehmen. Wichtig ist auch die Absprache unter den Eltern: Wer macht wann was? Können wir das Auto schon am Abend vorher beladen? Mit den Kindern können Mütter und Väter klären, was sie mitnehmen wollen, damit es nicht zu langweilig wird.

Süddeutsche.de: Trotz aller Vorplanung steigt der Druck auf der Reise enorm. Wie können Eltern gegensteuern, wenn sie merken, dass sie immer gereizter werden?

Schaer: Viele Eltern erwarten, dass ihre Kinder merken, wenn sie gestresst sind und sie entsprechend schonen. Doch Kinder bekommen davon erst etwas mit, wenn die Eltern explodieren. Also sollten diese sich bewusst beruhigen, tief durchatmen und vielleicht eine kleine Pause einlegen. Und das, worüber sie sich aufgeregt haben, möglichst schnell verzeihen.

Süddeutsche.de: Irgendwann kommt zwangsläufig die Frage, die Eltern in den Wahnsinn treibt: "Wann sind wir endlich da?" Was antworten Sie darauf?

Schaer: Leider gibt es die perfekte Antwort nicht. Aber für alle wird es leichter, wenn die Eltern vorher erklären, wie die Reise abläuft und wie lange sie dauert. Die Familie kann gemeinsam eine Karte mit der Strecke anschauen und die Route nachzeichnen. Und unterwegs können die Eltern darauf zeigen, wo man gerade ist. Überhaupt geht es bei dieser Frage weniger um die Dauer, als um die Aussage, dass es das Kind eigentlich nicht mehr aushält.

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