Vertrag gekündigt:In den Grundfesten erschüttert

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Noch residiert das Museum in der Buchegger-Villa im Augsburger Thelottviertel. Nun hat die TU München den Träger-Vertrag gekündigt. (Foto: Arno-Buchegger-Stiftung)

Das Architekturmuseum Schwaben schließt zum Ende des Jahres. Während sich die Träger über die Ursachen streiten, denkt man in Augsburg bereits über einen Neustart nach

Von Sabine Reithmaier

Besonders glücklich war die Beziehung wohl schon länger nicht mehr. Fast 25 Jahre haben die TU München und die Arno-Buchegger- Stiftung im Architekturmuseum Schwaben zusammengearbeitet. Doch jetzt ist Schluss. Denn da die Technische Universität München (TU) ihren Trägervertrag gekündigt hat, wird das Augsburger Haus zum Jahresende erst einmal geschlossen. Voraussichtlich in drei Jahren soll es mit neuem Anbau, neuem Konzept, neuem Direktor, neuem Träger und neuem Namen, also als ganz anderes Haus wieder eröffnen.

Ein inhaltlicher und konzeptioneller Neustart ist genau das, was sich der bisherige Direktor auch gewünscht hätte. Der hat, so sagt er jedenfalls, den alten Vertrag nur gekündigt, um einen neuen auszuhandeln. "Wir bedauern sehr, dass wir nicht zu einem gemeinsamen Konzept gefunden haben", sagt Andres Lepik, Professor für Architekturgeschichte an der TU und als Direktor des Architekturmuseums München zugleich der Leiter der kleinen Zweigstelle in Augsburg, die sein Vorgänger, Winfried Nerdinger, gegründet hatte.

So wie bisher hätte es nicht weitergehen können, sagt der gebürtige Augsburger, das Museum sei einfach unterfinanziert. "Mit 200 000 Euro im Jahr für Ausstellungen und Publikationen kommt keiner über die Runde." Die Lage findet er ebenfalls ungünstig. Das Museum residiert mitten im Thelottviertel in der Villa des Viertelplaners Sebastian Buchegger. Der Architekt schuf hier von 1905 an eine Wohnsiedlung, die sich an der englischen Gartenstadtbewegung orientierte. Der Nachteil: "Es gibt keine Parkplätze, man kommt nur mühsam zu Fuß hin", sagt Lepik. Höchstens 1000 Besucher würden sich im Jahr dorthin verirren. Zudem sei die denkmalgeschützte Villa aufgrund ihrer vielen Fenster und den historischen Holzpaneelen nicht leicht zu bespielen. "Daher halten wir es nicht mehr für zielführend, dort ein Museum zu führen." Eignen würde sich das Haus aber für ein kleines Architekturzentrum mit Tagungen, Forschungen und Residenz-Projekten. "Doch so, wie es jetzt läuft, habe ich das Gefühl, wir investieren zu viel Zeit und Kraft bei einem zu geringem Nutzen für die TU". Als Lepik seine Sichtweise erstmals im Januar 2018 äußerte und andeutete, er werde den Vertrag kündigen, "war die Stiftung total beleidigt", erinnert er sich.

Tatsächlich sei die Ankündigung sehr überraschend gewesen, bestätigt Oliver Kautz, Vorsitzender der Arno-Buchegger-Stiftung. "Wir dachten bis dahin, es sei eine fantastische Möglichkeit für die TU, eine kleine Zweigstelle zum großen Architekturmuseum in München zu betreiben." Schließlich sei der Museumsdirektor in seinen Entscheidungen frei, niemand hätte ihm dazwischengeredet, wenn er das Konzept geändert hätte. Die Stiftung mische sich in den laufenden Betrieb nicht ein - das sei im Vertrag fixiert gewesen. Ihre Vorgaben: drei Ausstellungen pro Jahr und gelegentlich ein Projekt mit Bezug zu Schwaben, da es der Stiftungszweck erfordere, Kunst und Kultur in Schwaben zu fördern.

Dafür stellt die Stiftung die Villa zur Verfügung, finanziert aus den Stiftungsmitteln Personal- und Sachkosten. Eine Garantie, das Museum zu 100 Prozent zu finanzieren, existiert nicht. "Wir haben uns nie als ausschließlicher finanzieller Träger verstanden, sondern die TU sollte eigene Mittel einbringen", sagt Kautz. Bisher, so sein Eindruck, habe das Geld immer gereicht. "Bei der Abrechnung am Jahresende waren meist noch Mittel übrig."

Auch Lepiks Argument, er habe durch die Kündigung nur den Vertrag auf eine neue Basis stellen wollen, kann der Rechtsanwalt nicht nachvollziehen. "Da verhandle ich doch erst und wenn ich zu keinem Ergebnis komme, kündige ich den Vertrag", wundert er sich. "Vorher zu kündigen macht keinen Sinn." Konkrete Änderungswünsche seien nie mitgeteilt worden.

Das sieht Lepik anders. Die Hinweise auf Unterfinanzierung, personelle Unterbesetzung und andere strukturelle Probleme seien nicht ernstgenommen worden, sagt er. Genausowenig wie das Masterprojekt "Reinvent the Museum!". Darin entwickelten Studierende im Sommersemester 2017 neue Perspektiven für das Museum, das Projekt mündete in eine Ausstellung im Museum. Die Stiftung habe die kreativen Konzepte aber als weder realistisch noch umsetzbar abgetan, sagt Lepik. Ein späteres Konzeptpapier der Fakultät für Architektur habe die Stiftung nicht diskutiert.

"In dem Papier hat uns die TU im Januar 2019, also ein halbes Jahr nach der Kündigung des Vertrags im Juli, angeboten, das Museum für eine Probezeit von zwei Jahren zu leiten und dann über eine endgültige Fortführung zu entscheiden", sagt Kautz. Nach fast 25 Jahren ein Affront, fand die Stiftung. Deren Beirat - in ihm sitzt auch Lepiks Vorgänger Winfried Nerdinger - entschied daraufhin, keine Verhandlungen mehr mit der TU aufzunehmen. "Wir akzeptieren das Faktum der Kündigung." Zumal seit 2013, dem Jahr der Amtsübernahme von Lepik, das Museum vernachlässigt worden sei. "Der Ruf des Hauses hat sehr gelitten", sagt Kautz. Es gäbe kein Jahresprogramm mehr, für Ausstellungen entscheide man sich kurzfristig, die Einladungen dazu würden gelegentlich nach der Eröffnung übermittelt. Der Internetauftritt sei mangelhaft gewesen, von intensiver Forschung könne keine Rede sein. "Ich bin kein einziges Mal gefragt worden, ob wir nicht ein Buchprojekt finanzieren könnten." Zu Nerdingers Zeiten habe die Stiftung regelmäßig zusätzlich wissenschaftliche Publikationen bezahlt.

Das Museum schließt am Jahresende. Fünf Architekten sind mit Entwürfen für den Anbau beauftragt, im September soll eine Jury entscheiden. Auch das inhaltliche Konzept des neuen "Zentrums für Architektur" steht weitgehend: Neben der Betreuung von Archiv und Sammlung - das Haus verwaltet zahlreiche Nachlässe schwäbischer Architekten - ist geplant, die Forschung wieder zu intensivieren. Städteplanung und aktuelle Architekturentwicklungen sollen in Vorträgen und Seminaren aufgegriffen werden. Dazu kommen die Ausstellungen; den jeweiligen Kurator bestimmt künftig ein Kuratorium aus Architektur- und Museumsfachleuten. Kautz erhofft sich dadurch ständig neue Impulse. Stattfinden werden die Wechselausstellungen im Anbau; in der Villa schwebt der Stiftung eine Dauerausstellung über Sebastian Buchegger vor. Unklar ist die Frage des Trägers. "Wir verhandeln gerade mit dem Bezirk Schwaben", sagt Kautz. Das sei aber nicht die einzige Option. Er blickt optimistisch in die Zukunft. "Wir wüssten nicht, warum das nicht funktionieren sollte."

Lepik bleibt skeptisch. "Unsere Option waren neue Zielsetzungen, aber wenn jetzt die Stiftung unsere Angebote nicht wahrnimmt, sondern einen anderen Träger sucht, ist das ihr gutes Recht. Ich bin nicht beleidigt." Die TU habe mit ihrem Architekturmuseum in München eine wunderbare Position. Mit jährlich 140 000 Besuchern sei es das besucherstärkste Architekturmuseum im deutschsprachigen Raum. "Wir brauchen kein zweites Standbein." In Augsburg hätte die Chance bestanden, noch einige andere Sachen zu machen. "Aber das müssen wir nicht tun, wenn es die Augsburger nicht wollen."

© SZ vom 03.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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