Eric Carle:Autor von "Die kleine Raupe Nimmersatt" ist tot

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Ist im Alter von 91 Jahren im US-Bundesstaat Massachusetts gestorben: der Kinderbuchautor Eric Carle. (Foto: Richard Drew/dpa)

Millionen Kinder kennen das Buch. Nun ist der deutsch-amerikanische Zeichner Eric Carle mit 91 gestorben. Seine unglückliche Schulzeit in Nazi-Deutschland war ein Antrieb für seine Geschichten.

Grün, rotköpfig, gefräßig - und am Ende ein schöner Schmetterling: "Die kleine Raupe Nimmersatt" erfreut Kinder seit Jahrzehnten. "Die farbenfrohen Illustrationen sind eine Art Gegenmittel zu den Graus und Brauns meiner Kindheit in Deutschland", hatte Eric Carle einmal erklärt. Nun ist der US-Autor tot. Carle sei bereits am Sonntag im Alter von 91 Jahren gestorben, teilte seine Familie am Mittwoch auf seiner Webseite mit. Sein Vater sei in seinem Studio im US-Bundesstaat Massachusetts einem Nierenversagen erlegen, sagte Sohn Rolf der New York Times.

Der 1929 in Syracuse im US-Bundesstaat New York geborene Carle war Sohn deutscher Auswanderer, die mit ihm 1935 zurück nach Deutschland zogen. Dort regierten die Nationalsozialisten. Carle wurde in Stuttgart eingeschult. "Dieser Schulbeginn ist mir unvergesslich - ein kleines Klassenzimmer mit schmalen Fenstern, ein harter Bleistift, ein kleines Blatt Papier und die strenge Ermahnung, keine Fehler zu machen", schrieb er einmal über seine Schulzeit. "Es war so ein Kontrast zu Miss Frickey", seiner Grundschullehrerin in den USA, "die ich liebte und in deren lichtdurchflutetem Klassenzimmer ich mit leuchtenden Farben malte".

Die Schläge seines Lehrers in Stuttgart mit dünnem, hartem Bambusstock vergaß er bis ins hohe Alter nicht. "Ich habe schmerzhafte Erinnerungen daran, in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges aufzuwachsen." Kinderbuchautor wurde er durch Zufall: 1952, nach Abschluss an der Kunsthochschule Stuttgart, zog er mit gerade einmal 40 Dollar in der Tasche zurück in die USA, wurde Grafikdesigner bei der New York Times und künstlerischer Leiter bei einer Werbeagentur. Der Schriftsteller Bill Martin sah eines Tages eine von Carles Grafiken und fragte, ob er Bilder zu einer Geschichte für Kinder beisteuern könne.

Für die Raupe stanzte er Löcher in die Buchseiten

Carles Kindheitserinnerungen waren dann später der Antrieb für seine Arbeit als Kinderbuchautor. Raupen, Ameisen, Käfer, Spinnen, Würmer - bereits als kleiner Junge war Carle vor allem von Insekten fasziniert: "Ich erinnere mich noch genau an die Begeisterung, mit der ich Steine hochgehoben oder Rinde von toten Bäumen abgekratzt habe, um die winzigen Lebewesen zu beobachten, die dort aufgeregt hin und her krabbelten." Neben der kleinen Raupe erweckte er als Erwachsener zahlreiche Kleintiere per Bild zum Leben, darunter "Der kleine Käfer Immerfrech". Seine Motivation: Durch das in seinen Büchern spielerisch vermittelte Wissen wollte er, der selbst ungern zur Schule ging, Kindern den Schulalltag erleichtern.

Mehr als 100 Bücher veröffentlichte er, die in etwa 70 Sprachen übersetzt wurden. "Die kleine Raupe Nimmersatt" - die Geschichte einer Raupe, die aus einem Ei schlüpft, sich durch allerlei Lebensmittel frisst und dann dick und rund verpuppt, bevor sie zu einem Schmetterling wird - machte Carle Ende der Sechzigerjahre auf der ganzen Welt bekannt.

Für die Raupe stanzte er Löcher in die Buchseiten, so dass die Kinder das Fressen des Tieres auch haptisch erfassen konnten. "Ich versuche zu unterhalten mit meinen Bildern und meinen Geschichten", sagte Carle einmal. Aber er lasse auch ein bisschen etwas zum Lernen einfließen, "auf eine verdeckte Art". 1969 erschien das Buch in den USA. Nach Angaben des Verlages wurden bis heute mehr als 50 Millionen Exemplare davon verkauft.

Den Erfolg der Raupe konnte Carle sich nie ganz erklären: "Mittlerweile glaube ich, zum Teil liegt es daran, dass sich die meisten Kinder identifizieren können mit der hilflosen, kleinen, unbedeutenden Raupe und sie sich mitfreuen, wenn die sich in einen schönen Schmetterling verwandelt."

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