Popkolumne:"Was soll'n wir tun, Batman?"

Lesezeit: 3 Min.

Wer sich umdreht, wird feststellen: Lykke Li ist immer noch da. (Foto: Theo Lindquist)

Lykke Li ist zurück - was heißt, dass sie uns noch immer folgt. Quinquis singt auf Bretonisch und "Der Mann" geben Antworten auf Fragen an Superhelden.

Von Juliane Liebert

Es ist schon elf Jahre her, dass Lykke Li versprochen hat, uns zu folgen. Und wirklich - sie ist immer noch da! Aber beginnen wir früher. Eigentlich fiel die Musikerin zum ersten Mal 2008 auf, als sie in "Little Bit" erklärte, sie sei zwar zu stolz zu lieben, aber fände uns schon gut. Deswegen sollten wir bitte die Initiative ergreifen. Wir waren aber selbst sehr schüchtern und taten daher nichts, bis 2011 kam. 2011 veröffentlichte sie eben "I Follow Rivers", das im Remix von The Magician zum internationalen Hit mutierte. Und seitdem, ja, wir hatten Zweifel, aber wenn man sich umdreht, ist Lykke Li geblieben. Manchmal freut man sich. Manchmal fragt man sich, warum diese Irre nach all den Jahren nicht aufhört, uns nachzulaufen, und einfach mal zugibt, dass sie uns mag. Aber irgendwie ist man auch froh, sie dabeizuhaben.

(Foto: N/A)

Ihr neues Album heißt "EYEYE" (Play It Again Sam/Rough Trade). Es ist ihr fünftes Studioalbum, und sie wollte mal was ganz anderes machen, deswegen wurde das Album ohne Clicktracks, ohne Kopfhörer und ohne digitale Instrumente aufgenommen. Insofern klingt alles reduziert, lo fi und ein wenig trashig. Als ob der Backing Track laut im Hintergrund lief, und dann wurde ihre Stimme noch lauter und entsprechend effektbeladen drübergepackt. Vom Songwriting und der Stimmung landet Lykke Li dabei irgendwo in der Nähe von Lana Del Reys "Blue Banisters", nur dass die Banisters hier Blechkisten sind - und ziemlich viel Hall auf allem liegt.

Das Album ist 33 Minuten und 33 Sekunden lang, was eine nahezu perfekte Albumlänge ist. Zudem ist es insofern erfrischend, als dass Musiker einem ja immer sagen, man solle ihre Musik auf keinen Fall über Laptoplautsprecher hören, weil man nur mit teuren Kopfhörern oder einer extrem guten Anlage jede Nuance ihres Meisterwerkes erfassen könne. Lykke Li geht den umgekehrten Weg. Sie verwendet nicht mal selbst Kopfhörer. Muss man sich auch erst mal trauen.

(Foto: N/A)

Erinnert sich noch jemand an "Was soll'n wir tun, Batman?" von Fleischlego? Der Song stammt von 1994, ist also fast 30 Jahre alt, passt aber zur aktuellen Lage wie die Faust aufs ... das ist eigentlich ein ziemlich brutales Bild, wenn man es mal reflektiert. Unnötig brutal in so aufgeklärten Zeiten. Sagen wir: Der Song passt zur aktuellen Lage wie Erdbeercreme auf einen Cupcake. Die Lyrics gehen so: "Was soll'n wir tun, Batman? / Der Wirtschaft geht es schlecht, Batman (...) Der Moslem will uns an die Wurst, Batman / Die Bundeswehr ist ratlos, Batman / Die Welt ist schlecht, Batman / Die Renten kosten Geld, Batman / Die Zeitungen lügen, Batman." Dabei ahnte 1994 doch noch niemand jemand, dass Robert Pattinson 2022 als deprimierter Batman unsere einzige Hoffnung sein würde.

Die Band Der Mann hat auf ihrem neuen Album nun eine leicht verspätete Antwort auf den Song von Fleischlego gegeben - sie heißt "Immer der, der fragt". Nur dass Der Mann eher experimentellen intellektuellen Deutschrock machen, weswegen sie ein bisschen weniger in die Fresse sind als Fleischlego. Sie sind auch weit rücksichtsvoller als Lykke Li. Statt einfach ungefragt jemandem irgendwohin zu folgen, fragen sie am Anfang des neuen Albums "Top" (Staatsakt/H'Art) ihre Hörerschaft, ob die bereit für ein Comeback sind. So geht Konsens! Sie geben selbst zu, dass ihre Gitarren aus der Gruft kommen (der Gruft der Hamburger Schule?), dafür hauen sie gelegentlich auf Töpfe. Manchmal sind sie sogar subversiv, etwa wenn sie texten: "Wir singen ein Lied gegen den Staat / dafür kriegen wir Geld vom Staat." Auch das muss man sich erst mal trauen.

Noch gewagter: Quinquis. Die Musikerin Émilie Tiersen ist eigentlich unter dem Namen Tiny Feet bekannt. Jetzt veröffentlicht sie als Quinquis das Album "Seim" (Mute/Rough Trade), auf dem sie ausschließlich auf Bretonisch singt. Das heißt, man weiß beim Hören eigentlich nie, worum es gerade geht. Klarer Vorteil. Wäre es nicht schön, wenn alle Popmusik ausschließlich auf Bretonisch wäre? Dazu zitternde Synthies, schnarrende Elektronik, warmer Hall auf den wenigen eingestreuten Gitarrenmomenten. Das alles ist so fein arrangiert und vielfältig komponiert, man will es auf keinen Fall auf Laptoplautsprechern hören. Man könnte ja was verpassen. Die Songs klingen, als würden sie unter der Lautoberfläche weiterwachsen. Und Tiersens Stimme schwebt manchmal über, manchmal unter den Klängen, umtanzt sie, lässt sich kurz nieder und hebt wieder ab. Was sie wohl sagt? Kann sein, dass sie uns tröstend mitteilt, dass zwar die Roboter die Weltherrschaft übernommen haben, sie aber eigentlich ganz lieb sind und kein Anlass zur Sorge besteht. Schlaf, Menschheit, schlaf. Jetzt ist endlich alles gut.

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