Zum Tod von Hans-Michael Rehberg:Der Dämonische

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Angst musste man vor Hans-Michael Rehberg nicht haben. Aber ganz große Hochachtung. (Foto: Regina Schmeken/Regina Schmeken/SZ Photo)

Der Schauspieler Hans-Michael Rehberg spielte Nazis so unvergesslich wie Gestrauchelte. Ein Nachruf auf einen der ganz Großen.

Von Christine Dössel

Was für ein gefährlicher Schlaks! Hans-Michael Rehberg war ein Ausnahmeschauspieler schon qua Ausstrahlung und Gestalt. Sein hagerer, kantiger Körper, sein markanter Charakterkopf à la römischer Senator, das maliziöse Lächeln auf seinen Lippen, dazu dieser stechend intensive Blick aus blau-grünen Augen, der selbst Unschuldige dazu gebracht hätte, alles Mögliche zu gestehen: Es war immer etwas Dämonisches um diesen prägnanten Schauspieler, etwas schillernd Diabolisches, was ihn dazu prädestinierte, die Bösewichte und ernsten Männer der Macht zu spielen.

Und weil er das wiederum so teuflisch gut tat, hatten manche Menschen sogar ein wenig Angst vor ihm. "Es gibt Leute, die denken, ich sei böse", amüsierte sich Rehberg über sein Image, das ihm auch im Fernsehen ein paar schöne Schurkenrollen in Krimiserien bescherte. Aber selbst wenn er die hohen Würdenträger auf Seite der Guten spielte, wie den Bischof Hemmelrath in der ARD-Serie "Pfarrer Braun" oder gar Gottvater selbst in Christian Stückls Salzburger "Jedermann"-Inszenierung, strahlte die Schauspielerautorität Rehberg eine Strenge aus wie ein Erzengel.

Nein, Angst musste man sicher nicht vor ihm haben. Aber Respekt schon. Und ganz große Hochachtung. Hans-Michael Rehberg gehörte zu den Schauspielerkalibern allererster Güte und hoher alter Schule. Er war ein Meister des psychologischen Realismus der abgründigeren Art. Als solcher war er Spezialist nicht nur für zwielichtige, finstere Figuren wie Oppenheimer und Eichmann in den Stücken Heinar Kipphardts oder der Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß in Spielbergs Film "Schindlers Liste". Sondern auch für gebrochene, einsame, verletzte Charaktere. Strauchelnde Männer wie Ibsens Baumeister Solness, den Rehberg 1983 an der Seite seiner damaligen Lebensgefährtin Barbara Sukowa in Peter Zadeks legendärer Inszenierung am Münchner Residenztheater spielte: ein Ereignis der Liebe und Wahrhaftigkeit, von dem diejenigen, die damals dabei waren, noch heute schwärmen - eine Darstellung, die Theatergeschichte schrieb.

Rehberg, der strenge Preuße, sprach auch ein gute Bairisch

Darin, dass Rehberg mit schneidender Kälte und Klugheit Nazi-Verbrecher oder 2001 am Berliner Ensemble Rolf Hochhuths "Stellvertreter" gespielt hat, jenen Papst Pius XII., der nichts gegen die Judenvernichtung unternahm, sahen viele eine besondere Brisanz. War sein Vater doch der durchaus auch von den Nazis geschätzte Dramatiker Hans Rehberg. Dessen Historienstücke über Persönlichkeiten wie Cecil Rhodes, die preußischen Herrscher oder Kaiser Karl V. wurden in den Dreißigerjahren sehr erfolgreich an deutschen Bühnen gespielt - nach dem Krieg dann nicht mehr.

Hans-Michael Rehberg, geboren am 2. April 1938 im brandenburgischen Fürstenwalde, war eines von sechs Kindern. Aufgewachsen ist er in Bayern, nachdem die Familie an den Starnberger See gezogen war, daher auch das gute Bairisch, das Rehberg, der schroffe Preuße, beherrschte. Nach einer Schauspielausbildung an der Folkwangschule in Essen von 1956 bis 1958 kam er bald schon nach München ans Residenztheater, wo er bereits mit 30 Jahren zum Bayerischen Staatsschauspieler ernannt wurde - eine seltene Ehre, die seinem Ausnahmetalent gedankt war. Rehberg blieb aber nicht lange, er war keiner, der sich einrichtete in der Behaglichkeit des Erfolgs. 1973 wechselte er an die Münchner Kammerspiele, 1975 ans Schauspielhaus Hamburg. Dort glänzte er als grandios seine Gefühle deckelnder Pastor Manders in Ibsens "Gespenster", 1977 inszeniert vom jungen Luc Bondy, und Doris Schade war jene Frau Alving, die zu lieben Manders sich nicht erlaubte.

Danach arbeitete Rehberg gänzlich frei - um selber zu inszenieren und dort aufzutreten, wo es ihm gefiel und wo er gefragt wurde. Und gefragt wurde er oft, von allen großen Häusern zwischen Berlin, Zürich und Wien. Er arbeitete mit Regisseuren wie Peter Zadek, Peter Stein, Dieter Giesing, Heinz Hilpert, Günter Krämer, Claus Peymann, Volker Schlöndorff, Matthias Hartmann und vielen mehr. Darunter Andrea Breth, für deren theatrale Tiefseelenforschungen, ob bei Kleists "Homburg" oder Shakespeares "Hamlet", Rehberg ein verlässlicher, manchmal schier unerlässlicher Partner war. So hat sie 2014 am Münchner Residenztheater Harold Pinters Stück "Der Hausmeister" für ihn und wegen ihm inszeniert - weil Rehberg für Breths werkdienliche Musterinszenierung der ideale Davies war: jener verlotterte Kerl von der Straße, der sich im Haus zweier Brüder einnistet und die Atmosphäre bedrohlich vergiftet. Schillernd abgründig schlenzte Rehberg einen undurchschaubar bösen Horrorclown hin. In München ist und bleibt Rehberg noch für eine ganz andere Rolle unvergessen: Als es 1999 darum ging, in Unterstützung der Intendantin Ruth Drexel das Volkstheater vor dem Aus zu retten, spielte er in der Regie von Franz Xaver Kroetz den hinterfotzigsten, störrischsten, zähnebleckend bösartigsten Teufelskerl, den es je zu sehen gab in der Titelrolle des Bauerntheater-Klassikers "Der verkaufte Großvater". Dass er dafür 2000 den renommierten Gertrud-Eysoldt-Ring erhielt, war würdig und recht. Am Dienstag ist Hans-Michael Rehberg, wie erst jetzt bekannt wurde, im Alter von 79 Jahren in Berlin gestorben. Ein Platz im Theaterolymp ist ihm gewiss.

© SZ vom 10.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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