Bericht zu synthetischen Drogen:Schwemme aus dem Netz

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"Badesalz", "Scope" oder "Räuchermischung": Unter immer neuen Namen gelangen immer neue synthetische Drogen über das Internet an die Konsumenten. Die Politik kommt mit dem Verbieten nicht mehr hinterher.

Charlotte Frank

Ihre Namen klingen so harmlos, "Badesalz" zum Beispiel, was soll daran schlimm sein? Oder "Räuchermischung", erinnert das nicht eher an das ästhetisch umstrittene WG-Duftlämpchen von früher als an eine gefährliche Modedroge? Genau das ist das Problem: Der deutsche Markt wird überschwemmt von immer neuen synthetischen Rauschmitteln, die nach außen hin so unschädlich wirken, dass sie über Online-Shops legal vertrieben werden können.

Als "Spice" längst verboten, findet die Räucherdroge unter anderen Namen den Weg zu den Konsumenten. 400.000 Menschen nahmen 2009 Spice oder ähnliche Stoffe ein. (Foto: dapd)

Von der Zusammensetzung her aber handelt es sich um so raffinierte chemische Verbindungen, dass die Bundesregierung mit dem Verbieten nicht hinterherkommt. "Es ist ein 'Katz-und-Maus-Spiel'", sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, am Dienstag bei der Vorstellung ihres Berichts zu synthetischen Drogen, die gesundheitlichen Risiken seien "unkalkulierbar ". Nun sucht Dyckmans nach Wegen, diese Stoffe schneller - und vor allem nachhaltiger - zu verbieten.

Die Zahlen, die sie in Berlin vorgestellt hat, zeigen, wie dringend das ist: Synthetische Drogen sind nach Cannabis die am häufigsten konsumierten illegalen Substanzen in Deutschland. Im Jahr 2009, auf das sich Dyckmans bezieht, haben jeweils etwa eine Million Menschen Ecstasy und LSD konsumiert, zwei Millionen haben Speed probiert - und 400.000 Menschen neue Räucherdrogen wie "Spice".

Weil sich diese psychoaktive Kräutermischung wie eine Mischung aus Opioid und Cannabinoid unkontrollierbar auf das Bewusstsein niederschlägt, hatte schon Dyckmans Vorgängerin "Spice" vor zwei Jahren verboten. Doch kaum war die Droge untersagt, kamen neue chemische Abkömmlinge auf den Markt: "Space", "Scope", "Black Silent" und andere Gemische konnten ungehindert weitergehandelt werden.

Grund dafür ist ein Haken im Betäubungsmittelgesetz: Dieses kann nur einzelne, exakt definierte chemische Verbindungen verbieten. Schon einfachste Abwandlungen sind nicht mehr erfasst. "Wird bekannt, dass ein Verbotsverfahren im Gange ist, werden sofort Veränderungen vorgenommen", sagte Dyckmans am Dienstag.

Handhabe gegen neue Mischungen

Ein Rechtsgutachten der Uni Marburg schlägt nun vor, künftig nicht mehr nur bestimmte Stoffe zu verbieten, sondern gleich ganze Stoffgruppen. Dyckmans zeigte sich offen für solche rechtliche Veränderungen, kündigte aber auch an, sich für Prävention stark zu machen, um Konsumenten über die Gefahren neuer Drogen aufzuklären.

Das Problem ist nur: Noch gibt es kaum Erkenntnisse über die Nutzer von "Spice", "Badesalz" und anderen Stoffen. Daher hat das Bundesgesundheitsministerium beim Centre for Drug Research in Frankfurt eine Online-Befragung bestellt. Die nicht repräsentativen Ergebnisse dieser Umfrage wurden am Dienstag ebenfalls präsentiert. Sie zeigen: Räuchermischungen sind die am stärksten verbreiteten neuen synthetischen Drogen - obwohl ihre Schädlichkeit nachgewiesen ist, werden sie von vielen Nutzern aufgrund ihrer vermeintlich natürlichen Inhaltsstoffe für ungefährlich gehalten.

Überdurchschnittlich gebildete Konsumenten

Auffällig sei, so stellten die Frankfurter Forscher zudem fest, dass Konsumenten dieser Stoffe überdurchschnittlich gebildet seien. So gut wie alle von ihnen haben bereits Erfahrungen mit Cannabis, 80 Prozent auch mit anderen illegalen Drogen. "Insgesamt werden neue synthetische Drogen zumeist von erfahrenen Konsumenten als Ergänzung zu ihrem Drogenspektrum oder als legale Alternative verwendet", sagte der Leiter der Erhebung, Bernd Werse. Offenbar würden die Modedrogen aber kaum neue Nutzer ansprechen.

Den Handlungsbedarf im Bereich synthetischer Rauschmittel belegen auch Zahlen der EU-Drogenbeobachtungsstelle: Allein im vergangenen Jahr sind ihr zufolge 41 neue Drogen registriert worden, fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Neue Substanzen würden in Europa "in nie dagewesenem Tempo verfügbar", warnt die Stelle. Das Hauptkennzeichen des boomenden Drogenmarktes sei die Verbreitung sogenannter "legal Highs": legaler Stimulantien, die über das Internet verbreitet werden, weil das Recht sie nicht fassen kann - und weil sie so schön harmlos daherkommen.

© SZ vom 12.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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