Der Kennedy-Clan:"Sie haben nicht das Feuer in sich"

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Ted Kennedy starb als letzter großer Mann seines Clans - unter den Jungen zeichnet sich kein Nachfolger ab.

Reymer Klüver

Nun also bleibt nur noch eine übrig. Eine in der Familie aus dieser Generation, die Amerika verändert hat. Die Glanz ins verschlafene Washington brachte. Die Engagement in Gesellschaft und Politik chic machte. Deren Erfolge und Exzesse den Stoff für moderne Mythen bildeten. Und deren hochtouriges Leben nur zu oft Tragödien heraufbeschwor, die bis heute die Phantasie ihrer Landsleute beschäftigen.

Familienfoto des Kennedy-Clans aus dem Jahr 1938: Joseph P. Kennedy und seine Frau posieren mit ihren neun Kindern. Edward sitz bei seinem Vater auf dem Schoß. (Foto: Foto: AP)

Nun, nach dem Tod Edward Kennedys, des Familienpatriarchen, bleibt also nur Jean Kennedy Smith als letzte von neun Kennedy-Geschwistern. 81 Jahre ist sie alt. Und die Frage bleibt unbeantwortet, wer nun das Erbe weiterführen wird. Wer von Amerikas einstiger Erster Familie in der nächsten Generation überhaupt die Statur hat, nicht nur Nachlassverwalter zu werden, sondern das politische Vermächtnis Teds und seiner Brüder weiterzuführen.

Die Kennedys, so urteilt der frühere US-Senator Harris Wofford, einst politischer Berater John F. Kennedys, "sind sicherlich eine der wichtigsten Familien in der amerikanischen Politik, so wichtig, wenn nicht wichtiger wie die Roosevelts." Sie haben stets mit ihrer Familie Politik gemacht - und für die Familie.

So politisch bedeutend die Familie wurde, so schillernd war sie. Vielleicht wurde sie überhaupt so bedeutsam, weil sie so schillernd war. Joseph, der Stammvater, war Botschafter in London - und wohl als Schmuggler reich geworden während der Prohibition, als Alkohol in den USA verboten war. Der Hang seines Sohnes John, des US-Präsidenten, zur halbseidenen Welt der Spieler und Ganoven von Las Vegas ist legendär. Und Ted machte mit seinen Eskapaden noch als gestandener Mann Schlagzeilen, bis ihn die Ehe mit seiner zweiten Frau Vicki vorm Absturz in die Lächerlichkeit rettete.

Hang zur Hemmungslosigkeit

In der nächsten Generation hat sich der fatale Hang zur Hemmungslosigkeit fortgesetzt: Zwei der elf Kinder Robert F. Kennedys, des mittleren Bruders, sind bereits tot: David starb nach einer Überdosis, Michael raste beim Skifahren gegen einen Baum. John jr., der Sohn des Präsidenten, und vielleicht das größte politische Talent seiner Generation, stürzte mit seinem Flugzeug vor Martha's Vineyard ab - offenkundig, weil er seine fliegerischen Künste überschätzt hatte. William Kennedy Smith, einer der Söhne von Jean Kennedy, wurde nach einer wilden Nacht der Vergewaltigung angeklagt - er hatte gute Anwälte und wurde freigesprochen.

Heute engagiert er sich als Arzt für Opfer von Landminen. Viele seiner Cousins und Cousinen haben das gesellschaftliche Engagement dem politischen Geschäft vorgezogen - und sich durchaus einen Namen gemacht. Robert Sargent Shriver, ältester Sohn der vor zwei Wochen verstorbenen Kennedy-Schwester Eunice, ist gemeinsam mit U2-Sänger Bono Gründer einer Hilfsorganisation für Afrika.

Sein Bruder Timothy führt die von seiner Mutter begründeten Special Olympics. Robert Kennedy Jr. ist als Umweltanwalt aktiv und war im Gespräch für einen Posten in der Administration von Barack Obama. Seine Schwester Kerry hat die Organisation "Speak Truth to Power" (Haltet den Mächtigen die Wahrheit vor) gegründet und unterstützt Journalisten, die gegen Unterdrückung angehen. Ihre jüngste Schwester Rory, die zur Welt kam, als ihr Vater bereits ermordet war, hat sich einen Namen als Dokumentarfilmerin gemacht. Sie widmet sich sozialen Themen, etwa der ländlichen Armut in den USA.

Ein zu hoher Preis

Politisch haben die Kinder Edward und seiner Geschwister nicht über die Maßen reüssiert - fast sind sie eine verlorene Generation: "Sie haben nicht das Feuer in sich", sagt Laurence Leamer, einer der respektableren unter den Kenndy-Kennern Amerikas. Und der Autor Vincent Bzdek formuliert, was viele Amerikaner mutmaßen. Viele in der Kinder-Generation hätten schlicht Angst, wie John und Robert weggeschossen zu werden, sollten sie in der Politik aufsteigen: "In dieser Generation haben wirklich viele das Gefühl, dass die Kennedys einen zu hohen Preis für ihr Engagement für die Gemeinschaft bezahlt haben. In dieser Generation gibt es sicherlich weniger Talente, aber vor allem ist sie auch nicht bereit, alles für den Erfolg zu tun."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wer die besten Chancen im Kampf um das politische Erbe Ted Kennedys hat

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Das hat zuletzt, unfreiwillig, Caroline Kennedy Schlossberg der amerikanischen Öffentlichkeit demonstriert. Ihr Onkel Ted ermunterte Johns Tochter Ende vergangenen Jahres, das Erbe der Familie anzutreten und sich in New York um den frei werden Senatssitz Hillary Clintons zu bemühen - allerdings mit desaströsen Folgen. Sie warb nicht um Zustimmung, sondern trat auf, als stünde ihr das Amt zu. Das kam nicht gut an. Sie musste ihre Bewerbung zurückziehen.

Der Stammbaum der Kennedy-Familie. (Foto: Grafik: SZ)

Die Kinder Roberts agierten etwas glücklicher: Kathleen, seine älteste Tochter, war stellvertretende Gouverneurin in Maryland, scheiterte indes, als sie selbst Gouverneurin werden wollte. Ihr Bruder Joseph, genannt Joe II, war zehn Jahre lang immerhin Kongressabgeordneter. Auch Edwards Sohn Patrick ist in die Politik gegangen. Er ist Kongressabgeordneter für Delaware. Allerdings kämpft er immer wieder mehr gegen sich als für seinen Wahlkreis: Wiederholt musste er sich Entzugskuren wegen Alkohol- und Drogenmissbrauchs unterziehen.

Nicht selbst politisch aktiv, aber durchaus ein Promi von eigenem Rang und gewiss nicht einflusslos, ist Maria Shriver, die Tochter der Kennedy-Schwester Eunice: Sie ist als Ehefrau des republikanischen Gouverneurs Arnold Schwarzenegger die First Lady Kaliforniens - und bekennende Demokratin.

Die Kennedys wären nicht die Kennedys, gäbe es hinter den Kulissen nicht schon Kämpfe um Teds Erbe. Seiner Witwe Vicki wird durchaus die Willensstärke zugetraut, seine Nachfolge im Senat anzutreten. Allerdings weiß niemand, ob sie tatsächlich will. Bisher hatte sie keinerlei Absicht erkennen lassen. Aber das kann sich ändern, nun, da ihr Mann tot ist. Sie entstammt einer Familie, der politisches Engagement nicht fremd ist.

Die politische Hinterlassenschaft

Ziemlich sicher mit dem Gedanken, sich um das Mandat seines Onkels zu bemühen, spielt offenbar Joe II, der älteste Sohn Robert Kennedys. Er saß bereits (wie übrigens einst sein Onkel John F.) als Bostoner Abgeordneter im Repräsentantenhaus in Washington. 1999 zog er sich aus der Politik zurück und engagierte sich als Gründer einer Organisation, die im Winter in Massachusetts preisgünstiges Heizöl an Arme verteilt.

Schon vor einem Jahr waren die familiären Animositäten zu spüren, als die Verwandten nach seinem Schlaganfall ans Krankenbett des Senators nach Boston eilten - nur um seiner Frau nicht allein das Feld zu überlassen. Patrick, Teds Sohn, war da, dessen Verhältnis zu seiner nur 13 Jahre älteren Stiefmutter nicht das allerherzlichste sein soll - und Joe ebenfalls.

Sollten Vicki oder Joe den Finger heben, besteht kaum Zweifel, dass sie den Senatssitz, den John F. Kennedy 1952 erstmals eroberte und den Edward zehn Jahre später in einer Nachwahl übernahm, in der Familie halten können. In Massachusetts dürfte der Name Kennedy noch immer für eine Mehrheit gut sein, zumindest bei einer Nachwahl in wenigen Wochen.

Eine, vielleicht die wichtigste politische Hinterlassenschaft der Kennedys, die Sorge um für den sozialen Ausgleich in der US-Gesellschaft, hatte der alternde Senator bereits vor Jahresfrist weitergereicht - an den damaligen Präsidentschaftsbewerber Barack Obama. Und so ist es nur angemessen, dass der heutige Präsident bei der Trauerfeier für Kennedy am Samstagnachmittag in Bostons katholischer Mission Church sprechen wird. Danach wird Kennedys Leichnam nach Washington geflogen und auf dem Nationalfriedhof von Arlington zur letzten Ruhe gebettet - in Nachbarschaft der Gräber seiner Brüder John und Robert.

© SZ vom 28.08.2009/aro - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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