Theater:Vielseitige Versuchsanstalt

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Das Spielart-Festival zeigt sich politisch und international

Von Christiane Lutz, München

Noch-Festivalleiter Tilmann Broszat erinnert sich an die Vision aus dem Jahr 1995 für das Spielart-Festival: Man wolle eine "Versuchsanstalt für neue Ästhetiken und Sinncodierungen" schaffen. So verstiegen war Spielart glücklicherweise nie, sondern entwickelte sich zum vielseitigen Theaterfestival. Das wird es auch in seiner 13. Ausgabe vom 25. Oktober bis 9. November sein, wie das am Donnerstag präsentierte Programm zeigt. Sophie Becker, künftige Festivalleiterin, sagt, Spielart sei immer politischer geworden und habe sich in diesem Jahr vor allem Richtung Naher Osten und weiter dem afrikanischen Kontinent geöffnet. Sie stelle fest, dass sich viele Künstler nicht mehr auf eine Nation festlegen lassen wollten. Es sind Arbeiten aus Angola, dem Kongo, Südkorea, den USA, China, Ungarn, Nigeria und mehr zu Gast - eine immense Bandbreite.

Aus dem Kongo ist beispielsweise Faustin Linyekula dabei, Choreograf und Tänzer, dessen Projekt sich mit der Identität des Landes beschäftigt. Aus Beirut kommt Tania El Khoury mit der Uraufführung "As far as my fingertips take me", eine Arbeit über die Begegnung zweier Menschen, die sich nur an Händen und Armen berühren können. Der Wandel Europas steckt auch in vielen Arbeiten. Etwa in "Unter dem Teppich" der Wiener Gruppe "God's Entertainment", für die ein Teppich gewebt wird, sinnbildlich für das, was die Politik darunter verschwinden lässt. Die ungarischen Künstler Kristóf Kelemen und Bence György Pálinkás prüfen in "Hungarian Acadia", warum es offenbar einfacher ist, eine fremde Baumart in Ungarn zu pflanzen, als einen Geflüchteten zu integrieren. Die US-Produktion "No President" des Nature Theater of Oklahoma zeigt ein absurdes Ballett über die Bewachung eines roten Theatervorhangs, ein Symbol westlicher Werte.

Spielart findet an zahlreichen Orten statt, wie immer in den Kammerspielen, aber auch in Museen und Clubs. So wolle man sich noch mehr in die Stadt hinein bewegen. Zum Finale gibt es "New Frequences", eine Art Mini-Festival im Festival, bei dem junge und frisch entdeckte Theatermacher kleine Arbeiten zeigen. Broszat übergibt die Festivalleitung danach an Becker. Ihm zu Ehren wird ein Revival des Audiohörgangs "Kanal Kirchner" von 2001 (Stefan Kaegi und Bernd Ernst), der - aus heutiger Sicht teilweise absurde - Zukunftsängste thematisiert. Auch ein paar kleine Arbeiten der Gruppe "Forced Entertainment" werden zu sehen sein, Stammgäste bei Spielart.

© SZ vom 19.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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