Porträt:Vom Bild zum Ton

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Von den Tattoos bis zum Trio-Format: Lange war Tim Allhoff von Brad Mehldau beeinflusst. Jetzt stellt er sich erstmals als Solo-Pianist vor. (Foto: Lisa Martin)

Erstmals solo unterwegs: Jazzpianist Tim Allhoff kommt mit neuem Album ins Einstein

Von Oliver Hochkeppel, München

Der Jazzpianist Tim Allhoff spielt seit Längerem in einer Liga mit hiesigen Größen wie Michael Wollny, Pablo Held, Chris Gall oder Martin Tingvall. Nur hat sich das noch nicht so herumgesprochen, wie man es erwarten könnte bei einem, der schon 2010 den Neuen Deutschen Jazzpreis gewann und in den folgenden zwei Jahren zwei Mal den Echo Jazz - die bis vor Kurzem wichtigsten Auszeichnungen der Szene. Diese Erfolge feierte Allhoff im Trio mit dem Bassisten Andreas Kurz und dem Schlagzeuger Bastian Jütte, einer mehr als eingespielten Formation, die der gebürtige Augsburger gleich nach dem Studium am Münchner Richard-Strauss-Konservatorium 2008 gegründet hatte. Dieses Trio bleibt auch in Zukunft ein Schwerpunkt seines Schaffens, doch seiner Popularität könnte jetzt das neueste Projekt abseits seiner Stammformation aufhelfen: Sein erstes Klavier-Solo-Album "Sixteen Pieces For Piano", das offiziell am kommenden Freitag erscheint, das er aber bereits tags zuvor beim Release-Konzert im Einstein Kulturzentrum vorstellt.

Zum einen, weil Allhoff damit erstmals bei einem Major Label reüssieren konnte: Sony bringt das Album unter seinem Traditionsnamen Okeh - bei dem auch Till Brönner, Kurt Elling oder David Sanborn unter Vertrag sind - heraus. Vor allem aber, weil diese 16 Stücke ein anderes Bild des Pianisten Tim Allhoff vermitteln, als man es von seinem Trio her gewohnt ist. Schon die Auswahl der drei "Cover"-Versionen neben den 13 eigenen Kompositionen veranschaulicht, welches: "Nimrod" ist ein nicht sehr originales, eher von der Vorlage inspiriertes Motiv von Edward Elgars "Enigma Variationen", die ganz kurze "Aria" stammt vom polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki, und "Fix You" ist ein Coldplay-Song.

Letzterer beschließt das Album und ist mit siebeneinhalb Minuten das mit Abstand längste Stück darauf. Es sind alles Miniaturen, oft extrem reduziert, sehr klassisch oder neoklassisch anmutend. Kurzgeschichten gewissermaßen, die oft nach zwei Minuten auserzählt sind, ohne dass dann noch ein Jazz-Solo folgen muss - "das war eigentlich auch die größte Herausforderung, einfach nur Klaviermusik zu machen, ohne in Genres oder Schemata zu denken", sagt Allhoff. "Smilla" zum Beispiel - benannt nicht nach der Roman- und Filmfigur, sondern nach dem Hund einer Freundin - klingt wie ein moderner Anhang zu Griegs "Lyrischen Stücken".

Man kann hier also stärker als bisher Allhoffs klassische Wurzeln spüren. In Augsburg geboren und aufgewachsen besuchte er das musische Gymnasium Sankt Stephan, wo Bach früh eine große Rolle spielte. "Das findet man in der sechsten Klasse zwar nicht cool, aber ich habe trotzdem gemerkt, dass so etwas wie die Matthäuspassion zu singen, was bei uns Pflicht war, etwas mit mir macht. Und von da an wollte ich auschecken, was das ist. Retrospektiv merke ich heute, dass gerade diese ganze Harmonik tief in mir verwurzelt ist." Dies wie auch die Arbeit als musikalischer Leiter am Stadttheater Ingolstadt direkt nach dem Studium - "Ich habe da viel gelernt, aber nach zwei Jahren war das mit dem boomenden Trio nicht mehr zu vereinbaren" - ist wohl die Grundlage dafür, dass Allhoff heute auch ein gewiefter sogar in Hollywood angekommener Arrangeur ist, unter anderem hat er den Soundtrack von "Sleepless" mit Jamie Foxx orchestriert. Und dass er im vergangenen Jahr neben Größen wie Hauschka für den deutschen Musikautorenpreis nominiert war. Beides vermutlich wichtige Gründe dafür, dass Sony auf ihn aufmerksam wurde.

Neben seinen Qualitäten als Improvisator natürlich, denn der Jazz begann ebenfalls sehr früh eine Rolle zu spielen. Sein Vater war ein großer Jazz-Liebhaber und hörte viel, was den jungen Tim Allhoff stark anregte, von Tower of Power und Spyro Gyra bis den Herbolzheimer Bigbands. Jazzmusiker werden zu wollen, stand deshalb früh fest: "Die Frage, was man nach dem Abitur machen soll, die so viele Mitschüler beschäftigte, hat sich mir nie gestellt." Die Aufnahmeprüfung am Münchner Richard-Strauss-Konservatorium war keine Hürde und bereits im Studium entwickelt Allhoff einen eigenen Stil. Wenn auch anfangs noch stark von Brad Mehldau beeinflusst - mit dem großen Vorbild und seinen Trio-Begleitern Jeff Ballard und Larry Grenadier hat Allhoff inzwischen ebenso gearbeitet wie mit Nils Landgren, Dieter Ilg oder Nils Wülker.

Doch ob nun der Trio-Jazz, ob das buntere, um Gastmusiker und Streichquartett erweiterte, mit Crowdfunding finanzierte, zuletzt erschienene Projekt "Lepus" oder nun das Solo-Album - Allhoffs Musik ist stets bildhaft, Melodie-gestützt und klar. "Ich bin ein visueller Mensch, fotografiere gern und viel und habe auch die Cover meiner letzte vier Alben alle selbst gestaltet," sagt Allhoff. Bilder und ihre Stimmungen waren dann auch seine größte Inspirationsquelle für die "Sixteen Pieces", ob aus TV-Serien wie "Game of Thrones" ("Daenerys") oder "House of Cards ("Claire"), aus Stephen Kings Roman "Erhebung" oder aus Saint-Exupérys "Der kleine Prinz" ("Der Fuchs").

Gleichzeitig ist "Sixteen Pieces For Piano" ein Aufstieg in die Königsklasse der Solo-Pianisten, eine Art letzte Meisterprüfung: "In der Band wirst du immer aufgefangen, dies ist jetzt erstmals die Erfahrung, ganz nackt zu sein," sagt Allhoff. Er wird diese Herausforderung auch im Einstein meistern.

Tim Allhoff , Donnerstag, 6. Februar, 20 Uhr, Halle 4, Einstein, Einsteinstraße 42

© SZ vom 03.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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