Ein Meister des Grauens war er nicht, wenn man ihm gegenübersaß. Eher schon ein feiner, in Würde ergrauter englischer Gentleman: fast durchsichtig die Haut seines schmalen, legendär in die Länge gezogenen Gesichts, fast zerbrechlich seine eleganten Hände. Zwar vibrierte dazu im Brustkorb ein gewaltiger Bass, aber auch der war gebändigt durch seine wunderbar britische und sehr präzise Aussprache.
Kaum fassbar also, wie viel Angst und Schrecken der Mann im Lauf seiner langen Karriere auf die Leinwand gebracht hat. Er war Frankensteins Monster, er war der größenwahnsinnige Doktor Fu Man Chu, er war der Mann mit dem Golden Colt und der dritten Brustwarze, der James Bond das Leben schwer machte, er war Count Dooku, einer der finstersten Großmeister des "Star Wars"-Universums, und er war bis zuletzt der sinistre Zauberer Saruman, der ganz Mittelerde versklaven wollte, in den sechs Filmen, die Peter Jackson nach J.R.R. Tolkien gedreht hat, vom "Herrn der Ringe" bis hin zur "Schlacht der fünf Heere".
Vor allem aber war, ist und bleibt er Graf Dracula - eine Rolle, an der sich viele versucht haben, und der er doch als Nachfolger Bela Lugosis, in der Horrorproduktionsmaschine der britischen Hammer Studios, für immer einen unauslöschlichen Stempel aufdrücken konnte.
In diesem Moment, wo die Meldung seines Todes über die Presseticker geht, trauert die Filmwelt also nicht nur um einen ihrer eindrucksvollsten und verlässlichsten Darsteller. Sie trauert auch um eine ganze Galerie großer, unvergesslicher Bösewichter - vielleicht die umfangreichste, die je ein einzelner Schauspieler im Laufe seiner Karriere versammelt hat.
Wie erst jetzt bekannt wurde, starb Sir Christopher Lee am Sonntag, nachdem er kurz zuvor wegen Atemnot und Herzversagen ins Chelsea and Westminster Hospital in London gebracht worden war. Er wurde 93 Jahre alt, und mit seinem Abgang hat zwar der Tod nichts von seinem Schrecken verloren, wohl aber das Leben - es gibt nun niemanden mehr, vor dem man sich im Kino noch vergleichbar fürchten kann.