Stefan Heyms Roman "Flammender Frieden":Die Schlacht von Algier

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Kaum kommt der Kriegsroman irgendwo an, ist das Melodram schon da: In Algier werden 1942 nach der Landung der Alliierten amerikanische LKWs entladen. (Foto: akg-images/picture-alliance)

Kein großer Roman, aber ein Zeitdokument: Stefan Heyms Weltkriegsepos "Flammender Frieden" erscheint mit 80 Jahren Verspätung auf Deutsch.

Von Lothar Müller

Vergessen geglaubte Kriegsteilnehmer, die erst nach Jahrzehnten wieder auftauchen, gibt es auch unter den Büchern. Ein solches Buch ist vor Kurzem erschienen. Es ist englischsprachig aufgewachsen, sein Titel "On smiling peace" entstammt einer Zeile aus Shakespeares Kriegsdrama "König Johann", sein Stoff entstammt dem Zweiten Weltkrieg. Es geht auf die achtzig zu, sein Autor ist seit zwanzig Jahren tot. Nun wurde es erstmals ins Deutsche übersetzt. Aus dem Frieden, der bei Shakespeare verführerisch lächelt, aber voller Verrat steckt, ist ein "Flammender Frieden" geworden, wohl nicht nur, weil Buchtitel sich gern mit Alliterationen schmücken, sondern auch, weil es in diesem Roman keinen Frieden gibt, aber viele Explosionen, Abstürze, Granateneinschläge.

Als in Deutschland die Nationalsozialisten an die Macht kamen, war Stefan Heym noch keine zwanzig Jahre alt, aber schon auf dem Weg zur Autorschaft. Bereits als Gymnasiast in seiner Geburtsstadt Chemnitz hatte er mit einem antimilitaristischen Gedicht Anstoß erregt. Die lokale sozialdemokratische Zeitung Volksstimme, die es gedruckt hatte, wurde Anfang März 1933, kurz nach dem Reichstagsbrand verboten. Von Berlin aus, wo er das Abitur abgelegt hatte und Journalist werden wollte, emigrierte Heym zur selben Zeit in die Tschechoslowakei.

Nach zwei Jahren im Prager Exil kam er mit dem Stipendium einer jüdischen Studentenverbindung in die Vereinigten Staaten. Von 1937 bis 1939 war er Chefredakteur der Wochenzeitschrift Deutsches Volksecho, aber zum deutschsprachigen Journalismus trat bald das Publizieren auf Englisch. In der Sprache des Gastlandes publizierte er seine ersten Romane und Erzählungen. Er kannte Europa und schrieb für den amerikanischen Markt, das prägte schon sein Romandebüt "Hostages" (1942) über fünf Geiseln der deutschen Besatzungsmacht in Prag, die in einer Gemeinschaftszelle ihrem sicheren Tod entgegensehen.

Stefan Heym: Flammende Herzen. Roman. Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Mit einer Nachbemerkung des Übersetzers und einem Nachwort von Michael Müller. C. Bertelsmann Verlag, München 2021. 480 Seiten, 24 Euro. (Foto: N/A)

Es wurde auch deshalb ein großer Erfolg und ein Jahr später in Hollywood verfilmt, weil Heym die politisch-antifaschistische Kernhandlung des Romans - auf Deutsch erschien er erst 1958 unter dem Titel "Der Fall Glasenapp" - mit breit ausgemalten melodramatischen Elementen verknüpft hatte. "Of smiling Peace" war Heyms zweiter Roman. Als er ihn im Herbst 1943 zu schreiben begann, war er bereits Bürger der Vereinigten Staaten und Mitglied der US-Armee.

In Camp Ritchie in Maryland absolvierte er das Ausbildungsprogramm, mit dem die Armee Emigranten aus Deutschland und Österreich, darunter viele Juden, in psychologischer und publizistischer Kriegsführung schulte und auf den Einsatz in Europa vorbereitete. Dass Heym seinen neuen Roman auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz ansiedelte und mit der Landung der Alliierten in Algier Anfang November 1942 beginnen ließ, mochte mehrere Gründe haben.

Zum einen hatten die deutsch-italienischen Verbände der Heeresgruppe Afrika bereits im Mai 1943 kapituliert, und auch wenn der Roman vor diesem Zeitpunkt endete, war klar, dass hier von einer Niederlage der deutschen Wehrmacht erzählt wurde, wie sie zuvor schon - weit katastrophaler - in Stalingrad stattgefunden hatte. Zum anderen war Ende 1942 der Film "Casablanca" herausgekommen, in dem wie in der Verfilmung von Heyms "Hostages" viele Emigranten auftraten, und hatte den nordafrikanischen Kriegsschauplatz populär gemacht. Und schließlich konnte Heym, der nie in Nordafrika gewesen war, seinen Anschauungsmangel durch Gespräche mit fronterfahrenen Soldaten der Armee und Recherchen in der Bibliothek von Camp Ritchie ausgleichen, die Dokumente zum Kriegsverlauf in Afrika enthielt.

Im Zentrum des Weltkriegsmelodrams steht eine französische Geliebte

Vor allem aber schrieb Heym, der in die Schule des Journalismus gegangen war, schnell. Dass er die Rohfassung des Manuskripts in wenigen Monaten erstellte, hatte auch damit zu tun, dass ihm die Form des Romans keinen Widerstand entgegensetzte. Er hatte die Melange von politisch-aktuellem Zeitroman und Melodram im besetzten Prag der "Hostages" erprobt, nun erprobte er sie auf einem neuen Schauplatz, mit stark erweitertem, über Europa hinausgreifenden Personal.

Zu Hauptfiguren machte er den deutschstämmigen Amerikaner Bert Wolff, dem als ehemaligem Insassen eines Konzentrationslagers und Spanienkämpfer die Erfahrung des Opfers und der Niederlage gegen den deutschen Nationalsozialismus in den Knochen steckt, und als sein Gegenüber den zynisch-arroganten Major Ludwig von Liszt, Mitglied im deutschen Generalstab, der von den Truppen der Alliierten aus seiner komfortablen Existenz in Algier vertrieben wird.

Zu dieser Existenz gehört das Aus- und Eingehen im Haus seiner Geliebten, der Französin Marguerite Fresneau. Sie ist das Zentrum des Melodrams, das einsetzt, kaum hat mit der in Nahsicht geschilderten Landung des Sergeanten Shadow McManus an der algerischen Küste der Kriegsroman begonnen. Shadow ist eine von vielen Figuren zwischen einfachem Soldaten und General, in die Heym seine Hommage an die US-Armee aufgefächert hat. Eine große Anzahl überlebt die drastischen Kampfszenen nicht, jeder einzelne Tod beglaubigt die Warnung: man darf die Deutschen nicht unterschätzen, auch wenn sie wanken.

Nachdem er in der Nachkriegszeit McCarthy-Amerika verlassen hatte, ging Stefan Heym über Prag in die DDR, wurde ein gepriesener Autor, geriet später in Konflikte mit der SED-Führung und unterstützte die Bürgerrechtsbewegung. (Foto: Marcel Antonisse / Anefo/Nationaal Archief)

Marguerite Fresneau stammt aus dem doppeldeutigen Vichy-Frankreich, das in "Casablanca" in Szene gesetzt ist. Sie kann zur Heldin des Melodrams, die das Begehren aller männlichen Protagonisten einschließlich des guten Amerikaners Bert Wollf auf sich zieht, nur werden, weil sie mehr ist als eine Verkörperung des Opportunismus und der Kollaboration der Vichy-Welt. Es steckt eine barmherzige Samariterin in ihr, die sich um die Toten und Verwundeten nach dem Absturz einer deutschen Junker-Maschine kümmert, zudem eine aufrichtig Liebende, die zum Opfer eines veritablen Liebesverrats werden kann.

Wie alle "Ritchie Boys" war Stefan Heym psychologisch geschult und in Verhörtechniken unterwiesen worden. Seinem Helden Bert Wolff, der Verhöre als geistiges Duell begreift und die Gestapo-Methoden verurteilt, bei denen der Verhörte durch physische Gewalt gebrochen wird, kommt dieses Wissen im zähen Kampf mit dem Schurken Ludwig von Liszt zugute. Verhöre in Romanen lassen sich, wie Arthur Koestlers "Sonnenfinsternis" zeigt, zur Analyse der politischen Welt nutzen, in denen sie stattfinden. Den Ehrgeiz, eine solche Analyse im Blick auf Ludwig von Liszt oder die Selbstreflexionen des Antifaschisten Bert Wolff zu entfalten, hatte der junge Stefan Heym nicht.

Sein Roman setzt ganz auf die Kampfszenen und das Intrigenspiel zwischen den Deutschen, den Alliierten und dem zwielichtigen Chef des aus alter französischer Kolonialtradition stammenden Bataillon d'Afrique, auf Gefangennahme und Flucht des Schurken quer durch die Wüste, auf die Vorzeichen der Niederlage im Gesicht eines deutschen Generals in Tunis. Kaum kommt der Kriegsroman irgendwo an, ist das Melodram schon da, vorangetrieben von einer sehr alten Figur der Kriegsliteratur, der Frau als Trophäe des Siegers. Stefan Heym inszeniert sie durchgängig als sexuelles Faszinosum. Von zynischen Sprüchen begleitet, darf sie überleben. Dass ihr Einlaufen in den Hafen der Ehe und Resignation am Ende des Romans steht, kommt nicht von ungefähr. Das Melodram hat in "Of smiling Peace" gegenüber dem historisch-politischen Zeitroman stets das letzte Wort.

Als das Buch in der englischen Originalausgabe im Herbst 1944 erschien, waren die Alliierten bereits in der Normandie gelandet. Sein Autor ließ es in der Vergangenheit zurück und mochte darin nur ein Übergangswerk zu seinem internationalen Erfolgsroman "The Crusaders" ("Der bittere Lorbeer", 1948) sehen. Ein bedeutender Roman ist dieses Werk in der Tat nicht, das musste und wollte es nicht sein. Aber ein Zeitzeuge. Das lässt sich nun in der dialogsicheren Übersetzung von Bernhard Robben nachlesen, die den Kolportageelementen der Vorlage nicht ausweicht. Ein Nachwort von Michael Müller informiert knapp über die Entstehungsbedingungen.

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