Theater:Durch die Hölle zu Gott

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Robert Gregor Kühn verkörpert verschiedene Bewohner des Jenseits, darunter den Fährmann Charon. (Foto: Robert Haas)

"Reise ins Ich", ein ungewöhnliches Projekt in der Markuskirche, zeigt die "Göttliche Komödie" als weltlich-geistliches Szenenexperiment

Von Ekaterina Kel

Komm, Dante", sagt Vergil. Und Dante folgt ihm. Die Worte hallen im großen, kühlen Kirchenraum der St. Markuskirche wider. Sie kommen aus dem Mund von Schauspielerin Katharina Friedl. Über ihr verschwindet das Dach ganz oben im Dunkeln, links und rechts neben ihr stehen leere Stühle. Es ist Probe in der Markuskirche. Dort, wo normalerweise die Gemeindemitglieder einer Predigt zuhören, sollen sie für ein paar Tage Zeugen eines Musiktheaterstücks werden. "Reise ins Ich - Eine Göttliche Komödie" lautet der Titel des Stücks. Am Sonntag hat es Premiere.

Noch einmal ausbuchstabiert: In der Version der Markuskirche werden Vergil und Dante von Frauen gespielt. Die persönliche Krise sei ja geschlechtsunabhängig, sagt der Regisseur Jörn Mensching. "Ein kleiner Kniff" genüge schon, damit der altehrwürdige Stoff der "Göttlichen Komödie" von Dante Alighieri aus dem 14. Jahrhundert, auf dem die Stückentwicklung in der Markuskirche basiert, "in die heutige Zeit transferiert" werden kann. Und um die persönliche Krise gehe es ja vor allem hier, so Mensching. Deshalb auch der Titel - die Reise durch alle Höllenkreise und durchs Fegefeuer, die Dante im Original unternimmt, sei eigentlich eine Reise ins Innerste seiner Selbst, auf der Suche nach Antworten auf die ultimativen Sinnfragen des Lebens, die sich jeder stellt. Ob im 14. Jahrhundert oder im 21., die Frage danach, ob das Leben, das man lebt, der Weg, den man eingeschlagen hat, richtig sind, scheint universell zu sein.

Die "Göttliche Komödie" hat sich so fest ins kulturelle Gedächtnis eingebrannt wie kaum ein anderes literarisches Werk. Darin wird Alighieri selbst als Figur namens Dante vom antiken Dichter Vergil in die Hölle begleitet. Er wird Zeuge der grausamen Foltermethoden, mit denen die Sündigen bestraft werden, reflektiert über Leben, Sünde und Tod, und am Ende schafft er es, allerdings ohne Vergil, ins Paradies und findet wieder zu Gott.

Sacha Holzheimer spielt einen baffen Dante, der es kaum fassen kann, in der Hölle gelandet zu sein und darum heilfroh ist, so einen weisen Mann wie Vergil an seiner Seite zu haben. Nun, bei der Probe eine Woche vor der Premiere, steht sie leicht hinter Vergil, vor ihnen der Fluss Acheron in der Unterwelt, zumindest in der Imagination. Charon, gespielt von Robert Gregor Kühn mit einer ausdrucksstarken Stimme, die durch den ganzen Kirchenraum donnert, soll Dante und Vergil über den Fluss bringen, hat aber offenbar gar keine Lust dazu. Mensching bleibt nah am Original, entschlackt und verknappt die tausendseitige Vorlage zu einem dramatischen Szenenspiel und lässt viel Raum für Musik.

Der ist für Michael Roth da. Roth ist Kantor der Kirche und leitet seit beinahe sieben Jahren den Markus-Chor. Er versteht seinen Chor als "vierten Schauspieler", flicht ihn deshalb auch aktiv ins szenische Geschehen ein. Mal sollen sich die Sänger um die drei Darsteller herum formieren, mal sich in Teilen mit ihnen vermengen. Das werde "etwas Besonderes" sein in so einem Kirchenraum, sagt Roth. Ihm schwebe vor, auch an die Kommentar-Funktion des antiken Chors anzuknüpfen. Gesungen werden sowohl gregorianische Gesänge als auch zeitgenössische Vokalkompositionen, zum Beispiel von US-Komponist Eric Whitacre. Er habe die Musik oft assoziativ ausgesucht, sagt Roth, und immer passend zur jeweiligen Szene oder zur Stimmung.

Die Pianistin Anna Sutyagina wird zwischendurch den ersten und zweiten Satz aus Beethovens letzter Klaviersonate spielen. Das soll den Zuschauern die Möglichkeit bieten, innezuhalten und zu reflektieren, so Roth. Immerhin, trotz aller Universalität und aller Parallelen zur heutigen Zeit, inspiziert Dante nichts anderes als die Hölle. Und das ist sicherlich keine leichte Kost. In der Markuskirche ließe sich möglicherweise ein spielerischer Zugang finden.

Reise ins Ich - Eine Göttliche Komödie , So., 7. April, 19.30 Uhr, St. Markus, Gabelsbergerstr. 6, weitere Termine: Mi., 10. und Fr., 12. April, jeweils 19.30 Uhr

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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