Pianistin Mihaela Ursuleasa unerwartet gestorben:Geisteshelles Talent

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Sie war eine blitzgescheite, leidenschaftliche Musikerin, deren Stern unaufhaltsam aufzugehen schien. Doch nun ist die rumänische Pianistin Mihaela Ursuleasa plötzlich verstummt. Erst 33 Jahre alt, starb sie unerwartet in ihrer Wiener Wohnung.

Harald Eggebrecht

Sie sei ein Chamäleon, das sich aber treu bleibe, hat Mihaela Ursuleasa einmal gesagt und damit das Verhältnis zwischen ihrer Affektwelt und der Musik beschrieben. Das heißt: Ob traurig, heiter oder versonnen, müde oder aufgeregt, angriffslustig oder verzagt - all das ginge in die Musik, in ihr Klavierspiel ein.

Mihaela Ursuleasa im Oktober 2010 bei der Verleihung des Musikpreises "Echo Klassik" in der Philharmonie in Essen. Die Starpianistin ist nach Aussagen der österreichischen Polizei an einer Gehirnblutung infolge einer erweiterten Arterie gestorben. (Foto: Getty Images)

So konnte man sie dann auch erleben, als energische und elegische, als lyrisch ausdrucksstarke und als extrovertierte Virtuosin, deren Lust an Franz Liszts feuriger Brillanz genauso mitriss wie ihre Fähigkeit zum Innehalten, zum Hineinhören in den Klang fesselte, wenn sie Chopin, Rachmaninow oder die erste Klaviersonate des argentinischen Komponisten Alfredo Ginastera spielte.

Mihaela Ursuleasa stammte aus dem siebenbürgischen Brasov, ehemals Kronstadt, aus einer Roma-Familie. Ihr Vater machte Volksmusik und Jazz, und schon bald spielte die kleine Mihaela, die sich gern unter dem Klavier in den Klang "wie in einen Kokon" einhüllen ließ, so hat sie erzählt, auch mit.

Ihr Talent war offensichtlich, und so begann eine Wunderkindkarriere, die in dem Moment endete, als sie dem großen Claudio Abbado vorspielte. Der riet Mihaela und ihrer Mutter, diesen vermeintlich so glänzenden Weg zum Ruhm nicht weiter zu verfolgen, sondern ernsthaft Musik zu studieren.

Begabt mit rhytmischem Feuer

Das geschah auch, sie zog mit ihrer Mutter nach Wien, lernte und erarbeitete sich alles, was zu einem professionellen Musiker von Rang gehört: Disziplin, Repertoire, Technik. 1995 gewann sie dann in Vevey in der Schweiz den renommierten Clara-Haskil-Wettbewerb. Diesen Wettbewerb gibt es seit 1963, er wird seitdem alle zwei Jahre zu Ehren der großen rumänischen Pianistin Clara Haskil veranstaltet.

Ursuleasa war begabt mit rhythmischem Feuer, blitzender Geläufigkeit und einem zupackenden Temperament. Zugleich aber blieb sie nicht einseitig in der Rolle als Tastenlöwin befangen, sondern wandte sich bald genauso intensiv dem Kammermusizieren zu. Sie fand gleichgesinnte und gleichermaßen begabte Mitspieler, vor allem die Geigerin Patricia Kopatchinskaja und die Cellistin Sol Gabetta, mit denen sie ein explosives Trio bildete.

Wenn sie mit Sol Gabetta einen Sonatenabend gab, brannte gleichsam das Podium. Da spielten zwei aus dem gleichen dynamischen, energiegeladenen Geist, etwa Beethovens letzte Cellosonate Op. 102,2. Da loteten sie die riesigen Trauermarschdimensionen im Adagio tiefgründig aus bis zu aschfahler Erstarrung.

Und die gefürchtete Finalfuge, die auch als angestrengtes Säge-und Hack-Exerzitium misslingen kann, nahmen Gabetta und Ursuleasa bei aller Sforzato-Heftigkeit stets rhythmisch federnd und auf strukturelle Durchsichtigkeit bedacht. Schon das Eingangs-Allegro war sofort "da", Gabetta und Ursuleasa präsentierten sich und diesen ersten Satz geisteshell und reaktionsschnell.

Es ist bitter, hinnehmen zu müssen, dass diese blitzgescheite, leidenschaftliche Musikerin, deren Stern unaufhaltsam aufzugehen schien, plötzlich verstummt ist, am 2. August tot aufgefunden in ihrer Wiener Wohnung, erst 33 Jahre alt, gestorben vermutlich an einer Gehirnblutung. Mihaela Ursuleasa hinterlässt eine siebenjährige Tochter.

© SZ vom 04.08.2012/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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