"Rex Gildo - Der letzte Tanz" im Kino:Der schwule Schlagerstar

Lesezeit: 3 min

Der junge Rex und sein Entdecker (Kilian Berger und Ben Becker). (Foto: MissingFilms)

Rosa von Praunheim hat ein Dokudrama über das Schattenleben der Entertainer-Legende gedreht: "Rex Gildo - Der letzte Tanz".

Von Josef Grübl

Rosa von Praunheim, Regisseur, Aktivist und Doyen der deutschen Schwulenbewegung, ist ein notorisch neugieriger Mensch. Bei einem Treffen vor ein paar Jahren in Berlin zum Beispiel war die Idee natürlich, ihn zu interviewen, man hatte dafür einen ganzen Block mit Fragen vollgekritzelt; doch Praunheim stellte mindestens ebenso viele Fragen. Er redet gern und viel, manchmal auch über das, was andere Leute lieber verschweigen würden. Vor gut dreißig Jahren zum Beispiel outete er in einer Fernsehshow Prominente wie Hape Kerkeling und Alfred Biolek als homosexuell. Das kam bei den betroffenen Männern damals eher mittelgut an, auch wenn Kerkeling und Biolek sich später wieder versöhnlich über den Vorfall äußerten.

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Andere Prominente blieben vorerst ungeoutet, manche bis an ihr Lebensende. Rex Gildo etwa. Der Schlagersänger und Schauspieler war ein Superstar der Sechziger- und Siebzigerjahre. Er sang, tanzte, verkaufte 40 Millionen Schallplatten und spielte in vielen Unterhaltungsfilmen mit. Spekulationen über seine angebliche Homosexualität gab es immer wieder. Offiziell war er verheiratet, allerdings mit seiner Cousine. Inoffiziell waren wohl er und sein Manager Fred Miekley ein Paar.

"Hattest du Sex mit Rex?": Rosa von Praunheim interessiert sich in seinem Film vor allem für eine Sache

Der deutlich ältere Miekley entdeckte den als Ludwig Franz Hirtreiter im niederbayerischen Straubing geborenen Verkäufer Mitte der Fünfzigerjahre, fortan sollte er ihn als "Onkel" durchs Leben begleiten. 1988 starb Fred Miekley, da hatte der Niedergang seines Schützlings bereits begonnen. Die Boulevardpresse machte sich über den alternden "Sexy Rexy" lustig, der ein pechschwarzes Toupet trug und Alkohol- und Medikamentenprobleme hatte. In den letzten Jahren trat er in Baumärkten und Möbelhäusern auf. Im Oktober 1999 starb er nach einem Sturz aus dem Fenster seiner Münchner Wohnung. Er wurde 63 Jahre alt.

Eine mustergültige Praunheim-Figur, weshalb der Regisseur einen Film über ihn gemacht hat: "Rex Gildo - Der letzte Tanz" ist ein Dokudrama über ein deutsches Schlagerleben. Es geht um die Verlogenheit einer Branche, die der bundesrepublikanischen Gesellschaft genau das vorspielte, was sie von ihr erwartete. Ihre Stars lebten in einer heilen Welt, waren freundlich und lächelten immer, durften nicht altern oder andersartig sein.

Es geht aber auch um Rosa von Praunheim selbst, wie fast in allen seinen Filmen. So verknüpft er die eigene Biografie mit der des nur wenige Jahre älteren Rex Gildo: In seiner Jugend habe er oft zu dessen Musik gefeiert, erzählt er einmal. Als Student wäre er wegen seines Schwulseins beinahe verhaftet worden. Sexuelle Handlungen unter Männern standen noch unter Strafe, der Paragraf 175 wurde erst im Jahr 1969 entschärft. Zu jener Zeit dürften also nicht nur schwule Schlagersänger ein Doppelleben geführt haben.

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Eine gewisse Fixierung auf dieses Thema kann man trotzdem nicht abstreiten, für Rex Gildos Karriere interessiert sich der Regisseur nur am Rande. Er hat viele Kolleginnen und Wegbegleiter getroffen, er hat ihnen auch viele Fragen gestellt. "Hattest du Sex mit Rex?", will er etwa von der Sängerin Gitte Hænning wissen. Doch diese lacht nur und schüttelt den Kopf.

Und dann wären da noch die drei ganz in Schwarz gekleideten Frauen, die seine größten Fans sein sollen und wie ein Chor aus der griechischen Antike auftreten. Sie verbinden die verschiedenen Elemente des Films: Mal tauchen sie an realen Schauplätzen wie dem Grab ihres Idols am Münchner Ostfriedhof auf, mal stören sie die Dreharbeiten, als der junge Rex und sein Entdecker (Kilian Berger und Ben Becker) gemeinsam in einem Bett liegen. "Die Szene ist gestrichen", zetern sie. Und als sie den Verantwortlichen auf dem Regiestuhl identifizieren: "Rosa von Praunheim, Sie sind eine alte Sau!"

Dieser scheint die Lust am Trash, dem Eklat und der Provokation nicht verloren zu haben - was über 50 Jahre nach seinem wohl bekanntesten Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" auch eine Leistung ist. Ob er mit einem Film über einen toten Schlagersänger noch Krawall erzeugen kann, ist vielleicht fraglich; ob sich in dieser Branche wirklich etwas verändert hat, aber noch viel fraglicher. Es gibt noch viel Stoff für Praunheim, der im November 80 Jahre alt wird.

Rex Gildo - Der letzte Tanz, Deutschland 2022 - Regie: Rosa von Praunheim. Mit: Kilian Berger, Ben Becker, Kai Schumann. 88 Minuten, MissingFilms. Kinostart: 29. September 2022.

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