Es ist nicht ungewöhnlich, wenn einer weit über die Pensionsgrenzen hinaus weitermacht, was er immer schon getan hat, wenn er etwas Neues anfängt, ist das schon bemerkenswert. Dustin Hoffman gilt als einer der größten Schauspieler seiner Generation - er hat zwei Oscars, er ist ein Idol des Method Acting. Inzwischen ist er 75 Jahre alt und hat nun sein Regiedebüt gegeben - "Quartett", angesiedelt in einem Altenheim für Musiker, mit Dame Maggie Smith als Operndiva, einer der ganz großen britischen Schauspielerinnen, zuletzt in "Best Exotic Marigold" und der Fernsehserie "Downton Abbey" zu sehen. Hoffman reiste also nach England, um dort zu beweisen, dass es für Neuanfänge nie zu spät ist.
Als recht frohliches Dreigestirn leben Cissy (Pauline Collins), Wilfred (Billy Conolly) und Reginald (Tom Courtenay) in Beecham House, einem prachtvollen Landsitz, zum Altenheim umfunktioniert - eine Stiftung sorgt dort für Musiker. Eines schönen Morgens kommt eine neue Bewohnerin an, von der nicht verraten wurde, wer sie ist; und als Reginald ihr dann endlich gegenüber steht, ist ihm auch klar, warum: Jean Horton (Maggie Smith), ein ganz großer Opernstar, und Reginalds Ex-Frau.
Die einzig mögliche Schwäche: die romantische Überzeichnung
Beecham House ist ein Enid-Blyton-Altenheim, die Senioren Variante eines Hanni-und-Nanni-Internats aber diese romantische Überzeichnung ist dann auch die einzige Schwäche, die man "Quartett" vorwerfen könnte. "Quartett" ist ein Schauspieler-Film, wie man es von Hoffman ja auch erwartet, und er hat dazu eine ziemlich perfekte Balance gefunden zwischen Drama und kurioser Komödie. Für Jean Horton ist es hart, sich einzuleben, nicht nur, weil sie eine Diva ist und ihr Ex-Mann sich nicht mit ihr vertragen will. Man erwartet von ihr, dass sie noch einmal singt, beim alljährlichen Konzert, mit dem die Heimbewohner die Beecham House drohende Pleite abwenden wollen. Jean weigert sich - sie tritt längst nicht mehr auf und hat panische Angst, sich mit einer Stimme dem Publikum zu präsentieren, die an ihre Glanzzeiten nicht mehr heranreicht.
Und das gehört dann zu den ganz großen Stärken dieses Films: Wie er sich mit aller Macht gegen die Forderung stemmt, man dürfe nicht mehr tun, was man nicht mehr so gut kann wie zwanzig Jahre zuvor. Es würde einem jungen Regisseur natürlich auch gar nicht zustehen, soetwas zu behaupten, Hoffman aber schon. Und er erzählt von all den Verwicklungen und Versöhnungen, die Jeans neues Leben erfordert, konsequenterweise in der Überzeugung, dass es nie zu spät ist, von vorn anzufangen.
Vor der Kamera hat man Hoffman in den letzten Jahren nur selten gesehen, seine Fernsehserie "Luck" wurde schnell wieder abgesetzt, sonst war da noch "Meine Frau, ihre Schwiegerelten und ich" - Hoffman als alterndes Weichei, das von Barbra Streisand untergebuttert wird und es dann auch noch mit Robert DeNiro zu tun bekommt. Das war sehr komisch, aber auf eine schrille Art. Wenn man dann anschaut, wie Hoffman seinen ersten eigenen Film inszeniert hat, kann man schon auf die Idee kommen, dass er sich als Schauspieler so rar gemacht hat, weil ihm das Kino von heute einfach zu laut ist. "Quartett" ist, in den Gags wie in seinen rührseligen Momenten, eher piano.
Quartet, GB 2012 - Regie: Dustin Hoffman. Buch: Ronald Harwood. Kamera: John de Borman. Mit: Maggie Smith, Michael Gambon. DCM, 98 Minuten