Schriftsteller Thaddäus Troll:Unfähig zum Ausbruch

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Hans Bayer als Mitglied der NS-Propagandakompanie (Foto: privat)

Bis heute ist Thaddäus Troll für seine Unterhaltungsliteratur bekannt, im Zweiten Weltkrieg war er unter seinem Geburtsnamen Hans Bayer Kriegsberichter an der Ostfront. Eine Berliner Ausstellung zeigt die Karriere eines Mannes, der sein Tun während der NS-Zeit nie verarbeitet hat.

Von Matthias Kohlmaier

"Aber schwäbisch sott ma scho verstanda", heißt es in einer Rezension zu Thaddäus Trolls 1976 erschienenem Theaterstück "Der Entaklemmer". In seiner Adaption von Moliéres "Der Geizige" spürt der Journalist, Schriftsteller und schwäbische Mundartdichter der "saumäßigen" schwäbischen Sparsamkeit nach - "Entaklemmer" ist ein schwäbisches Synonym für den aus der Umgangssprache bekannten Geizkragen.

Durch derlei humoristische Blicke auf seine Herkunft, aber auch viele Romane, Satiren und Zeitungsartikel wurde Troll in der Nachkriegszeit und darüber hinaus bekannt. Dass er schon während des Zweiten Weltkriegs unter seinem Geburtsnamen Hans Bayer als Kriegsberichterstatter und Journalist im nationalsozialistischen Deutschland Karriere gemacht hatte, ist ein bis dato kaum geläufiger und wissenschaftlich wenig beleuchteter Umstand. Eine Berliner Ausstellung will das ändern.

"Hans Bayer. Kriegsberichter im Zweiten Weltkrieg" heißt die Schau in der Dokumentationsstätte "Topographie des Terrors". Sie zeigt einen Mann, gefangen in einem diktatorischen System, aber unfähig, den Ausbruch zu wagen. "Ich würde sagen: Er war kein Nazi. Aber ich würde ihn als Mitläufer und auch als Mitwisser einstufen", sagt Claudia Steur, Kuratorin der Ausstellung, über Bayer und fügt an: "Er war kein mutiger Mann."

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war Hans Bayer 25 Jahre jung. (Foto: privat)

Bayer selbst schrieb im Februar 1978, zwei Jahre vor seinem nach schwerer Depression gewählten Freitod, über die Zeit während der NS-Herrschaft: "Ich nehme es keinem alten Nazi übel, wenn er damals nicht die intellektuelle Fähigkeit hatte, das Unrecht zu erkennen. Ich nehme es unsereinem sehr viel mehr übel, die wir es erkannt haben, nicht aber den Mut hatten, diese Erkenntnis zu äußern."

Zu Kriegsbeginn hatte Bayer jedoch, gerade zum Dr. phil. promoviert, solche Sorgen offensichtlich noch nicht. 25-jährig und wenn nicht kriegsbegeistert so doch zumindest karriereinteressiert, bewarb er sich freiwillig bei der Propagandakompanie (PK). Deren Aufgabe war es, im Sinne der NS-Oberen vom Kriegsgeschehen zu berichten und damit Moral und Zutrauen der Heimatfront zu stärken. Propagandaminister Joseph Goebbels beschrieb die Arbeit der PK-Mitglieder folgendermaßen:

"Der PK-Mann ist kein Berichterstatter im herkömmlichen Sinne, sondern ein Soldat. Neben Pistole und Handgranate führt er noch andere Waffen bei sich: die Film-Kamera, die Leica, den Zeichenstift oder den Schreibblock."

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Humor, für die Nazi-Propaganda instrumentalisiert: In den dreißiger Jahren erschien eine Sammlung von Karikaturen auf Adolf Hitler aus nationaler und internationaler Presse. "Vom Führer genehmigt" und in seinem Sinne umgedeutet. Aus heutiger Perspektive kündigten die Bilder eine düstere Zukunft an. Eine Auswahl.

Matthias Kohlmaier

In Tagebuch- und Taschenkalendereinträgen sowie Brieffragmenten Bayers stellt die Berliner Ausstellung nun eindrücklich dar, was der junge PK-Mann bei seinen Missionen an der Ostfront gedacht und gefühlt hat, wie er den Krieg und seine Rolle darin wahrnahm. Er sehe hier "die Urkräfte des Menschen wüten, sehe wie er raubt, mordet, plündert, quält", schrieb Bayer im August 1941. In anderen Zitaten schwankt er zwischen Furcht vor dem Krieg und grausiger Soldatenromantik. Fast sarkastisch stellt er fest: "Der Krieg ist ein furchtbares Feuer und es ist schwer, ihn mit allen Fasern mitzumachen und sich nicht zu beschmutzen." Trotzdem habe "die Gefahr doch wieder etwas ungemein Lockendes an sich".

Gegliedert in fünf Abschnitte, präsentiert Kuratorin Steur die Ausstellung über Bayers Leben im Krieg und danach. Auf Steelen leiten Bilder aus Lebensphasen Bayers die einzelnen Abschnitte ein, die Ausstellung schlängelt sich durch den Raum. Als "Lebensband" will die Kuratorin die Aufmachung des Projekts verstanden wissen, denn das Leben des Journalisten und Soldaten Hans Bayer sei alles andere als schnurgerade verlaufen.

Die Ausstellung "Hans Bayer. Kriegsberichter im Zweiten Weltkrieg", gestaltet als "Lebensband". (Foto: Daniel Finke)

Seine Vorgesetzten scheinen während des Krieges zufrieden mit seinen Leistungen zu sein, was Bayer schließlich sogar das Amt des Chefredakteurs der Armeezeitung Der Sieg einbringt. August 1944 ist es bereits, der Krieg für das Hitlerreich längst verloren, da schreibt Bayer in seinem ersten Leitartikel für das Blatt schwülstig-patriotisch: "Erweisen wir uns durch Standhaftigkeit des Wunders würdig, das am 20. Juli Herz und Hirn des deutschen Volkes, das unseren Führer gerettet hat!"

Zweifel an der Politik eben dieses Führers zeigt Bayer in den folgenden Monaten immerhin dadurch, dass er sich ins Feuilleton zurückzieht. Den "Stürmer-Ton", den sich die Herren da oben nun wünschten, könne er nicht liefern, schreibt er in sein Tagebuch. Als Auflehnung gegen das barbarische System will das Kuratorin Steur nicht durchgehen lassen, die Bayer vielmehr Opportunismus unterstellt: "Er hat versucht, in dieser Diktatur und in diesem Krieg durchzukommen, so gut es eben geht."

Nach dem Krieg und kurzer britischer Kriegsgefangenschaft, auch das zeigt das Projekt in der "Topographie des Terror", machte sich Bayer schnell als Journalist und Schriftsteller besonders im Genre der Unterhaltungsliteratur einen Namen. Politisches schrieb er kaum, wenngleich er mit Kollegen wie Günter Grass Wahlwerbung für die SPD machte. Als Lehre aus der NS-Zeit engagierte sich Bayer zudem intensiv für Demokratie und Pressefreiheit.

Eine deutsche Journalistenkarriere

Einzig mit seiner Vergangenheit, mit dem, was er im Krieg gesehen und gewusst hatte, konnte sich der Mann, der sich mittlerweile Thaddäus Troll nannte, nie arrangieren. Die Mutmaßung liegt laut Expertin Steur nahe, dass die verpasste Aufarbeitung des Erlebten zu den schweren Depressionen geführt habe.

Und so zeigt die Ausstellung über Bayers/Trolls Leben in Berlin am Ende nicht nur eine sehr deutsche Journalistenkarriere im Zweiten Weltkrieg und darüber hinaus. Sie zeigt auch einen Mann, der sich über vieles Unrecht im Klaren war, aber wie so viele nicht die Kraft hatte, dagegen zu rebellieren. "Die für mich erschütterndste Geste hat Willy Brandt getan, als er stellvertretend für meine Generation in Warschau auf die Knie ging", notierte Thaddäus Troll 1972. Er selbst konnte den Krieg in all den Jahren nie ganz abschütteln.

Hans Bayer - Kriegsberichter im Zweiten Weltkrieg. Topographie des Terrors, Berlin, bis 16. November. Info: www.topographie.de

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