Demografie:Die Welt wird geduldiger

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Designer verausgaben sich seit längerem mit den raffiniertesten Einstiegen bei Seniorenbadewannen, die Welt wird schöner und bequemer - für alle, auch für die Jungen. Das Saarbrücker Consulting-Unternehmen Meyer-Hentschel, das unter anderem den Alterssimulationsanzug Age Explorer entwickelt hat, lobt regelmäßig den SilverPack-Award aus, um Unternehmen für "höfliche Verpackungen" auszuzeichnen - das sind solche, die auch für ältere Menschen mit weniger Körperkraft mühelos zu öffnen sind.

Institutsleiter Gundolf Meyer-Hentschel gerät regelrecht ins Schwärmen, wenn er auf die Bevölkerungspyramide sieht: "Die wachsende Zahl älterer Menschen macht unsere Welt einfacher, komfortabler und geduldiger." Immer mehr Unternehmen optimierten ihre Produkte und Verpackungen, ihre Läden und Dienstleistungen so, dass sie für ältere Kunden bequemer würden.

Eine Welt, die sich entschleunigt, tut also allen gut

Die Beispiele: Konfitürengläser lassen sich mit weniger Kraft öffnen als früher. Duschwannen mit hohem Einstieg verschwinden und weichen bodengleichen Duschen. "Die Bahn denkt darüber nach, die Umsteigezeiten anzupassen, damit ältere Menschen eine Chance haben, ihre Anschlusszüge zu erreichen. Einzelhandel, Banken und Verkehrsunternehmen schulen ihr Personal im höflichen und geduldigen Umgang mit älteren Kunden", sagt Meyer-Hentschel.

Auch sein Unternehmen führt diese Schulungen durch, das ist eine schweißtreibende Angelegenheit: Denn mit Alterserforschungsanzügen, die das Seh- und Hörvermögen einschränken sowie die Gliedmaße beschweren, fühlen sich die Auszubildenden 30 bis 40 Jahre älter. Das Verständnis für ältere Menschen, die vielleicht nicht mehr ganz so auf der Höhe sind, wächst dann automatisch.

Eine Welt, die sich entschleunigt, tut also allen gut, auch den jungen Menschen. Loring Sittler vom Generali-Zukunftsfonds wagt gar die Prognose: "Weil sich die ältere Generation gleichsam verjüngt, kann sie die Folgen der demografischen Entwicklung zum Teil kompensieren." Der Lebensqualität und dem Gesundheitszustand von Hundertjährigen in Deutschland haben sich auch Wissenschaftler in der empirischen "Heidelberger Hundertjährigen-Studie" bereits zweimal genähert.

Unter anderem kommen sie darin zu dem Schluss, dass eine Mehrheit der befragten Hochbetagten einen deutlich ausgeprägten Lebenswillen habe und nicht oder nur wenig kognitiv eingeschränkt sei. Auch die unausgesprochene Frage, ob ein Mensch überhaupt so alt werden möchte, beantwortet die Untersuchung. "Eine erstaunlich große Anzahl der Hundertjährigen findet ihr Leben lebenswert. Die Zufriedenheit verschlechtert sich nicht in sehr hohem Alter", heißt es.

Auf die Frage, ob sie leicht zum Lachen zu bringen seien, antworteten mehr als die Hälfte der Hundertjährigen, 57 Prozent, mit einem fröhlichen "Ja" und nur zwölf Prozent mit einem "Nein". Ungefähr ein Drittel von ihnen war sich nicht so sicher.

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