Die Mützen der Gesellschaft:Für Mädchen, Machos und Hunde

Mit keinem Kleidungsstück entblößt sich der Mensch mehr als mit der Kopfbedeckung, die er sich oder anderen überzieht. Sechs Beispiele und ihre Bedeutung

Bildern.

1 / 6
(Foto: action press)

Mit kaum einem Kleidungsstück entblößt sich der Mensch mehr als mit der Kopfbedeckung, die er sich oder anderen überzieht. Sechs Beispiele und ihre Bedeutung in Bildern. Die Woll-Mütze Der Träger: Über Karl-Theodor zu Guttenberg braucht man nicht viele Worte zu verlieren. Den Mann kann nichts entstellen. Selbst in Afghanistan sieht er so aus, als ob er frisch einem Katalog für Outdoor-Männermode entstiegen wäre. Da passt jedes Accessoire, selbstverständlich kombiniert der fränkische Baron seine Mütze mit einem farblich passenden Schal, der so lässig um den Hals geschlungen ist, wie es dem Zeitgeist entspricht. Die Mütze: Eine Retro-Mütze. Die gute alte Wollmütze, die seit ein paar Jahren zurückgekehrt ist. Ganz up to date ist das Exemplar allerdings nicht, denn es fehlt der Bommel, an dem einem als Kind die Mütze immer vom Kopf gezogen worden ist. Der Bommel galt lange als provinzieller Makel, liegt aber inzwischen wieder voll im Trend, je größer, desto besser. Aber vielleicht fehlt er hier auch ganz bewusst, um eine gewisse Helm-Anmutung zu schaffen, die den Beruf des Trägers unterstreicht. Die Botschaft: Auch Kälte kann mit souveräner Eleganz ertragen werden. Wobei, ohne Guttenbergs eigene Leistung schmälern zu wollen, der Adel hier einen genetischen Vorteil hat. Von Kälteschutz verstehen die Blaublüter eindeutig mehr als unsereiner. Schließlich ist im Winter nichts schwerer zu beheizen als ein altes Schloss. Peter Fahrenholz

Die Mützen der Gesellschaft

Die Mädchen-Mütze

2 / 6
(Foto: ddp)

Die Träger: Lena Meyer-Landrut, Heidi Klum, David Beckham und andere Mädchen zwischen 18 und 48. Die Mütze: XXL-Strickbaske Die Botschaft: Männer finden mich niedlich. Ich mich auch. Im Sommer trage ich zu meiner Lieblingsjeans immer die Holzfällerhemden von meinem Freund, mit aufgekrempelten Ärmeln, das sieht süß aus. Im Winter trage ich jetzt die XXL-Mütze. Weite Sachen stehen mir. Ich komme mir darin so beschützt vor. Eigentlich fühl' ich mich ja immer noch wie zwölf, obwohl ich meine Hanni-und-Nanni-Kassetten schon vor Jahren auf dem Flohmarkt verscherbelt habe. Von dem Geld hab' ich mir dann ein Nabelpiercing machen lassen. Mein Modegeschmack ist todsicher: Ich ziehe einfach das an, was die anderen anhaben. Die Mütze habe ich zuerst bei MTV gesehen, dann hat meine Yoga-Lehrerin die gehabt und später alle Mädels aus meinem Hüpfkurs. Als jetzt noch meine kroatische Putzfrau mit der Mütze ankam, hab' ich mir die auch gekauft. Ein bisschen erinnert sie ja an die Mützen, wo die Reggae-Leute immer ihre Rastas drunter haben. Rasta mag ich nicht, das sieht so ungepflegt aus. Ohne Rastas pfeift hinten ein bisschen der Wind durch die Mütze. Aber da bin ich ein großes Mädchen. Das halte ich aus. Tanja Rest

Die Mützen der Gesellschaft

Die Macho-Mütze

3 / 6
(Foto: AP)

Der Träger: Silvio Berlusconi, Wladimir Putin, nordkoreanische wie afrikanische Diktatoren, chinesische Touristen am Brandenburger Tor, ukrainische Nacktmodelle, 007-Gegner und Landesbank-Abteilungsleiter auf Karibujagd in Kanada. Die Mütze: Die Uschanka leitet ihren Namen von "uschi", Russisch für "Ohren", ab, die durch abklappbare Fellschützer besonders schön heiß gehalten werden. Sie hatte in den dreißiger Jahren Vorläufer in der finnischen Armee, die später mit den Deutschen kooperierte, weshalb sie manchen auch als Mitläufer-Mütze gelten soll (siehe Berlusconi). 80 Jahre nach ihrer Erfindung gilt sie fast auf der gesamten Nordhalbkugel verbreitet und gilt (auch wegen ihrer Nähe zur Flieger- und Militärmütze) als Männlichkeitssymbol und daher auch als perfektes Gastgeschenk für Staatschefs mit Borderline-Störung. Für besonders wertvolle Modelle werden oft mehrere stattliche, männliche Exemplare einer gefährlichen Raubtierart (Zobel, Waschbär, Polarfuchs) von einem Potentaten erlegt, der sich dafür wiederholt in Lebensgefahr begeben hat. Diese "Edel-Uschis" sollen auch in Kombination mit Handschuhen aus Walpenisleder beliebt sein. Die Botschaft: Ich trage gern Fell, das ich anderen über die Ohren gezogen habe! Berlusconi, der beim Russlandbesuch 2003 auf Partnerlook mit Putin setzte, soll unbestätigten Berichten zufolge bei "Uschanka" zuerst an das kleine Tatarenmädchen seines Moskauer Escort-Services gedacht haben. Für Italiens Premier gilt ohnehin die Sonderbotschaft: Ich trage gern Fell, das meine mächtigen ausländischen Freunde anderen über die Ohren gezogen haben! Marten Rolff

Die Mützen der Gesellschaft

Die Hunde-Mütze

4 / 6
(Foto: ddp)

Die Träger: Albern verhätschelte Haushunde, die ihren Besitzern total viel Sinn im Leben geben. Die Mütze: Stammt aus derselben Näherei in Chongqing wie Muttis Sexy-Santa-Claus-Kostüm aus dem Erotikshop am Hauptbahnhof. Riecht stark nach Lösemitteln und Chlorparaffinen - in bedenklicher Konzentration. Die Botschaft: Weihnachten soll auch und gerade für unsere lieben Tiere ein Fest der Liebe sein. Der Hund bleibt dir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde. Tiere geben dem Menschen so unendlich viel Wärme und Zuversicht, dafür sollte man ihnen gerade zum Christfest danken. Zum Beispiel mit der teuersten Gänseleberpastete, die es bei "Fressnapf" zu kaufen gibt. Natürlich liegt auch diesmal wieder eine lustige Gummiente unter dem Weihnachtsbaum. Auf der darfst du dann in meinem Bett herumknabbern, während wir gemeinsam die Tiershow mit Frank Elstner schauen. Anschließend schnalle ich dir dein wunderschönes, weihnachtliches Leuchthalsband um und mache mit dir einen Spaziergang durch den Park. Und wenn mir noch ein bisserl Geld übrigbleibt, so überweise ich das natürlich wieder dem Tierschutzverein, der Tierrettung und den Hendl-Rettern von Peta. Wie jedes Jahr. Martin Zips

Die Mützen der Gesellschaft

Die Opfer-Mütze

5 / 6
(Foto: REUTERS)

Der Träger: Ein namenloses Model auf einer Modenschau von Juan Duyos in Madrid, das stellvertretend für die Masse jener steht, die wissen, dass man mit Mützen sowieso keinen Staat machen kann. Die Mütze: Grobmaschige Mädchenversion der Sturmhaube, die zwischen Kindergarten und der Schneckenfrisur von Prinzessin Leia aus Star Wars mäandert. Die Botschaft: Man muss nicht groß herumreden: Beim überwältigenden Teil der Menschheit sehen Kopfbedeckungen dämlich aus. Nun gibt es verschiedene Strategien, diesem Missstand zu begegnen. Die einen täuschen Selbstbewusstsein vor, indem sie bei Minustemperaturen ihr Haar selbst in geschlossenen Räumen bedeckt halten. Die anderen hingegen sehen die Unzulänglichkeit des Menschen, mit den Widrigkeiten des Winters allein klarzukommen, als gottgegebenes Joch an und tragen diesen Umstand ebenso effektvoll zur Schau. Lacht ruhig! Ich halte das aus! Das Tragen obskurer Mützen ist daher nicht als modisches Unverständnis zu werten, sondern als ein subversiver Akt. Die Mütze sollte dabei Teil einer Inszenierung sein, die sich an den Molltönen des Lebens orientiert. Der Blick resigniert, das Rouge wie die Folge häuslicher Gewalt, am Hals ein totes Tier. Wer nicht stark genug ist für solch einen Auftritt, dem bleibt nur eines: Frieren. Claudia Fromme

Die Mützen der Gesellschaft

Die Ethno-Mütze

6 / 6
(Foto: AP)

Die Träger: Hugo Chávez, Präsidenten anderer lateinamerikanischer Länder - und Mittelschicht-Mädchen, die nicht wissen, ob sie Literaturwissenschaft oder Arabistik studieren sollen und sich deswegen Zeit verschaffen: mit einem FSJ in einem peruanischen Waisenhaus. Die Mütze: heißt Chullo. Besteht aus drei bis vier gehäkelten Topflappen in den Farben eines Fernsehtestbildes, an den Seiten hängen die Bommeln wie schlaffe Pusteblumen. Ist meist aus Alpaka-Wolle, wird beim Joggen genauso getragen wie beim Stadtbummel. Kommt jährlich mit ein paar Waschnüssen in die Trommel, im Eco-Modus bei 20 Grad - damit das Neonbunt nicht verlorengeht. Die Botschaft: Idealismus von hohem Reinheitsgrad. Chullos stehen für die Bereitschaft, das Vorankommen einer politischen Idee mit einer ästhetischen Niederlage zu bezahlen. Die Anliegen der Träger reichen von der Klage gegen zu kleine Alpaka-Gehege in einigen Wanderzirkussen Südosteuropas bis zur Verbrüderung mit indigenen Völkern. Bei Hugo Chávez, Präsident Venezuelas, ist davon auszugehen, dass er einem politmodischen Vorstoß seines Freundes Evo Morales gefolgt ist. Vielleicht fand er es aber auch eine lustige Idee, auf dem Weg zum Pressetermin einem Kleinkind die Mütze zu stehlen. Cornelius Pollmer

© SZ vom 11.12.2010/holl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: