Salzburger Festspiele 2023:Die Welt ist aus den Fugen

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Der Schriftzug der Salzburger Festspiele an einer Eingangstür. (Foto: Barbara Gindl/dpa)

Spannungsreich und überbordend: das Programm der Salzburger Festspiele 2023.

Von Egbert Tholl

Wer glaubte, Teodor Currentzis und sein Ensemble MusicAeterna wären bei der Präsentation des Programms der Salzburger Festspiele für den Sommer 2023 noch ein großes Thema, der sah sich getäuscht. MusicAeterna kommt bei den Festspielen nicht vor, Currentzis sehr wohl. Mit seinem neuen Ensemble Utopia wird er konzertant Henry Purcells "The Indian Queen" aufführen (31. Juli und 2. August) und zwei Mal Mozarts c-moll-Messe in Sankt Peter.

Es herrscht Gelassenheit in Salzburg, auch wenn Intendant Markus Hinterhäuser sagt, man habe schon mal entspanntere Zeiten bei den Festspielen erlebt; er rekurriert damit natürlich auf Krieg und Pandemie, aber auch auf die "zahlreichen Angriffe" gegen die Festspiele in diesem Jahr, etwa bezüglich fragwürdigen Sponsorings, was inzwischen bereinigt ist. Jenseits davon waren die Festspiele 2022 fast so erfolgreich wie die Rekordausgabe von 2019, wie der Kaufmännische Direktor Lukas Crepaz berichtet; die Einnahmen entsprachen dem Volumen von 2019, die Auslastung liegt bei 96 Prozent.

Die Festspiele 2023 beginnen am 20. Juli mit Olivier Messiaens "Éclairs sur L'Au-delà" für sehr großes Orchester, Heinrich Schütz' "Musikalischen Exequien" sowie dem "Sonnengesang" von Sofia Gubaidulina, umspannen am ersten Tag also Jahrhunderte der Musikgeschichte - die sogenannte "Ouverture spirituelle", die erste Woche der Festspiele zur Einleitung, war schon immer gekennzeichnet durch die größtmögliche Freiheit der Programmierung.

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Setzt die Oper ein, kommt man in vertrautere Gefilde. Die erste Premiere ist Mozarts "Le nozze di figaro", inszeniert von Martin Kušej, dirigiert von Raphaël Pichon. Mozart jage mit dem "Figaro" spielerisch "eine ganze Welt in die Luft", so Hinterhäuser. Der Festspielintendant vertraut darauf, dass Kunst zeigen könne, wie sehr die Welt aus den Fugen sei; er meint das nicht tagespolitisch aktuell, eher im Sinne einer "Vermessung der Welt". Dafür liefert zweimal Verdi den Stoff: mit dem frühen "Macbeth", dem Drama vom Irrewerden an der Macht, und dem späten "Falstaff", Feier des Lebens, der Respektlosigkeit, vielleicht aber auch Weltflucht. Im "Macbeth" gibt Asmik Grigorian ihr Debüt als Lady, es dirigiert Franz Welser-Möst, Regie führt Krzysztof Warlikowski. "Falstaff" leitet Ingo Metzmacher musikalisch, Christoph Marthaler inszeniert. Dazu kommen Glucks "Orfeo ed Euridice" als Übernahme von Pfingsten und - ein Knaller - Bohuslav Martinůs "Griechische Passion", dirigiert von Maxime Pascal, inszeniert von Simon Stone. Keine der Opern wird von einer Frau dirigiert. Der "behutsame, aber klare Generationenwechsel", von dem Hinterhäuser spricht und den er mit Dirigenten der jüngeren Generation wie Pascal und Pichon einleitet, ist also noch ausbaufähig.

Das Konzertprogramm ist überbordend wie gewohnt, inklusive einem Schwerpunkt mit Werken György Ligetis. Zwei Liederabende seien hervorgehoben: Evgeny Kissin begleitet Renée Fleming, Asmik Grigorian singt Lieder aus dem russischen Repertoire. Insgesamt gibt es bei den Festspielen 213 Aufführungen in allen Sparten, dazu kommt noch ein Sonderprogramm anlässlich des 150. Geburtstags von Festspielgründer Max Reinhardt. Die Hälfte der mehr als 212 000 aufgelegten Karten kosten, so Crepaz, unter 110 Euro.

Das Kinder- und Jugendprogramm wird ausgebaut, auch das Schauspiel bietet im letzten Jahr unter der Leitung von Bettina Hering mehr als zuletzt. Über die neue "Jedermann"-Besetzung mit Michael Maertens und Valerie Pachner wurde schon berichtet. Wie üblich sind die meisten Schauspielinszenierungen koproduziert, eine nicht: Ulrich Rasche inszeniert das Drama der Toleranz schlechthin, Lessings "Nathan der Weise" auf der Perner-Insel. Karin Henkel adaptiert im frisch renovierten Landestheater in Koproduktion mit den Münchner Kammerspielen Michael Hanekes oscarprämierten Film "Liebe" (Amour). Helgard Haug von der Gruppe Rimini Protokoll inszeniert Brechts "Kaukasischen Kreiskreis", Jorinde Dröse den Roman "Die Wut, die bleibt" von Mareike Fallwickl. Und eine Tanzproduktionen ist auf der Perner- Insel zu Gast: "Into the hairy" von Sharon Eyal.

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