"Unterwegs mit Mum" im Kino:Reise in die Schuldfalle

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Barbra Streisand mimt in "Unterwegs mit Mum" die überfürsorgliche Mutter eines Putzmittelerfinders. (Foto: dpa)

Sängerin Barbra Streisand ruft ins Gedächtnis, dass sie auch immer eine großartige Schauspielerin ist. In Anne Fletchers Komödie spielt sie die moderne Variante der Übermutter und hält durch liebevolle Querelen mit Film-Sohn Andrew die episodenhafte Nummern-Revue zusammen.

Von Susan Vahabzadeh

Es ist klar, welches Klischee Anne Fletcher in ihrer Komödie "Unterwegs mit Mum" zerfieselt, bevor man Barbra Streisand überhaupt zu sehen kriegt. Erst hören wir sie nur - eine Schleife nutzloser Nachrichten, die sie auf die Mailbox ihres Sohns Andrew (Seht Rogen) spricht, bevor der von der Westküste aus nach New York fliegt, um sie zu besuchen. Brauchst Du irgendwas von The Gap? Nur für den Fall, dass ich da hingehe.

"The Guilt Trip" heißt der Film im Original, das ist die ewige Reise, auf die die stereotype jüdische Übermutter ihre Söhne schickt, eine Art Schuld-Falle. Wie in der Geschichte mit den zwei gleichzeitig geschenkten Krawatten, in der das Tragen der ersten prompt mit einem beleidigten "die andere hat dir wohl nicht gefallen" kommentiert wird. Erstens können so was alle Mütter, zweitens wäre es in einem Film wirklich ein billiges Klischee.

Die Mum, die Barbra Streisand verkörpert, kann so gar nicht sein - die war jung in den Sechzigern, und so spielt sie eine wunderbar modernisierte Variante dieses Klischees, Post-New-Hollywood und im Grunde von jeder religiösen Zugehörigkeit befreit. Joyce Brewster ist eine alleinstehende Frau, Mitteklasse, sie hat ein kleines, verwohntes Haus in New Jersey, ein eigenes Leben und eine Vergangenheit. Aber vom Wohl ihres Lieblings ist sie besessen. Und fest überzeugt, dass er nur an der Westküste lebt, um ihr aus dem Weg zu gehen.

Barbra Streisand zum 70.
:So, wie sie ist

Barbra Streisand entsprach nie dem Hollywood-Ideal und wurde oft als "hässliches Entlein" verspottet. Doch das Mädchen aus dem New Yorker Armenviertel Brooklyn hatte Gold in der Stimme und ein riesiges schauspielerisches Talent - und die Kraft, aus diesem Kapital eine Weltkarriere zu machen. Nun wird die zweifache Oscar-Preisträgerin 70. In Bildern.

So sehr, dass der Liebling sich kaum traut, ihr reinen Wein einzuschenken. Andrew will an der Ostküste Firmen abklappern, die seinen neu entwickelten, ökologisch einwandfreien Universal-Reiniger verkaufen sollen - mit seinem letzten Geld. Das Projekt ist dem Untergang geweiht: Andrew ist der Typ, der in einem Labor groß herauskommt aber nirgends sonst. Der Mutter, die ihn vor ihren Freundinnen anpreist wie einen künftigen Nobelpreisträger, verraten, dass er vor dem Ruin steht - das packt er nicht. Stattdessen steht er einen Abend mit den Freundinnen durch und schleppt Mum schließlich zu einer Single-Party - keine gute Idee.

Spät nachts am Küchentisch erzählt Joyce Andrew dann eine Geschichte: Von dem Jungen, den sie geliebt hat, bevor sie seinen Vater traf. Andy sucht den Namen im Internet, denkt, eine Wiedervereinigung mit dem Typen wäre für Mum das Beste und lädt sie ein, mit ihm auf die Reise zu gehen, um ihr an deren Ende den Liebhaber von einst zu präsentieren. Was los sein wird, wenn sie seinen Plan durchschaut, hat er sich nicht überlegt.

Die Momente die dann auf dieser Reise entstehen, sind alle richtig: Mum erfreut sich an den Fläschchen in den Badezimmern zweitklassiger Motels, ruft bei einer Autopanne gnadenlos Andrews in der Gegend lebende Ex-Freundin an und funkt ihm bei seinen Geschäftsgesprächen dazwischen. Auch letzteres ist Teil einer schönen Modernisierung: Sie weiß nämlich durchaus, wovon sie redet, erkennt, dass seine wissenschaftlichen Erklärungen die Einkäufer der Supermarkt-Ketten zu Tode langweilen und der Name, den er sich ausgedacht hat für den Reiniger - Scieolclean - abschreckend hässlich ist.

Seth Rogen stammt aus dem Ensemble von Judd Apatow, dem derzeitigen Komödien-Gott, der immensen Erfolg hat mit seinem derben Humor . Was Anne Fletcher aus dem Drehbuch von Dan Fogelman gemacht hat, ist Anti-Apatow. Dass Joyce unterwegs an einem Fress-Wettbewerb teilnimmt, und sich in dieser Szene niemand übergibt, ist in der heutigen Komödienlandschaft schon wieder originell.

Gut: Die Reise ist Anne Fletcher - sie hat vorher das Sandra-Bullock-Vehikel "Selbst ist die Braut" und "27 Dresses" mit Katherine Heigl gemacht - zur Nummern-Revue geraten, episodenhaft sind die einzelnen Stationen aneinandergereiht, bis zum großen Finale in San Francisco. Aber das Zusammenspiel ihrer Hauptdarsteller, ihr vertrautes Gezanke, die liebevollen Querelen - das hält die Geschichte dann doch zusammen.

Man vergisst manchmal, dass die grandiose Sängerin Barbra Streisand auch immer eine großartige Schauspielerin war: Sie beherrscht als Komödiantin den kracherten Stil von Ben Stiller, als dessen Mutter sie zuletzt in "Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich" aufgetreten ist, ebenso wie die leisen, Jack-Lemmon-gleich rührenden Elemente des Humors; ihr "Funny Girl", mit dem sie 1968 in William Wylers Film berühmt wurde, war beides - drollig und rührend.

Man kann Fletcher vorwerfen, dass "Unterwegs mit Mum" zu süßlich ist, sich zwischen Mum und Andy keine unüberbrückbaren Differenzen ergeben, sondern nur ein Krach, der schnell vergessen ist - aber das ist vielleicht ein Vorwurf für hochneurotische Selbstmitleidsexperten, die ihr Leben lang all ihre Fehler ihren Müttern in die Schuhe schieben. So gesehen ist der leise, versöhnliche Tonfall, den Fletcher anschlägt, sogar eine Tugend. Andrew Brewster ist erwachsen, und dass er auf dem Weg dorthin aufgehört hat, seine Mutter für ein fehlerfreies Fabelwesen zu halten, gehört dazu.

The Guilt Trip, USA 2012- Regie: Anne Fletcher. Drehbuch: Dan Fogelman. Kamera: Oliver Stapleton. Mit: Barbra Streisand, Seth Rogen. Paramount, 95 Minuten.

© SZ vom 20.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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