Choreografin:Klappe halten, tanzen!

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Twyla Tharp schuf Tanzgalaxien, in denen Witz, Glamour und Virtuosität um die Wette funkeln. (Foto: imago/Future Image)

Die US-amerikanische Tänzerin und Choreografin Twyla Tharp hat den Tanz der Avantgarde geprägt - mit viel Kreativität, aber ohne Schonung. Eine von ihrem Beruf Besessene wird 80.

Von Dorion Weickmann

Die Lady auf der Yogamatte zieht und zerrt an sich herum, als trainiere sie für einen Triathlon: Beindehnung, Liegestützen, Nackenbeugung - und überall ist ein extra Hindernis eingebaut. Bei jeder Bewegung flattert der weiße Haarschopf mit, während Twyla Tharp aus dem Off resolut erklärt: "Tänzer müssen arbeiten. Ich muss arbeiten." So hat es die Choreografin ein Leben lang gehalten, und so wird sie es weiter halten. Der 80. Geburtstag, den sie am 1. Juli feiert, ändert rein gar nichts an der Tatsache, dass Tharp künstlerisch und körperlich noch immer das Limit sucht und nichts an Scharfzüngigkeit eingebüßt hat. Genau das zeigt die zweistündige Doku, die der US-Fernsehsender PBS ihr zum Jubiläum verehrt: Porträt einer Powerfrau, die weder sich noch andere schont und das Alter mit der Devise "Shut up and dance!" in Schach hält.

Das hyperaktive Element kennzeichnet schon ihre kalifornische Kindheit. Die kleine Twyla erhält Klavier-, Ballett-, Mal- und Französischunterricht - mehr Input geht kaum. Außer man lebt in New York, wohin Miss Tharp denn auch übersiedelt, um ein Kunstgeschichtsstudium aufzunehmen und parallel bei Tanzneuerern wie Merce Cunningham und Martha Graham in die Lehre zu gehen. 1965 gründet sie ihre eigene Truppe, blitzschnell gehört sie zur Avantgarde. Mit halsbrecherischen Varianten und poppigen Rekombinationen des modernen Tanzvokabulars stößt Tharp die Studiotüren weit auf: Ihre Tänzer bespielen Wald und Flur, Museen und Straßenschluchten als lässig verwegene Draufgänger.

Via Zoom wurde das Ballett am Rhein kommandiert: klar, geschäftsmäßig, straff

Es ist genau die Art Herausforderung, nach der sich auch der klassische Tanz jener Jahre sehnt. Seit den Siebzigerjahren choreografiert Tharp internationale Elitekompanien und schickt dabei Superstars wie Mikhail Baryshnikov in Tanzgalaxien, in denen Witz, Glamour und Virtuosität um die Wette funkeln. Tharps professionelle Besessenheit bringt ihr Engagements am Broadway ein und schließlich beim Film, für den sie Musicals wie "Hair" oder "Amadeus" tanzattraktiv verpackt. Der enorme Erfolg steigt ihr nie zu Kopf, sondern dient einfach als Ansporn für den nächsten Hürdenlauf. Tharp zieht einen Sohn groß, wird mit Preisen überhäuft, schreibt Bücher, darunter die Bestseller "The Creative Habit" und "Keep it moving - Lessons for the Rest of your Life". Ihre wichtigste Botschaft: "Nichts ist schlimmer als Stillstand."

Logisch, dass sie auch im Lockdown die Hände nicht in den Schoß gelegt hat. Via Zoom wurde das Ballett am Rhein kommandiert: klar, geschäftsmäßig, straff - um fünf Uhr früh, Ortszeit New York. Zur Premiere im September kann Twyla Tharp hoffentlich anreisen. Egal, wo sie dann nächtigt: Ihr Düsseldorfer Gastgeber sollte schon mal die Yogamatte ausrollen.

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