Twitter:Haken dran

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Seltener öffentlicher Auftritt: Cormac McCarthy 2009 bei der Premiere der Verfilmung seines Romans "The Road" in New York. (Foto: Evan Agostini/AP)

Stramm konservativ und gegen die Jugend: Twitter fällt auf einen angeblichen Account des Schriftstellers Cormac McCarthy herein.

Von Nicolas Freund

Diese Geschichte verrät mehr über Twitter als über den US-amerikanischen Autor Cormac McCarthy. Von dem ist überhaupt wenig bekannt, am liebsten lässt er seine Bücher für sich sprechen. Vielleicht fielen deshalb Tausende Nutzer, darunter der Kollege Stephen King, auf den gefälschten Account @CormacMcCrthy herein. Auch Twitter selbst ließ sich täuschen und markierte das Profil kurzzeitig mit dem blauen Haken, den es nur an große, verifizierte Userinnen und User vergibt, der aber eigentlich nicht viel zu bedeuten hat: Um einen Account solcherart zu verifizieren, reicht dem Netzwerk nach eigener Auskunft ein prominenter Name, eine offizielle E-Mail-Adresse und dass der Account wenigstens alle sechs Monate genutzt wird. Auf User wirken solche Accounts trotzdem schnell hochoffiziell. McCarthys Verlag hat inzwischen bestätigt, dass der Autor nicht hinter dem Account stehe, was längst erahnen hätte können, wer den Ton seiner finsteren, oft rätselhaften und in der amerikanischen Literatur ziemlich solitären Werke kennt, der in den Tweets kaum aufscheint.

Der Schriftsteller, soviel ist sicher, nutzt eine Schreibmaschine

Es muss aber ein immenses Bedürfnis nach Kommentaren McCarthys zu unserer Gegenwart geben. Und die liefert der Account, der noch immer online ist, mit offenkundiger Ironie - und stramm rechtskonservativ. Twitter-McCarthy wundert sich über Coffeeshops, Disney Plus und Instagram, meist mit Seitenhieben auf demokratische Politiker. "Meine Enkelin hat mich seit Monaten zum ersten Mal besucht, sie hat Disney-Internet oder so einen Unsinn auf meinem Fernseher installiert und mich gezwungen, 'The Mandalorian ' anzuschauen." Er vermutet, dass es bei der "Star Wars"-Serie um die Durchsetzung der Maskenpflicht mit tödlicher Gewalt gehe, der Hauptdarsteller müsse ein Demokrat sein. Der Twitter-McCarthy, von dem man ausgehen kann, dass er wie der reale McCarthy 88 Jahre alt ist, macht sich besonders Sorgen um Millenials, weil die mit 37 Jahren noch Cartoons anschauen und 90 Minuten für einen Avocadotoast anstehen.

Passt das zu dem Autor? Der echte McCarthy arbeitet seit rund 30 Jahren nicht mehr nur als Schriftsteller, sondern berät auch Wissenschaftler am Santa Fe Institute, einer privaten Forschungseinrichtung in New Mexico. Vor ein paar Jahren hat er die Mission des Instituts formuliert. Auf einer Schreibmaschine und mit handschriftlichen Korrekturen. Man wolle junge Talente einladen, die sich mit Umwelt und Nachhaltigkeit beschäftigen. Das Institut biete Studenten einmalige Bildungsmöglichkeiten. "Uns ist es egal, wie jung Sie sind", heißt es da. Klingt gar nicht so Millenial-kritisch. Aber das erfährt man bei Twitter nicht.

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