Porträt von Theaterjungstar Gro Swantje Kohlhof:Entschlossenheit der Königstochter

Lesezeit: 3 min

Als Königstochter kämpft Gro Swantje Kohlhof um neue politische Verhältnisse – mit brutalen Mitteln. (Foto: Arno Declair)

Gro Swantje Kohlhof ist zur Nachwuchsschauspielerin des Jahres gewählt worden - dabei ist ihr nicht ganz wohl. In Stefan Puchers "King Lear" will sie nun zeigen, dass sie den Titel verdient hat.

Von Christiane Lutz

Gro Swantje Kohlhof ist Nachwuchsschauspielerin des Jahres 2019; sie spielt am Theater des Jahres in "Dionysos Stadt", der Inszenierung des Jahres. Ach ja, mit dabei in der Inszenierung ist auch Nils Kahnwald, selbstverständlich Schauspieler des Jahres. Das sind ganz schön viele Meriten, die Gro Swantje Kohlhof da von der Zeitschrift Theater heute verliehen bekommen hat und jetzt mit sich herumträgt. Vielleicht erklärt das, warum sie auf die Frage, was ihr diese ganzen Titel gäben, direkt mit "Stress!" antwortet. Die Schauspielerin sitzt, schon mit gekrepptem Haar und knalliger Maske, in der Kantine der Kammerspiele und führt das mit dem Stress aus: "Heißt das, ich muss jetzt was noch viel Tolleres machen, sonst denken alle, die Auszeichnung war ein Unfall? Weil es gerade trendy ist, junge Frauen gut zu finden?" Sie klingt fast überzeugend. Es gebe so viele andere, die genau so hart arbeiteten und weniger Aufmerksamkeit bekämen. Und überhaupt, sie habe ja so viel Glück gehabt, gleich an den Kammerspielen engagiert zu werden. Na schön, lässt sie sich schließlich doch entlocken, vielleicht habe sie auch etwas richtig gemacht, vielleicht ist sie auch ein bisschen gut.

Gro Swantje Kohlhof, 25, ist mehr als ein bisschen gut. Sie ist zunächst ein Bühnen-Flummi: Sie ist, einmal zum Springen gebracht, von jener sympathischen Unermüdlichkeit, wie sie viele junge Schauspieler mitbringen. In ihrem Fall geht die Energie einher mit einer gewissen ihr eigenen Rotzigkeit, die ihren Figuren Kante verleiht. Wie etwa im "Vernon Subutex", als düsteres Emo-Mädchen, oder als finster-forsche Lady Macbeth in "Macbeth". Nun ist sie in Stefan Puchers "King Lear" dabei, die dritte Produktion, mit der die Kammerspiele in die neue Saison, die letzte unter Matthias Lilienthal, starten.

Sie spielt eine von Lears Töchtern, Regan. Diese Tochter will sich gemeinsam mit ihrer Schwester Goneril des alten Vaters entledigen und Platz für das Neue, eine andere Politik zu machen. Die Mittel, zu denen die Schwestern greifen, stehen in Brutalität aber denen der mächtigen Männer in nichts nach. "Es gibt den schönen Satz im Stück: Einmal noch müssen wir's machen wie sie, der Schnitt wird glücken, aber fragt uns nicht, wie." Ihr gefällt die Entschlossenheit der Schwestern: "Die wollen gleiches recht für alle Menschen, die wollen eigentlich Gutes. Wenn sie eine Partei wären, vielleicht würde ich sie wählen." Sie findet es spannend, zu sehen, was passiert, wenn Frauen die gleichen Mittel anwenden, wie Männer. Im "King Lear" deswegen eine Art weibliche Emanzipationsgeschichte zu lesen, findet Kohlhof zwar möglich, für sie aber ist der familiäre Konflikt interessanter. "Ich kann mehr über eine Figur rausfinden, wenn ich sie familiär denke, denn als politische oder feministische Figur."

Der Autor Thomas Melle hat Shakespeares Klassiker für die Kammerspiele neu übersetzt und Szenen teilweise um eigene Worte erweitert. Für die Schauspieler eine Freude; so war es möglich, sich hier und da ein Sätzlein reinschreiben zu lassen, wenn die Motivation der Figur vielleicht nicht ganz schlüssig war. "Melle hat einen wunderbaren Zwischenraum gefunden", sagt Kohlhof, "es ist weder nur der uralte Shakespeare, noch hat man das Gefühl, da versucht jemand krampfhaft, das Stück für die Kids zu adaptieren". Stefan Pucher wird in der für ihn typischen Art zudem versuchen, das Ganze mit Musik und Kostüm popkulturell anzureichern.

Eine Spielzeit lang noch wird Kohlhof über die Bühne der Kammerspiele hüpfen; wohin es sie dann zieht, verrät sie noch nicht. Vermutlich weg aus München, einer Stadt, in der sie nicht recht heimisch wird. Kohlhof ist in Hamburg geboren und hat in Berlin studiert, das Norddeutsche sei ihr näher, sagt sie. Sorgen um ihre berufliche Zukunft muss sie sich wohl keine machen. Denn neben Theater ist sie auch mit Film und Fernsehen gut beschäftigt. Schon als Jugendliche dreht sie häufig: "Ich bin sehr oft in Kellern gesessen und musste mich retten lassen", sagt sie. Weil sie so jung aussah, spielte sie als 16-Jährige immer noch 13-Jährige. "Runterspielen" nennt man das. "Die Mischung aus beidem, Theater und Drehen, bringt mir sehr viel Spaß. Es gibt mir viel, wenn ich auch mal woanders stattfinde."

Sicher sei das stressig und mit einer Festanstellung am Theater schwer zu verbinden. "Ich bin aber noch in der Phase, in der ich lieber mehr mache, als weniger, weil ich alles mitnehmen will." Ihre vage Hoffnung: irgendwann an dem Punkt im Leben zu sein, an dem sie zu ihren Bedingungen arbeiten kann. Sie lacht kurz, "wahrscheinlich kommt der nie, aber irgendwann nimmt man sich diese Freiheit dann einfach." Im Sommer war sie gerade ein paar Wochen im Harz, wo sie ihr neuestes Projekt drehte. Ein Zitat, "Arthaus-Horror-Thriller-Mutter-Tochter-Coming-of-Age-Detektiv-Film". An ihrer Seite: Sandra Hüller, Schauspielerin des Jahres 2019. Wer sonst.

King Lear , Premiere Sa., 28. Sep., 19.30 Uhr, Kammerspiele, Maximilianstr. 26

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: