Sänger Schmyt:Das Herz, schön verpackt vor der Tür

Lesezeit: 2 min

Mag Blumen: Sänger Schmyt. (Foto: Lea Bräuer)

Was bleibt, nachdem der Rap alles überrollt hat: Eine Begegnung mit der Deutschpop-Hoffnung Schmyt.

Von Eva Goldbach

Die Fans haben ihm Tulpen mitgebracht. Und Flieder. Ein bisschen theatralisch vielleicht für ein Konzert in einer Ecke, in der München fast wie eine Großstadt aussieht - und klingt. Eine S-Bahn-Brücke ist gleich neben dem Club, der "Strom" heißt und kleiner ist als die, die Schmyt seit der Veröffentlichung seines Albums "Universum regelt" ausverkauft. Züge rattern laut über die Brücke und drinnen, bei den Blumen und den Fans, singt Schmyt jetzt: "Der Flieder blüht, als hätt' ich all das nie gesagt/ Unsere Namen auf der Bank sind übermalt." Und er singt: "Ich zertrete ein paar Tulpen im Park/ Weil ich seit dir schöne Dinge nicht mehr mag". Stimmt schon, dieser Julian Schmit, wie er bürgerlich heißt, mag es, nun ja: blumig.

Er mag auch den großen, herzbelagernden Pomp, und dass seine Balladen trotzdem selten wirklich kitschig werden, ist einer der Gründe, warum Schmyt gerade einer der spannendsten deutschen Popstars ist.

(Foto: N/A)

Also, nicht falsch verstehen: Die Theatralik ist schon da und auch der Kitsch. "Ich leg' dir mein Herz schön verpackt vor die Tür, ja/ Sind ein paar Knitter drin, doch du weißt, die sind eh von dir." Aber da sind eben auch diese bläulich schimmernden Synthies, die Trap-Beats, das verschwommene Auto-Tune. Nach Features mit Haftbefehl oder Majan hatte man womöglich ein Rap-Album erwartet. Die Playbacks sind aber langsamer, die Wort-Frequenz geringer. Und der Vibe nachdenklicher.

Manchmal regt sich sogar seine eigene Mutter über die Artikulation ihres Sohnes auf

"Deutscher Popmusik hat es gutgetan, dass der Deutschrap eine Zeit lang alles überrollt hat", sagte Schmyt vor dem Konzert im Backstageraum des "Strom". Gewiefter Gedanke hier. Er macht schließlich selbst die Art Pop, die sich aus den Resten der Überrollung erhebt. Urban geschult, breitbeinige Geste, viel Emotion. Gute Lakonie aber auch, wenn es politisch wird: "Noch zwei Prozent und dann regier'n hier wieder Nazis/ Noch einen Stempel dann hast du'n Döner gratis." Wenn ein Song nur ein Ass im Ärmel habe, sagt er im Backstageraum noch, "ist das ein bisschen zu wenig". Anderer Song, aber auch ziemlich toller Satz: "Wenn du mich je verlässt, darf ich dann mitkommen?"

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Im Musikvideo zu "Liebe verloren" sitzt Schmyt allein in einem grauen, bunkerähnlichen Raum, spielt weiche Klavierakkorde und singt von Verlust über Auto-Tune-verzogene Chöre. Kein Wirbel, eher minimalistisch inszenierte Tragik, die leise nachhallt. Und eben diese Stimme. Ein wunderbar Hustensaft-traniges, zähes Fließen, die Silben vernuschelt, als fielen sie, nur halb vorgekaut, aus seinem Mund. Manchmal, erzählt Schmyt, regt sich sogar seine eigene Mutter über die Artikulation ihres Sohnes auf.

Mit dem sehr souligen Genuschel und Gekaue konnte er im vergangenen Jahr allerdings auch in den Colorsxstudios überzeugen. Die Videoserie der Musikplattform ist ja immer noch ein Ritterschlag - gerade für Sänger. Die Bedingungen, die sie dort stellen: ein Take, kein Auto-Tune, maximal fünf Versuche. "Ich wünscht du wärst verloren", das er dort spielte, wechselt sehr, sehr elegant zwischen Leichtigkeit und Schmerz. Genau wie das Album, das mit dem ganz sanft pulsenden "Mach kaputt" endet. Toller Hook: "Funny, dass manchmal nur ein Gramm Weed / mehr als ein verdammter Kleinwagen wiegt." Dann tritt Schmyt zurück. Macht Platz für den Rapper OG Keemo. Noch so eine Hoffnung für den deutschen Pop. Starkes, irre bescheidenes Konzept: Dem Gast bleibt die letzte Zeile auf dem Album. Sie lautet: "Ich lasse los."

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