TV: Ein Dorf sieht Mord:Das hoppelnde Reh

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Die Frau Pastor hat ein Verhältnis mit dem schreibblockierten Autor, während der Bürgermeister den ganzen Tag herumvögelt. Und die Dorfbewohner sterben wie die Fliegen.

Else Buschheuer

Erst denkt man an ein russisches Märchen. Dieser Wald, dicht und hochstämmig in einem Meer weißwattig blühender Gräser. Der Jäger, der hindurch stapft. Der melancholische Vogelschrei, das hoppelnde Reh. An dieser Stelle bietet sich eine Formel an wie "Aber die Idylle trügt". Aber die verkneifen wir uns.

Eine mysteriöse junge Frau (Lavinia Wilson) taucht im Wendland auf. Sie ist Fotografin und tut, als wollte sie harmlose Bilder schießen. (Foto: Foto: ZDF)

Und überhaupt: Wer sagt, dass es langweilig sei auf dem Land? Der Kreis der Verdächtigen ist zwar kleiner im Falle eines Mordes. Aber durchaus erlesen. Corinna Harfouch ist die "Frau Pastor". Sie unterhält ein Verhältnis mit einem schreibblockierten Autor, Typ altlinker Softie, gespielt von August Zirner. Der Autor spielt ab und zu auf Harfouchs Orgel, aber seinen Wohnungsschlüssel gibt er der Dame lieber nicht. Dann gibt es einen Bürgermeister, der das Dorf im Stil eines Königs oder, besser, Paten regiert. Der Bürgermeister (großartig: Thomas Thieme) zeugt Kinder, schlichtet Streit und unterhält - vornehmlich in Autos - eine Affäre mit der lockigen Frau (Denise Virieux) des Automechanikers.

Wir sind im schönen Wendland. Die Gegend wurde in der Weichseleiszeit geformt, aber seitdem ist viel Wasser die Elbe runtergegangen. Wer "Gorleben" hört, denkt nicht an Märchenwälder. Dieser Landschaftsthriller nach einem Buch von Maarten 't Hart hat einen doppelten Boden. Er handelt vom Verlust der Unschuld, von einem Dorf, das ein dunkles Geheimnis birgt.

Eine mysteriöse junge Frau taucht auf. Sie ist Fotografin und tut, als wollte sie harmlose Bilder schießen. Aber wer in ihr Schneeköniginnengesicht sieht, weiß, dass sie nicht der Typ Frau ist, der sich tagelang im Dorfhotel einmietet, um harmlose Bilder zu schießen. An dieser Stelle darf man das ZDF zu Lavinia Wilson beglückwünschen, die zu den geheimnisvollsten jungen Schauspielerinnen in Deutschland zählt.

Hat es mit der Fotografin zu tun, dass die Dorfbewohner plötzlich wie die Fliegen sterben? Für die Imagination des Autors erweist sich dieser Umstand als günstig - natürlich nur, so lange er selbst am Leben bleibt. "Die Geschichten beginnen erst nach dem Sündenfall", sagt die Fotografin. Eine Anmerkung, für die er ihr das Wohnrecht, um das Frau Pastor seit Jahren kämpft, förmlich hinterherschmeißen wird.

Noch verfügt der Bürgermeister, wenn er nicht grad herumvögelt ("Oh Mann, den ganzen Nachmittag verbumst, muss nach Hause!") kraft seiner Kontakte zur örtlichen Exekutive, dass es sich bei den Leichen um tödlich Verunfallte handelt. Aber dass sich da etwas Unheimliches anbahnt, wenn es nicht schon im Gange ist, das liegt auf der Hand.

Ein Dorf sieht Mord, ZDF, 20.15 Uhr.

© SZ vom 30.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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