Wenn sich um den frühen Juli herum die Luft so weit erwärmt hat, dass sie die Schallwellen schneller durch die Straßen trägt, als im kalten Rest des Jahres, und all die Songfetzen aus Kneipen, Gärten, Autofenstern deutlich an Präsenz gewinnen, machen sich Popkritiker gerne Gedanken darüber, welche Lieder denn diesen Sommer prägen und so zum Soundtrack der Erinnerungen werden. Es stellt sich allerdings erst einmal die Frage, ob es im Jahr eins nach Pharrell Williams überhaupt noch einen Sommerhit geben kann.
Das war "Shock and Awe" im letzten Sommer: Erst lancierte er den Ohrwurm "Blurred Lines" mit Robin Thicke. Dann fusionierte er für Daft Punk die unwiderstehlichen Rhythmus-Signaturen von Nile Rogers und Giorgio Moroder zu "Get Lucky". Und im November veröffentlichte er den Zeichentrickfilmsong "Happy" als Single, der ein halbes Jahr später immer noch keine anderen Hits neben sich duldet.
WM-Kracher und rückgratlose Jammerlappen
Erschwerend hinzu kommen die Fußballweltmeisterschaft mit ihren La-Ola-Kracherln, die "Occupy EDM"-Ambitionen der rückgratlosen Jammerlappen von Coldplay und Lana del Rey, die für erwachsenere Menschen so klingt, als habe jemand einen Stapel Kate-Bush-Singles mit 33 Umdrehungen abgespielt. Doch so ein Sommer wie dieser ist nicht die Zeit, um die Hoffnung aufzugeben. Man kann sich ja auch mal anhören, was Pharrell Williams alles richtig gemacht hat.
Was einem da im Kielwasser von "Get Lucky" als erstes unterkommt, ist eine Londoner Gruppe namens Jungle. Ein Album haben sie noch nicht veröffentlicht (soll irgendwann im Juli kommen) und ihren Song "Busy Earnin'" gibt es nur als Maxisingle, Download oder Soundcloud-File. Das ist zwar modern, aber nicht sehr massenkompatibel.
Doch da ist eben dieser Rhythmusteppich, der die breitflächigen Akkordwirbel, die geschickt dagegen synkopierten Bassfiguren und spitzen Elektrosignale so kunstvoll über nervös nach vorne zischende Hi-Hat-Becken schichtet, bis dieser Effekt eintritt, den Stephen Frears in seiner Nick-Hornby-Verfilmung so brillant inszeniert hat. Da legt John Cusack in seinem Plattenladen einen Song der Beta Band auf, der sämtliche Besucher im Raum wie nebenbei dazu zwingt, irgendeinen Teil ihres Körpers in die seismischen Schwingungen des Grooves zu versetzen.