Zum Jahresende wechselt Tamara Rojo, seit 2012 Künstlerische Direktorin des English National Ballet (ENB) in London, an die Spitze des San Francisco Ballet. Damit hat die kalifornische Premiumkompanie nicht nur die Nachfolge ihres Langzeitleiters Helgi Tómasson geklärt, sondern erstmals eine Frau auf den Chefposten berufen.
In der europäischen Ballettszene löst Rojos Weggang großes Bedauern aus. Schließlich hat die Ex-Ballerina des Royal Ballet London nicht nur das in jeder Hinsicht sanierungsbedürftige ENB aus der Dauerkrise geführt. Vielmehr steuerte sie einen couragierten Erneuerungskurs für das klassische Repertoire. Auftragsarbeiten wie das Weltkriegsmemorial "Lest We Forget" (2014) oder Akram Khans grundstürzende Revision der "Giselle" (2016) strahlten weit über Großbritannien hinaus. Ihre eigene, coronabedingt verschobene "Raymonda"-Produktion soll dieser Tage herauskommen.
Ballett, so lautet Rojos Überzeugung, muss gesellschaftliche, ästhetische und politische Relevanz beweisen, sonst geht ihm die Puste aus. Und das Geld. Sie selbst ließ nicht locker, bis das ENB ein nagelneues und sehr schickes Dach über dem Kopf hatte. Wer sie dort als Hausherrin beerbt, steht noch nicht fest.