Zum Tod von Christopher Lee:Grandezza des Bösen

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Sir Christopher Lee, Darsteller unvergesslicher Schurken von Dracula bis Saruman, ist gestorben. Nun gibt es niemanden mehr, vor dem man sich im Kino noch fürchten kann.

Von Tobias Kniebe

Ein Meister des Grauens war er nicht, wenn man ihm gegenübersaß. Eher schon ein feiner, in Würde ergrauter englischer Gentleman: fast durchsichtig die Haut seines schmalen, legendär in die Länge gezogenen Gesichts, fast zerbrechlich seine eleganten Hände. Zwar vibrierte dazu im Brustkorb ein gewaltiger Bass, aber auch der war gebändigt durch seine wunderbar britische und sehr präzise Aussprache.

Kaum fassbar also, wie viel Angst und Schrecken der Mann im Lauf seiner langen Karriere auf die Leinwand gebracht hat. Er war Frankensteins Monster, er war der größenwahnsinnige Doktor Fu Man Chu, er war der Mann mit dem Golden Colt und der dritten Brustwarze, der James Bond das Leben schwer machte, er war Count Dooku, einer der finstersten Großmeister des "Star Wars"-Universums, und er war bis zuletzt der sinistre Zauberer Saruman, der ganz Mittelerde versklaven wollte, in den sechs Filmen, die Peter Jackson nach J.R.R. Tolkien gedreht hat, vom "Herrn der Ringe" bis hin zur "Schlacht der fünf Heere".

Zum Tod von Christopher Lee
:Mann und Monster

Christopher Lee wurde meist als Ungeheuer besetzt. Aber der britische Schauspieler hatte viel mehr drauf. Ein Rückblick auf seine Rollen.

Vor allem aber war, ist und bleibt er Graf Dracula - eine Rolle, an der sich viele versucht haben, und der er doch als Nachfolger Bela Lugosis, in der Horrorproduktionsmaschine der britischen Hammer Studios, für immer einen unauslöschlichen Stempel aufdrücken konnte.

In diesem Moment, wo die Meldung seines Todes über die Presseticker geht, trauert die Filmwelt also nicht nur um einen ihrer eindrucksvollsten und verlässlichsten Darsteller. Sie trauert auch um eine ganze Galerie großer, unvergesslicher Bösewichter - vielleicht die umfangreichste, die je ein einzelner Schauspieler im Laufe seiner Karriere versammelt hat.

Wie erst jetzt bekannt wurde, starb Sir Christopher Lee am Sonntag, nachdem er kurz zuvor wegen Atemnot und Herzversagen ins Chelsea and Westminster Hospital in London gebracht worden war. Er wurde 93 Jahre alt, und mit seinem Abgang hat zwar der Tod nichts von seinem Schrecken verloren, wohl aber das Leben - es gibt nun niemanden mehr, vor dem man sich im Kino noch vergleichbar fürchten kann.

Warum er diese nachhaltige Wirkung auf die Menschen hatte, wollte ihm allerdings selbst nie ganz einleuchten - auch im "Herrn der Ringe", gestand er einmal, wäre er eigentlich viel lieber Gandalf, der gute Zauberer, gewesen. Der war auch deshalb eine Traumrolle, weil er dessen 1973 verstorbenen Schöpfer J.R.R. Tolkien noch persönlich kannte und verehrte - und als treuer Fan die Gewohnheit hatte, Tolkiens gewaltige "Herr der Ringe"-Trilogie mindestens einmal im Jahr zu lesen.

Als Peter Jackson Ende der Neunzigerjahre an die Verfilmung ging, hieß es offiziell, Christopher Lee sei für Gandalfs Ritte und Kämpfe schon zu alt gewesen. Das mag sein, aber klar ist auch: Als Inbegriff des Guten hätten wir Zuschauer diesen Mann, der so lange schon der Inbegriff des Bösen war, vermutlich nie akzeptiert.

Rumpelstilzchen statt edler Prinz

Welche Präsenz, ja Sexyness er dagegen auf der dunklen Seite der Macht entfalten konnte, zeigen auch seine weniger bekannten Schurkenrollen ganz wunderbar. In Robin Hardys lang vergessenem Kleinod "The Wicker Man" von 1973 etwa spielt er Lord Summerisle, den Herrscher einer sehr entlegenen schottischen Insel. Dort werden, in einem heidnischen Kult, noch Jungfrauen geopfert - der schlaksige Christopher Lee aber regiert, im hautengen Rollkragenpulli, über ein fröhliches, äußerst promiskuitives Treiben. Und zu spät bemerkt der verklemmte Polizist vom Festland, dass er selbst die Jungfrau ist, die hier dran glauben soll . . .

Christopher Lee zum 90.
:Herr der Sonne

Kaum ein anderer Schauspieler wird so eng mit einer Rolle in Verbindung gebracht. "Dracula" alias Christopher Lee wird neunzig. Mehr als 250 Filmrollen machten ihn außerdem zur Mumie, zum James-Bond-Schurken und zum Jedi-Ritter. Die liebste Rolle des Briten war aber die in einem Kultfilm seines Heimatlandes.

Fritz Göttler

Das ist typisch für Lees dunklen Sex-Appeal, der immer auch an die Kräfte der Gegenkultur, des Swinging London, der sexuellen Befreiung anknüpfte - auch wenn er sich selbst lieber als knochentrockenen Konservativen sah. Als Sohn einer italienischstämmigen Contessa und eines britischen Oberstleutnants war ihm eine gewisse Grandezza schon mitgegeben, dazu die aufrechte Haltung des Militärs, auch kämpfte er selbst bei den Special Forces im Zweiten Weltkrieg. Ian Fleming, der James-Bond-Autor, was sein Stiefcousin, ein Hauch von Oberschicht wehte durch all seine Rollen. Und dennoch muss da noch etwas anderes gewesen sein. Auf dem Schweizer Internat von Miss Fisher in Territet, wo er seine allererste Rolle im Schultheater spielte, war der kleine Christopher nämlich auch nicht der edle Prinz - er verkörperte Rumpelstilzchen.

Wenn man so will, ist er dieser frühen Festlegung nie mehr richtig entkommen. Und er hat schon sehr glaubwürdig erzählt, warum das auch manchmal eine Qual war. Nach dem Riesenerfolg des ersten Hammer-"Dracula", den er 1958 für Terence Fisher spielte, verlangte die Horrorschmiede immer neue Fortsetzungen von ihm - teilweise mit durchaus erpresserischen Methoden. Der neueste "Dracula" sei schon mit seinem Namen nach Amerika verkauft worden, hieß es dann immer. Ob er all seine Freunde bei Hammer jetzt arbeitslos machen wolle? Er wollte nicht - und so weist nun seine Filmografie auch keineswegs nur Meisterwerke auf.

Umso schöner, dass Peter Jackson, George Lucas und auch Tim Burton ihm noch einmal große, würdige Altersrollen verschafft haben. So sehen wir ihn nun vor uns, wie der Wind des Jenseits in seine langen, weißen Haare fährt, wie er seinen Zauberstab schwingt und seine Stimme über die dunklen Schluchten der Ewigkeit donnern lässt. Finstere Horden, die er kommandieren kann, gibt es auch dort sicher genug. Das Böse stirbt schließlich nie.

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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